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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 01.09.2004
Aktenzeichen: II B 156/03
Rechtsgebiete: ErbStG, FGO


Vorschriften:

ErbStG § 17 Abs. 2 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der 1967 geborene Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist zu 100 % schwerbehindert. Für ihn ist ein Betreuer bestellt, dessen Aufgabenkreis Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung umfasst.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen den Kläger als Erben seines Vaters Erbschaftsteuer fest. Das Begehren des Klägers, ihm trotz Überschreitens der in § 17 Abs. 2 Satz 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) bestimmten Altersgrenze von 27 Jahren einen Versorgungsfreibetrag in Höhe von 40 000 DM zu gewähren, blieb im Einspruchs- und Klageverfahren erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1136, abgedruckt.

Zur Begründung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision führt der Kläger aus, der Frage, ob die in § 17 Abs. 2 Satz 1 ErbStG festgelegte Altersgrenze von 27 Jahren bei Kindern, die sich wegen körperlicher oder seelischer Behinderung nicht selbst unterhalten könnten und deren Lebensunterhalt deshalb überwiegend aus den Erträgen des angefallenen Vermögens oder durch laufende Eingriffe in die Vermögenssubstanz bestritten werden müsse, verfassungsgemäß sei, komme grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klärung dieser Frage sei auch zur Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erforderlich. Der Gesetzgeber habe hier die verfassungsrechtliche Grenze seiner Gestaltungsfreiheit nicht eingehalten. Nach Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) dürfe niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Lebenserwartung auch schwerstbehinderter Personen sei heute erheblich höher als früher. Es liege im Streitfall eine zu krasse steuerliche Ungleichbehandlung vor, da er, der Kläger, zu den wirklich Bedürftigen gehöre.

II. Die Beschwerde ist unzulässig.

Die Beschwerdebegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Danach müssen in ihr die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden.

1. Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder das Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts hinreichend darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dies gilt auch, wenn sich der Beschwerdeführer auf einen nach seiner Ansicht vorliegenden Verfassungsverstoß stützt (BFH-Beschluss vom 26. Juni 2003 III B 126/02, BFH/NV 2003, 1415, m.w.N.). Zu einer ordnungsgemäßen Beschwerdebegründung gehört in einem solchen Fall auch eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BFH und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu den maßgebenden verfassungsrechtlichen Vorgaben (BFH-Beschlüsse vom 4. Februar 2003 VIII B 182/02, BFH/NV 2003, 1059; vom 19. Dezember 2003 II B 152/02, BFH/NV 2004, 533).

2. Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Verfassungsmäßigkeit der in § 17 Abs. 2 Satz 1 ErbStG festgelegten Altersgrenze in Rechtsprechung und/oder Literatur umstritten sei, soweit sie schwerbehinderte Erben betrifft. Er hat nicht ausgeführt, warum das in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG geregelte Verbot der Benachteiligung Behinderter für diesen Personenkreis die Gewährung des Versorgungsfreibetrags nach § 17 Abs. 2 Satz 1 ErbStG über die Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus gebieten soll. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, der nach seinem Wortlaut nur die Benachteiligung Behinderter verbietet, lässt zwar Bevorzugungen Behinderter mit dem Ziel einer Angleichung der Verhältnisse von nicht Behinderten und Behinderten zu, fordert sie aber nicht ohne weiteres (BVerfG-Beschluss vom 8. Oktober 1997 1 BvR 9/97, BVerfGE 96, 288, 302 f.). Mit dieser Entscheidung hat sich der Kläger ebenso wenig auseinander gesetzt wie mit der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, dem aus verfassungsrechtlicher Sicht verschiedene Möglichkeiten offen stehen, um Benachteiligungen bestimmter Bevölkerungsgruppen zu beseitigen (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom 7. Juli 1992 1 BvL 51/86, BVerfGE 87, 1). Der Kläger hat nicht deutlich gemacht, warum der Gesetzgeber verpflichtet sein soll, Schwerbehinderten über die bereits zu deren Gunsten bestehenden öffentlichen Leistungen und Vergünstigungen hinaus den Versorgungsfreibetrag nach § 17 Abs. 2 Satz 1 ErbStG ohne Altersbegrenzung zu gewähren.

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