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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.03.2009
Aktenzeichen: II B 168/08
Rechtsgebiete: FGO, BewG
Vorschriften:
FGO § 52a | |
BewG a.F. § 138 | |
BewG a.F. § 145 Abs. 3 S. 3 |
2. Es bedarf der Klärung in einem Revisionsverfahren, ob es für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts von unbebauten Grundstücken für Bewertungsstichtage vor dem 1. Januar 2007 auf die Wertverhältnisse am Bewertungsstichtag oder am 1. Januar 1996 ankommt.
Gründe:
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erbte von ihrem im August 1999 verstorbenen Ehemann u.a. einen Anteil an einem unbebauten Grundstück. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) legte der gesonderten Feststellung des Grundstückswerts dieses Anteils den Bodenrichtwert auf den 1. Januar 1996 von 30 DM je qm abzüglich eines Abschlags von 20 v.H. zugrunde. Der Einspruch blieb erfolglos.
Im Klageverfahren legte die Klägerin ein Sachverständigengutachten vor, in dem der gemeine Wert des Anteils auf den Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls nach dem zum 31. Dezember 1998 festgelegten Bodenrichtwert von 20 DM je qm abzüglich eines Abschlags von 20 v.H. zu bestimmen ist. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, für die Ermittlung des gemeinen Werts des Anteils sei nach § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und 4 sowie § 145 Abs. 3 Sätze 2 und 3 des Bewertungsgesetzes in der im Jahr 1999 geltenden Fassung (BewG) der auf den 1. Januar 1996 festgelegte Bodenrichtwert maßgebend; denn dieser rechne zu den Wertverhältnissen. Der Bodenrichtwert auf den 31. Dezember 1998 könne daher nicht berücksichtigt werden.
Die Klägerin reichte die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision einen Tag vor Ablauf der Rechtsmittelfrist beim elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach des Bundesfinanzhofs (BFH) ein. Der Beschwerdeschrift war eine elektronische "Visitenkarte" des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, eines Steuerberaters, beigefügt aber keine qualifizierte elektronische Signatur. Die Senatsgeschäftsstelle wies den Prozessbevollmächtigten nach Ablauf der Beschwerdefrist telefonisch darauf hin, dass die Beschwerde nicht mit der notwendigen qualifizierten Signatur versehen sei. Daraufhin beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist. Ihr Prozessbevollmächtigter sei wegen der fehlenden Abweisung der Übermittlung von der Zulässigkeit der Übermittlungsform und Zertifizierung ausgegangen. Wäre er innerhalb der Beschwerdefrist auf den Mangel hingewiesen worden, hätte er die Beschwerde noch fristgerecht per Fax einlegen können.
Zur Begründung der Beschwerde bringt die Klägerin vor, die Frage, ob für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts der Bodenrichtwert auf den 1. Januar 1996 oder auf den letzten Stichtag vor der Entstehung der Erbschaftsteuer maßgebend sei, werde unterschiedlich beurteilt und bedürfe daher der Klärung durch den BFH.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
1.
Die Beschwerdeschrift ist dem BFH auf zulässige Art und Weise zugegangen, da sie an das dafür vorgesehene elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach übermittelt und von der für den Empfang bestimmten Einrichtung aufgezeichnet wurde. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass bei der Einreichung der Beschwerde keine qualifizierte elektronische Signatur verwendet wurde. Die Verwendung einer solchen Signatur ist für die Einlegung von Rechtsmitteln beim BFH nicht vorgeschrieben.
a)
Die Übermittlung elektronischer Dokumente an die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit ist in § 52a FGO geregelt. Diese Vorschrift wurde durch das Justizkommunikationsgesetz vom 22. März 2005 (BGBl. I 2005, 837) mit Wirkung ab 1. April 2005 in die FGO eingefügt. Zugleich wurde § 77a FGO aufgehoben. Diese Vorschrift war durch das Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13. Juli 2001 (BGBl. I 2001, 1542) in die FGO eingefügt worden.
b)
Nach § 52a Abs. 1 Sätze 1 bis 4 FGO können die Beteiligten dem Gericht elektronische Dokumente übermitteln, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung der Bundesregierung oder der Landesregierung zugelassen worden ist. Die Rechtsverordnung bestimmt den Zeitpunkt, von dem an Dokumente an ein Gericht elektronisch übermittelt werden können, sowie die Art und Weise, in der elektronische Dokumente einzureichen sind. Für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, ist eine qualifizierte elektronische Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes vorzuschreiben. Neben der qualifizierten elektronischen Signatur kann auch ein anderes sicheres Verfahren zugelassen werden, das die Authentizität und die Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellt. Ein elektronisches Dokument ist nach § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO dem BFH zugegangen, wenn es in der nach § 52a Abs. 1 Satz 1 FGO bestimmten Art und Weise übermittelt worden ist und wenn die für den Empfang bestimmte Einrichtung es aufgezeichnet hat. Dies gilt ebenso wie bereits für § 77a FGO sowohl für vorbereitende als auch für bestimmende Schriftsätze (zu § 77a FGO BFH-Urteil vom 26. Oktober 2006 V R 40/05, BFHE 215, 53, BStBl II 2007, 271).
Bei der in § 52a Abs. 1 Satz 3 FGO vorgesehenen Regelung, wonach für die dort genannten Dokumente eine qualifizierte elektronische Signatur vorzuschreiben ist, handelt es sich nach dem klaren Wortlaut um eine Vorgabe an den Verordnungsgeber (Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52a FGO Rz 83; ebenso zum wortgleichen § 55a Abs. 1 Satz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 55a Rz 32), nicht aber um eine von den Verfahrensbeteiligten unmittelbar zu beachtende Vorschrift.
Der Verordnungsgeber hat die Vorgabe des § 52a Abs. 1 Satz 3 FGO bisher nicht umgesetzt. Die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim BFH vom 26. November 2004 (BGBl. I 2004, 3091), durch die die Einreichung elektronischer Dokumente beim BFH ab dem 1. Dezember 2004 zugelassen wurde, enthält nach ihrem Wortlaut und ihrer Entstehungsgeschichte keine Vorschrift, die die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur zwingend vorschreibt.
Die Verordnung sieht zwar in § 2 Abs. 3 vor, dass die qualifizierte elektronische Signatur einem näher bestimmten Standard entsprechen muss und das ihr zugrunde liegende Zertifikat durch das Gericht prüfbar sein muss. Eine Pflicht zur Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur ist hingegen nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht vorgesehen.
Für die Einführung einer solchen Verpflichtung durch Rechtsverordnung hätte es beim Erlass der Verordnung vom 26. November 2004 auch keine dem Art. 80 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Grundgesetzes entsprechende Ermächtigungsgrundlage gegeben. Die Rechtsverordnung wurde für den BFH auf der Grundlage des seinerzeit geltenden § 77a Abs. 2 Satz 1 FGO erlassen. Danach bestimmten die Bundesregierung und die Landesregierungen für ihren Bereich durch Rechtsordnung den Zeitpunkt, von dem an elektronische Dokumente bei den Gerichten eingereicht werden können sowie die für die Bearbeitung der Dokumente geeignete Form. Eine Ermächtigung, für die elektronische Einreichung bestimmter Dokumente die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur vorzuschreiben, enthielt die Vorschrift nicht. Eine solche Verpflichtung hätte § 77a Abs. 1 Satz 2 FGO widersprochen. In dieser Vorschrift war bestimmt, dass die verantwortende Person das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen "soll". Die Verwendung einer solchen Signatur stellte demgemäß kein zwingendes Erfordernis elektronischer Erklärungen dar; bei § 77a Abs. 1 Satz 2 FGO handelte es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift (BFH-Urteil in BFHE 215, 53, BStBl II 2007, 271, m.w.N.; offen BFH-Urteil vom 18. Oktober 2006 XI R 22/06, BFHE 215, 47, BStBl II 2007, 276, unter II.2.e).
Die vom Verordnungsgeber bisher unterlassene Anpassung der Verordnung vom 26. November 2004 an § 52a Abs. 1 Satz 3 FGO kann durch die Rechtsprechung nicht ersetzt werden. Es genügt daher nach wie vor, wenn sich aus dem elektronischen Dokument in Verbindung mit den es begleitenden Umständen keine Zweifel über den Aussteller und seinen Willen ergeben, das Dokument in den Rechtsverkehr zu bringen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 215, 53, BStBl II 2007, 271).
c)
Da sich aus der elektronisch eingereichten Beschwerde in Verbindung mit der beigefügten Visitenkarte des Prozessbevollmächtigten keine Zweifel über den Aussteller und seinen Willen ergeben, die Beschwerde in den Rechtsverkehr zu bringen, genügt die Beschwerde den gesetzlichen Formerfordernissen.
2.
Die Klägerin hat in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Art und Weise dargelegt, dass der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zukomme.
3.
Die Beschwerde ist begründet. § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 BewG, wonach es für Feststellungen von Grundbesitzwerten bis zum 31. Dezember 2006 auf die Wertverhältnisse zum 1. Januar 1996 ankommt, ist zwar ausgelaufenes Recht. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage hat aber noch für eine Vielzahl von Verfahren Bedeutung und ist noch nicht abschließend geklärt. Der BFH hat mit dem Urteil vom 3. Dezember 2008 II R 19/08 (Deutsches Steuerrecht 2009, 573) entschieden, dass es beim Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts von bebauten Grundstücken nicht auf die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1996, sondern auf diejenigen im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ankommt. Ob dies auch für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts von unbebauten Grundstücken nach § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG gilt, ist noch offen und klärungsbedürftig.
Ende der Entscheidung
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