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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: II B 166/03
Rechtsgebiete: FGO, GVG, ErbStG, GG


Vorschriften:

FGO § 27 Abs. 2
FGO § 4
GVG § 21e Abs. 3 Satz 1
GVG § 21e Abs. 1
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sollte Anfang 1995 von seinem Vater den Großteil von dessen Kommanditanteilen an mehreren Grundstücksgesellschaften und zudem von dessen Ehefrau, seiner Mutter, Grundbesitz erhalten. Dabei sollte eine Verrechnung der negativen steuerlichen Werte der Kommanditanteile mit den positiven Steuerwerten des zu übertragenden Grundbesitzes erreicht werden, um so Schenkungsteuer zu sparen. Der Vater übertrug daher mit von ihm am 20. Dezember 1994 im eigenen Namen und zugleich aufgrund einer Generalvollmacht im Namen seiner Ehefrau unterzeichneten Verträgen je die Hälfte seiner Kommanditanteile auf die Ehefrau und datierte diese Verträge auf den 29. März 1993 zurück.

Mit von einem Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland am 26. Januar 1995 beurkundetem Vertrag übertrugen der Vater den Großteil der ihm verbliebenen Kommanditbeteilungen und die Mutter die ihr zugewendeten Kommanditanteile in vollem Umfang auf den Kläger. Die Mutter wurde dabei wiederum aufgrund der Generalvollmacht vom Vater vertreten. Zugleich übertrug die Mutter Grundbesitz auf eine GbR, an der der Kläger zu 98 v.H. beteiligt war.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte bei der Festsetzung von Schenkungsteuer für den Erwerb des Klägers von seiner Mutter die negativen Steuerwerte der ihm von dieser übertragenen Kommanditanteile nicht. Das FA nahm vielmehr an, dass der Kläger schenkungsteuerrechtlich die Kommanditanteile insgesamt von seinem Vater erhalten habe. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) setzte den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 12. November 2003, 10.45 Uhr, fest. Bei der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung wirkte nicht der ursprünglich vorgesehene ehrenamtliche Richter R, sondern der ehrenamtliche Richter K mit. R war nach dem Sitzungsprotokoll aufgrund eines Staus verhindert.

Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, schenkungsteuerrechtlich beurteilt habe der Kläger die Kommanditbeteiligungen insgesamt von seinem Vater erhalten. Die Übertragung auf den Kläger sei von vornherein geplant gewesen. Die zunächst vorgenommene teilweise Übertragung der Kommanditanteile auf die Mutter des Klägers habe dem Ersparen von Schenkungsteuer gedient. Der Mutter hätten keinerlei eigene Dispositionsmöglichkeiten hinsichtlich der ihr übertragenen Anteile zur Verfügung gestanden. Sie sei persönlich an den gesamten Vertragswerken nicht beteiligt gewesen, sondern von ihrem Ehemann aufgrund der bereits vor langer Zeit erteilten Generalvollmacht vertreten worden. Es habe von vornherein festgestanden, dass sie die Kommanditanteile nicht habe behalten sollen. Ihr habe somit im Ergebnis keine Bereicherung zugewendet werden sollen. Sie sei zudem nur wenige Wochen Eigentümerin der Kommanditanteile gewesen. Diese Umstände sprächen gegen die Anerkennung der Schenkung an sie.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensfehler geltend.

Von grundsätzlicher Bedeutung sei zunächst die Frage, ob die vom Bundesfinanzhof (BFH) herausgearbeiteten Grundsätze zur Kettenschenkung nur anwendbar seien, wenn es um die Ausnutzung von Freibeträgen gehe, oder auch bei Fallgestaltungen wie in der vorliegenden Streitsache gälten. Dies sei in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Klärungsbedürftig sei auch, ob das FG die Grundsätze über die Kettenschenkung richtig angewandt habe. Nach der Literatur sollten zur Vermeidung von steuerlich unzulässigen Kettenschenkungen und zur Absicherung der durch solche Schenkungen erreichten steuerlichen Freibeträge "Schamfristen" von drei Monaten bis zu einem Jahr eingehalten werden. Eine vertragliche Verpflichtung der Mutter des Klägers zur Weitergabe der ihr geschenkten Kommanditanteile an den Kläger habe nicht bestanden. Die vom FG zur Begründung einer Weitergabeverpflichtung herangezogenen Indizien, nämlich die Vertretung der Mutter durch ihren Ehemann und der zeitliche Abstand zwischen beiden Schenkungen von wenigen Wochen, genügten nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Grundsätzlich klärungsbedürftig sei somit, ob bei einer angenommenen Kettenschenkung der zeitliche Abstand zwischen den Schenkungen und die Vertretung der Person, die die erste Schenkung erhalte und dann weiterschenke, mittels Vollmacht durch den ersten Schenker als Grundlagen für die Einordnung dieses Schenkungsvorgangs als unzulässige Kettenschenkung herangezogen werden durften.

Ein Verfahrensmangel liege vor, da das FG nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei. Der vom Geschäftsplan vorgesehene Richter könne nur dann ausgetauscht werden, wenn er dauernd verhindert sei. Zudem dürfe der Austausch nur vom Gerichtspräsidium angeordnet werden. R sei durch den Verkehrsstau nur vorübergehend verhindert gewesen. Ein anderer ehrenamtlicher Richter habe deshalb nicht kurzfristig eingewechselt werden dürfen. Das FG hätte die Sitzung vielmehr vertagen müssen, ggf. noch auf einen Zeitpunkt am selben Tag. Eine telefonische Anfrage an das FG habe zudem ergeben, dass eine bestimmte Vertretungsregelung für verhinderte ehrenamtliche Richter nicht bestehe. Wenn ein Richter kurzfristig ausfalle, werde derjenige Richter aus der Liste genommen, der gerade Zeit habe. Ein solches Vorgehen entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Später brachte der Kläger noch vor, das FG habe ihm nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist mitgeteilt, dass der tätig gewordene ehrenamtliche Richter K nicht auf der Reserveliste des erkennenden 3. Senats, sondern des 6. Senats des FG stehe.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Verfahrensmangel

Das FG war nicht deshalb vorschriftswidrig besetzt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 119 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), weil der ehrenamtliche Richter R als verhindert angesehen und durch den ehrenamtlichen Richter K ersetzt wurde.

a) Die unrichtige Anwendung einer Vorschrift über die Besetzung des Gerichts führt nur dann zu einem Verfahrensmangel im Sinne dieser Vorschriften, wenn der Gesetzesverstoß zugleich eine Verletzung des in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) niedergelegten Gebots des gesetzlichen Richters darstellt. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn sie von willkürlichen Erwägungen bestimmt ist. Von Willkür kann nur die Rede sein, wenn die Entscheidung sich so weit von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist (BFH-Beschluss vom 20. April 2000 IV R 32/00, BFHE 194, 346, BStBl II 2001, 651).

b) Das FG hat nicht dadurch gegen das Gebot des gesetzlichen Richters verstoßen, dass es den geschäftsplanmäßig zur Mitwirkung berufenen ehrenamtlichen Richter R als verhindert angesehen und für die Mitwirkung an der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung durch einen anderen ehrenamtlichen Richter ersetzt hat.

aa) Wie sich aus § 27 Abs. 2 FGO ergibt, kann bei unvorhergesehener Verhinderung eines ehrenamtlichen Richters ein Vertreter herangezogen werden. Wenn sich ein zunächst berufener ehrenamtlicher Richter unter Angabe eines Grundes für verhindert erklärt, braucht das FG den Hinderungsgrund im Regelfall nicht näher nachzuprüfen. Vielmehr darf es bei den auf gewissenhafte Amtsführung vereidigten ehrenamtlichen Richtern (vgl. § 45 des Deutschen Richtergesetzes) grundsätzlich davon ausgehen und sich ohne weitere Ermittlungen darauf verlassen, dass sie sich ihrer richterlichen Pflicht nicht ohne triftigen Grund entziehen, sondern nach pflichtgemäßer Abwägung zu dem Ergebnis gelangt sind, verhindert zu sein (BFH-Beschluss in BFHE 194, 346, BStBl II 2001, 651; BFH-Urteil vom 4. Juli 2001 VI R 78/94 u.a., BFH/NV 2002, 165). Die unvorhergesehene Verhinderung kann auch auf einem Verkehrsstau beruhen (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 27 FGO Tz. 6). Die vom Kläger angeführte Vorschrift des § 21e Abs. 3 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG), die nach § 4 FGO im finanzgerichtlichen Verfahren entsprechend gilt, ist im Streitfall nicht einschlägig. Sie betrifft Änderungen der Anordnungen des Präsidiums nach § 21e Abs. 1 GVG i.V.m. § 4 FGO im Laufe des Geschäftsjahres wegen dauernder Verhinderung einzelner Richter, befasst sich aber nicht mit einer unvorhergesehenen kurzfristigen Verhinderung.

Bei einer solchen kurzfristigen Verhinderung muss das FG nicht zeitlich unbegrenzt auf das Erscheinen des ehrenamtlichen Richters warten und braucht die angesetzten Termine auch nicht zu vertagen. Es entspricht vielmehr dem Zweck der nach § 27 Abs. 2 FGO zulässigen Hilfsliste, die planmäßige Abwicklung der zur mündlichen Verhandlung angesetzten Termine zu gewährleisten (BFH-Beschluss vom 3. September 1999 I R 54/98, BFH/NV 2000, 321). Auch das Bundesverwaltungsgericht vertritt die Auffassung, dass eine Vertagung der Verhandlung oder eine erhebliche Verzögerung ihres Beginns bei unvorhergesehener Verhinderung eines ehrenamtlichen Richters nicht hingenommen zu werden braucht (Urteil vom 28. Februar 1984 9 C 136.82, Die öffentliche Verwaltung 1984, 723).

bb) Nach der ergänzend zu den Ausführungen in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung eingeholten dienstlichen Auskunft des FG hatte der zur Sitzung geladene ehrenamtliche Richter R vor Sitzungsbeginn telefonisch mitgeteilt, dass er wegen eines durch Unfall verursachten Staus auf der Autobahn voraussichtlich nicht vor 12.00 Uhr werde erscheinen können. Tatsächlich sei der ehrenamtliche Richter erst gegen 13.45 Uhr gekommen.

Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass bis zum Erscheinen von R ein anderer ehrenamtlicher Richter zur Mitwirkung herangezogen wurde.

c) Das FG war auch nicht deshalb vorschriftswidrig besetzt, weil der ehrenamtliche Richter K als Vertreter hinzugezogen wurde.

aa) Nach der Auskunft des FG und den dieser beigefügten Unterlagen wurden die ehrenamtlichen Richter für das Jahr 2003 durch Präsidiumsbeschluss den Senaten zugewiesen. Dabei wurde für jeden Senat eine Hilfsliste (§ 27 Abs. 2 FGO) aufgestellt. Die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter aus der Hilfsliste ist nicht schriftlich geregelt. Nach ständiger, auf früheren Bestimmungen der Geschäftsordnung des FG beruhender Übung wird auf die für jeden Senat aufgestellte Hilfsliste zurückgegriffen, wenn ein geladener ehrenamtlicher Richter erst innerhalb einer Woche vor der Sitzung seine Verhinderung anzeigt. Ist aus der Hilfsliste des Senats kein ehrenamtlicher Richter verfügbar, wird auf die Hilfsliste der nächstfolgenden Senate in der Reihenfolge ihrer Bezifferung zurückgegriffen.

Nach der dienstlichen Äußerung der zuständigen Urkundsbeamtin waren die diesen Grundsätzen entsprechend vor K heranzuziehenden ehrenamtlichen Richter der Reservelisten der Senate 3 bis 5 beruflich verhindert oder nicht erreichbar. K habe hingegen seine Teilnahme zugesagt.

bb) Das FG hat sich bei der Heranziehung von K zutreffend auf die früher in der Geschäftsordnung vorgesehenen und weiterhin angewandten Regelungen gestützt. Dabei handelt es sich um eine zu Recht berücksichtigte "gewachsene Übung" des Gerichts (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 2001 VIII R 45/99, BFH/NV 2001, 1594, m.w.N.). Bei einer erst kurz vor Sitzungsbeginn bekannt gewordenen unvorhergesehenen Verhinderung eines ehrenamtlichen Richters ist es zulässig, in der Reihenfolge der Hilfsliste denjenigen ehrenamtlichen Richter als Vertreter heranzuziehen, der an der Sitzung teilnehmen kann und als Erster telefonisch erreichbar ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 165).

2. Grundsätzliche Bedeutung

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (BFH-Beschluss vom 3. Juni 2004 VII B 295/03, BFH/NV 2004, 1415, m.w.N.).

b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall hinsichtlich der vom Kläger herausgestellten Fragen nicht erfüllt. Die maßgebenden Grundsätze sind bereits geklärt.

Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer bestehenden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor. Wegen der Verpflichtung zur Weitergabe besteht keine Bereicherung der Mittelsperson aus dem Vermögen des Zuwendenden; eine Schenkung der Mittelsperson an den Dritten kommt nicht in Betracht. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, richtet sich nach den konkreten Umständen. Nicht entscheidend kommt es darauf an, ob der Schenkungsvertrag zwischen dem Zuwendenden und der Durchgangs- oder Mittelsperson seinem Wortlaut nach Absprachen hinsichtlich der Verwendung des Gegenstands der Zuwendung enthält. Maßgebend ist vielmehr, ob der zunächst Bedachte eine eigene Entscheidungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Verwendung hat (BFH-Urteil vom 13. Oktober 1993 II R 92/91, BFHE 172, 520, BStBl II 1994, 128). Diese Beurteilung hängt nicht von den erstrebten steuerlichen Vorteilen ab, sondern beruht auf der Auslegung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes.

Eine weitere Klärung der Rechtslage in einem Revisionsverfahren ist nicht erforderlich. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Zeit zwischen der Übertragung der Anteile auf die Mutter und der Weiterübertragung auf den Kläger. Ob das FG aufgrund der Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände die Mutter des Klägers zu Recht nur als Durchgangs- oder Mittelsperson angesehen hat, ist eine nur den Einzelfall betreffende Frage, die keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründet.



Ende der Entscheidung

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