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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.08.2004
Aktenzeichen: II B 174/03
Rechtsgebiete: BewG, AO 1977, ErbStG


Vorschriften:

BewG § 148 Abs. 1 Satz 1
BewG § 138 Abs. 5
BewG § 148 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 155 Abs. 2
AO 1977 § 165 Abs. 1 Nr. 3
ErbStG § 13a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist der Sohn des am 15. Februar 1999 verstorbenen Erblassers. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zog ihn mit Bescheid vom 9. November 1999 zu einer Erbschaftsteuer von 141 450 DM heran. Dabei hatte er einen Erwerb erbbaurechtsbelasteter Grundstücke zugrunde gelegt und diese mit dem 18,6-fachen des jährlichen Erbbauzinses von 53 635 DM --nämlich mit 997 000 DM-- angesetzt.

Einspruch und Klage, mit denen der Kläger verlangt hatte, ihm für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens dieselben Vergünstigungen zu gewähren, wie sie § 13a des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) für Betriebsvermögen vorsehe, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) entschied ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten in einem Erörterungstermin auf diese verzichtet hatten. Es war der Ansicht, das FA habe die erbbaurechtsbelasteten Grundstücke zwar gemäß § 12 ErbStG i.V.m. § 13 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) bewertet; dies bleibe aber folgenlos, weil die zutreffende Bewertung nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG zum selben Ergebnis geführt hätte. Das FA sei gemäß § 155 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auch befugt gewesen, den Wert der Grundstücke zu schätzen, solange die Grundstückswerte noch nicht gemäß § 138 Abs. 5 BewG gesondert festgestellt seien. Ein Anspruch des Klägers auf dieselben Vergünstigungen, wie sie § 13a ErbStG vorsehe, bestehe nicht. Mit dem Vorbringen, § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG sei verfassungswidrig, weil die Regelung zu einer Überbewertung erbbaurechtsbelasteter Grundstücke führe, könne der Kläger nicht gehört werden; diesen Einwand müsse er in einem Verfahren wegen der gesonderten Feststellung nach § 138 Abs. 5 BewG vorbringen.

Während des Klageverfahrens hat das FA den angefochtenen Bescheid durch Verfügung vom 5. Juni 2002 gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Mai 2002 II R 61/99 (BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598) für vorläufig erklärt.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger zunächst Verfahrensrügen geltend. Das FG habe das Recht auf Gehör verletzt, indem es ihn mit den verfassungsrechtlichen Einwendungen gegen § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG auf das gesonderte Feststellungsverfahren nach § 138 Abs. 5 BewG verwiesen habe, ohne auf diesen Gesichtspunkt in dem Erörterungstermin aufmerksam gemacht zu haben. Außerdem habe das FG verkannt, dass es das Klageverfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hätte aussetzen müssen, um dem FA Gelegenheit zu geben, auf den Erlass gesonderter Feststellungsbescheide nach § 138 Abs. 5 BewG hinzuwirken. Das FA habe nämlich den Erlass solcher Bescheide bei der Erbschaftsteuerfestsetzung nicht für erforderlich gehalten.

Im Übrigen macht der Kläger geltend, eine Revisionsentscheidung sei zur Fortbildung des Rechts erforderlich wegen der Frage, ob die Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift, auf der eine Schätzung nach § 155 Abs. 2 AO 1977 beruht, gegen den Folgebescheid eingewendet werden kann oder einem Verfahren über den Grundlagenbescheid vorbehalten ist.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO liegen nicht vor. Die vom Kläger für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage ist im Streitfall nicht klärungsfähig, weil die Vorschrift des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG nicht verfassungswidrig ist. Der BFH hat mittlerweile in einem Hauptsacheverfahren entschieden, § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG sei in den Einzelfällen, in denen die Bewertung der erbbaurechtsbelasteten Grundstücke mit dem 18,6-fachen des jährlichen Erbbauzinses zu einer Verletzung des Übermaßverbots führt, verfassungskonform dahin auszulegen ist, dass entsprechend Satz 1 der Vorschrift i.V.m. § 146 Abs. 7 oder den §§ 147, 145 Abs. 3 Satz 3 BewG der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zuzulassen ist (BFH-Urteil vom 5. März 2004 II R 45/01, BFHE 204, 570, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2004, 1212). Von daher könnte die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren über den Streitfall auf sich beruhen.

2. Im Hinblick auf dieses Urteil des BFH in BFHE 204, 570, DStR 2004, 1212 kann auch die geltend gemachte Verletzung des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 FGO) nicht zu einer Zulassung der Revision --diesmal nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO-- führen. Zutreffend verweist das FA in seiner Äußerung zur Beschwerde darauf, dass der Kläger insoweit keinen absoluten Revisionsgrund i.S. des § 119 Nr. 3 FGO vorträgt, bei dem ohne weiteres zu vermuten wäre, dass die Vorentscheidung auf ihm beruht. Betrifft die vorgetragene Verletzung des Rechts auf Gehör wie im Streitfall lediglich einzelne tatsächliche oder rechtliche Feststellungen, auf die es unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ankommen kann, ist eine Aufhebung der Vorentscheidung nicht zwingend (BFH-Urteil vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978, 980, m.w.N.). Für die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde ergibt sich daraus, dass die geltend gemachte Verletzung des Rechts auf Gehör wie jeder Verfahrensfehler, der nicht zugleich einen absoluten Revisionsgrund i.S. des § 119 FGO darstellt, nur dann eine Zulassung der Revision rechtfertigt, wenn sie vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG aus entscheidungserheblich gewesen sein kann. Selbst wenn dies im Streitfall zuträfe, stünde einer Revisionszulassung entsprechend § 126 Abs. 4 FGO jedoch entgegen, dass sich die Vorentscheidung insoweit aus anderen Gründen als richtig erweist und der BFH daher in einem Revisionsverfahren im Ergebnis nicht anders entscheiden würde (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 115 Anm. 98). Auch er würde sich allein durch die verfassungsrechtlichen Einwendungen des Klägers gegen § 148 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides veranlasst sehen und allenfalls die Frage, in welchem Verfahren die Einwendungen vorzubringen sind, mit der Begründung auf sich beruhen lassen, die Vorschrift sei verfassungsgemäß.

3. Hinsichtlich der Rüge, das FG habe entgegen § 74 FGO das Klageverfahren nicht ausgesetzt, ist die Beschwerde unzulässig. Der Kläger hat nicht gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO schlüssig vorgetragen, das FG sei der Ansicht gewesen, das FA habe bei Erlass des angefochtenen Steuerbescheides einen Grundlagenbescheid nach § 138 Abs. 5 BewG überhaupt für entbehrlich gehalten. Die Bezugnahme des FG auf § 155 Abs. 2 i.V.m. § 162 Abs. 3 --jetzt Abs. 5-- AO 1977 lässt im Gegenteil darauf schließen, dass das FG der Meinung war, das FA habe in Kenntnis der Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung des Grundstückswerts diesen vorläufig geschätzt. Von diesem Standpunkt des FG aus aber kam eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht.



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