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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 13.11.2006
Aktenzeichen: II B 163/05
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 119 Nr. 6 | |
AO 1977 § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 | |
AO 1977 § 169 Abs. 2 Satz 2 | |
AO 1977 § 170 Abs. 1 | |
AO 1977 § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. | |
AO 1977 § 90 Abs. 2 | |
AO 1977 § 159 Abs. 1 |
Gründe:
I. Der seinerzeit mit seiner Familie in Deutschland lebende Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein Angehöriger eines anderen Staates, gehört der Religionsgemeinschaft der ... an. Er war Offizier der Armee seines Staates, bevor er sich als Unternehmensberater und Vermittler von Ausrüstungsgegenständen für die Armee betätigte. Er ist mittlerweile in seinen Heimatstaat zurückgekehrt.
Die Steuerfahndung stellte 1997 fest, dass er bei der X-Bank auf seinen Namen ein Depot unterhielt, in dem sich Bankschuldverschreibungen befanden, die ihn und seine Ehefrau als Inhaber auswiesen und auf US-Dollar sowie britisches Pfund lauteten. Jeweils in DM umgerecht hatten sie folgende Werte:
Dollar-Papiere | Pfund-Papiere | |
1985 | 1 158 904 | 208 764 |
1986 | 1 022 655 | 490 318 |
1989 | 2 380 000 | 489 600 |
1993 | 3 784 000 | 460 800 |
1995 | 3 683 107 | 412 360 |
Der Kläger behauptet, dieses Wertpapiervermögen lediglich treuhänderisch gehalten zu haben. Die aus den Schuldverschreibungen erzielten Zinsen flossen auf Konten bei zwei schweizer Banken, die den Kläger als Kontoinhaber auswiesen.
Bei einer der beiden Banken bestand ferner ein Konto auf den Namen SL (SL), auf das der Kläger für eigene Zwecke zugreifen konnte. Der Kläger behauptet, das Konto stehe wirtschaftlich dem Y-Trust zu. Dabei handele es sich um eine Stiftung, die von seiner Großmutter zugunsten der Religionsgemeinschaft der ... gegründet worden sei.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) hielt das Treuhandverhältnis bezüglich der Schuldverschreibungen nicht für nachgewiesen und rechnete die Papiere dem Kläger zu 70 v.H. zu. Das SL-Konto rechnete es dem Kläger zu 30 v.H. zu. Dies ergab für die Schuldverschreibungen einen Betrag von 2 866 826 DM und für das SL-Konto einen Betrag von 3 297 510 DM. Diese Beträge und einige weitere Vermögenswerte legte das FA dem am 9. Dezember 1997 ergangenen Vermögensteuer-Bescheid auf den 1. Januar 1995 zugrunde.
Nach erfolglosem Einspruch minderte das Finanzgericht (FG) die Vermögensteuer mit Einverständnis des FA dadurch, dass es das SL-Konto dem Kläger nur zu 5 v.H. zurechnete. Bezüglich der Schuldverschreibungen wies es die Klage dagegen ab. Die Zurechnung der Schuldverschreibungen auf den Kläger begründete es mit dem wechselnden Sachvortrag über den angeblichen Treugeber --zunächst sollte(n) es ein Dr. Z sein, dann mehrere Personen unterschiedlicher Zusammensetzung und zuletzt die von der Großmutter gegründete Stiftung-- sowie mit dem Fehlen "objektiver Nachweise" trotz der nach § 159 der Abgabenordnung (AO 1977) dem Kläger obliegenden Beweislast. Von der Möglichkeit, den oder die Treugeber als Zeugen zu gestellen, sei kein Gebrauch gemacht worden. Die Zurechnung des SL-Kontos zu 5 v.H. begründete das FG damit, dass der Kläger für eigene Zwecke habe Gelder von diesem Konto abziehen können, dass dies aber bei vorsichtiger Schätzung nur eine Zurechnung in Höhe von 5 v.H. rechtfertige.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, die Entscheidung sei insofern ohne Gründe ergangen, als sie keine Ausführungen zur Festsetzungsverjährung und der Frage der Steuerhinterziehung enthalte, obwohl die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt habe. Dies stelle einen Verfahrensfehler dar (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Der Sache komme darüber hinaus grundsätzliche Bedeutung wegen der Rechtsfrage zu, ob der Steuerpflichtige auch dann den erhöhten Mitwirkungs- und Nachweispflichten gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 unterliege, wenn es um eine Steuerhinterziehung gehe, oder ob dies mit dem Grundsatz "in dubio pro reo" unvereinbar sei. Insoweit sei eine Revisionsentscheidung auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO erforderlich. Hinsichtlich des § 90 Abs. 2 AO 1977 werde die Frage von den Finanzgerichten unterschiedlich beurteilt. Während das FG Münster im Urteil vom 15. März 2005 12 K 3958/03 E (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 1327) die Auffassung vertrete, der Grundsatz "in dubio pro reo" beeinflusse das Maß der Mitwirkungspflichten nicht, sei das FG Düsseldorf der Ansicht, der Grundsatz sei auch im Steuerfestsetzungsverfahren zu beachten, wenn es auf eine Steuerhinterziehung ankomme (Urteil vom 4. November 2004 11 K 2702/02 E, EFG 2005, 246). Gegen beide Urteile sei Revision eingelegt.
Im Übrigen weiche die Vorentscheidung hinsichtlich der Anwendung des § 159 AO 1977 von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Dezember 1996 I R 99/94 (BFHE 182, 131, BStBl II 1997, 404) ab. Dort habe der BFH den Rechtssatz aufgestellt, komme der Steuerpflichtige einem Verlangen des FA gemäß § 159 AO 1977 nicht nach, so könne nur das FA, nicht aber das FG nach pflichtgemäßem Ermessen von der in § 159 AO 1977 vorgesehenen Rechtsfolge Gebrauch machen. Demgegenüber habe das FG den Rechtssatz aufgestellt, § 159 AO 1977 stelle eine spezialgesetzliche Beweisregel auf, welche die freie Beweiswürdigung einschränke. Von dieser Divergenz abgesehen herrsche Unsicherheit, ob in § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO die Vorschrift des § 159 AO 1977 versehentlich oder aber absichtlich nicht genannt werde. Dabei handele es sich um eine weitere im Streitfall klärungsfähige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
Dem FG seien auch eine Reihe gravierender Rechtsanwendungsfehler unterlaufen. Die Höhe des besteuerten Kapitalvermögens beruhe auf einer willkürlichen Schätzung. Es seien keinerlei Erwägungen angestellt worden, ob der Kläger ein derartiges Vermögen überhaupt habe erarbeiten können. Ein weiterer schwerer Fehler sei, dass das FG nicht geprüft habe, ob das FA den Kläger überhaupt aufgefordert habe, die Treugeber zu benennen. Außerdem habe es sich nicht auf die Prüfung beschränkt, ob das FA das ihm in § 159 AO 1977 eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe. Einen weiteren schweren Rechtsanwendungsfehler stelle es dar, dass das FG einerseits feststelle, dass es sich bei dem SL-Konto um ein fremdes Konto handele, aber ihm, dem Kläger, das Konto gleichwohl zu 5 v.H. zurechne.
Schließlich rügt der Kläger eine Reihe von Verfahrensmängeln. So habe das FG die Gesamtumstände und Hintergründe des Streitfalls sowie die vorgelegten Dokumente nicht ausreichend gewürdigt (§ 96 Abs. 1 FGO). Er, der Kläger, habe nicht damit zu rechnen brauchen, dass die vorgelegten Dokumente nicht ausreichen würden zu belegen, dass ihm die Schuldverschreibungen sowie das SL-Konto nicht zuzurechnen seien.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 119 Nr. 6 FGO, das FG sei nicht auf die Frage der Festsetzungsverjährung und insbesondere nicht auf die Berechnung der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AO 1977 sowie deren Beginn gemäß § 170 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 und damit zusammenhängend nicht auf die Frage einer Steuerhinterziehung eingegangen, ist nicht schlüssig gerügt, da bei Ergehen des Bescheides vom Dezember 1997 die vierjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 noch nicht abgelaufen war.
2. Die aufgeworfenen Rechtsfragen hinsichtlich der Bedeutung, die § 90 Abs. 2 und § 159 Abs. 1 AO 1977 für eine Steuerfestsetzung innerhalb der durch Steuerhinterziehung verlängerten Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 zukommt, sowie hinsichtlich der Anwendung des § 159 AO 1977 im finanzgerichtlichen Verfahren sind im Streitfall nicht klärungsfähig.
a) Soweit es um die Anwendbarkeit der §§ 90 und 159 AO 1977 bei der Feststellung des objektiven Tatbestandes einer Steuerhinterziehung geht, ist dem Kläger zwar einzuräumen, dass das FG wiederholt diese Vorschriften bemüht hat; tragend für die Entscheidung des FG war dies aber nicht.
aa) Was die Frage der Zurechenbarkeit der Schuldverschreibungen auf den Kläger betrifft, ist das FG vielmehr aufgrund einer Gesamtwürdigung des Verfahrens gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO zu dem Ergebnis gelangt, dass das behauptete Treuhandverhältnis nicht bestanden hat. Diese Gesamtwürdigung gemäß § 96 FGO, die dem FG ungeachtet des § 159 AO 1977 möglich ist, hat auch ohne Rückgriff auf § 90 Abs. 2 und § 159 Abs. 1 AO 1977 Bestand. Der (mehrfachen) Bezugnahme auf diese Vorschriften hätte es für die vorliegende Überzeugungsbildung des FG nicht bedurft. Das FG hat darauf abgestellt, dass das Depot auf den Namen des Klägers und die Papiere selbst auf seinen und seiner Ehefrau Namen lauteten. Es hat ferner betont, dass es keinerlei Unterlagen über die Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses gibt und dass die Angaben über den behaupteten Treugeber wiederholt gewechselt haben. Diese Umstände tragen die Annahme des FG, das behauptete Treuhandverhältnis habe nicht bestanden. Ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze liegt insoweit nicht vor (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2005 II R 63/04, BFH/NV 2006, 1061, 1064).
bb) Was das SL-Konto anbelangt, geht es nicht um die Anerkennung eines Treuhandverhältnisses, sondern um die teilweise Zurechnung auf den Kläger, obwohl dieses Konto nicht in seinem Namen geführt wurde. Bezüglich dieser teilweisen Zurechnung des SL-Kontos gilt, dass sich das FG seine Überzeugung von der teilweisen Zurechenbarkeit auf den Kläger gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO aufgrund der Zugriffsmöglichkeit des Klägers gebildet hat und auch bilden konnte.
b) Damit ist auch die Frage nach der Anwendbarkeit des § 159 Abs. 1 AO 1977 im finanzgerichtlichen Verfahren nicht klärungsfähig.
3. Weiter folgt daraus, dass die aufgezeigte Divergenz der o.a. Urteile der FG Münster und Düsseldorf für den Streitfall nicht rechtserheblich ist, sowie dass die Abweichung der Vorentscheidung von dem BFH-Urteil in BFHE 182, 131, BStBl II 1997, 404 einen für die Vorentscheidung nicht tragenden Rechtssatz betrifft.
4. Die gerügten "gravierenden Rechtsanwendungsfehler" sind entweder nicht schlüssig dargelegt oder aber erfüllen nicht die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO. Besonders schwerwiegende Fehler, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Revisionsentscheidung erfordern, liegen dann vor, wenn die Entscheidung des FG objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (BFH-Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25).
a) Von willkürlichen Schätzungen kann nicht gesprochen werden. Bereits die Zurechnung des SL-Kontos in Höhe von zunächst 30 v.H. und später 5 v.H. ist Ausdruck dessen, dass zunächst das FA und sodann das FG Erwägungen darüber angestellt haben, inwieweit diese Vermögenszurechnungen realitätsgerecht sind. Die Zurechnung der Schuldverschreibungen zu lediglich 70 v.H. statt --wie möglich-- vollen Umfangs, ist zugunsten des Klägers erfolgt.
b) Eine Verletzung der richterlichen Prüfungskompetenz gemäß § 102 FGO im Zusammenhang mit § 159 AO 1977 scheidet aus, da § 159 AO 1977 die FG nicht von der Pflicht befreit, gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu entscheiden.
c) Soweit geltend gemacht wird, es stelle einen schweren Rechtsanwendungsfehler dar, das SL-Konto einerseits als Fremdkonto anzusehen und es andererseits zu 5 v.H. dem Kläger zuzurechnen, fehlt es angesichts der eingeräumten Zugriffsmöglichkeit auf dieses Konto an der schlüssigen Darlegung eines solchen Rechtsfehlers.
5. Auch die Verfahrensfehler sind nicht ausreichend gerügt. Die zum SL-Konto vorgelegten Dokumente änderten auch dann nichts an der Tatsache der Zugriffsmöglichkeit des Klägers, wenn sie tatsächlich Erklärungen der Bank selbst enthielten. Was die Annahme des Klägers anbelangt, die zum Depot vorgelegten Dokumente würden zum Nachweis des behaupteten Treuhandverhältnisses ausreichen, hätten die Umstände dargelegt werden müssen, die es als möglich erscheinen ließen, die Annahme sei nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung gerechtfertigt gewesen. Die Ausführungen unter IV. 4. und 5. der Beschwerdebegründung ergeben keine Verfahrensfehler, es sei denn, der Kläger wolle damit geltend machen, es fehle insoweit an Entscheidungsgründen. Ein derartiger Mangel wäre aber nicht ausreichend dargelegt.
Ende der Entscheidung
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