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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.07.2003
Aktenzeichen: II B 20/03
Rechtsgebiete: GG, FGO, BewG, ErbStG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
BewG § 9
BewG § 12
ErbStG § 19 Abs. 1
Soweit der II. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss vom 22. Mai 2002 II R 61/99 (BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598) § 19 Abs. 1 ErbStG i.d.F. des JStG 1997 i.V.m. weiteren Vorschriften des ErbStG und BewG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) für verfassungswidrig hält, kommt eine Aussetzung der Vollziehung der auf diesen Vorschriften beruhenden Steuerbescheide nicht in Betracht.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist Alleinerbin ihrer in 1999 verstorbenen Schwester (Erblasserin). Diese hatte --vertreten durch eine vormundschaftsgerichtlich bestellte Betreuerin-- am 28. Januar 1999 eine Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 92 000 DM gekauft. Der Kaufvertrag wurde durch das Vormundschaftsgericht am 20. April 1999 genehmigt. In dem Vertrag wurde die Auflassung erklärt und zu Gunsten der Erblasserin eine Auflassungsvormerkung bewilligt und beantragt. Die Auflassungsvormerkung zu Gunsten der Erblasserin wurde am 4. Mai 1999 in das Grundbuch eingetragen.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte gegen die Antragstellerin durch Bescheid vom 16. Juli 2000 Erbschaftsteuer in Höhe von 30 447 DM fest. Hierbei berücksichtigte das FA in Bezug auf die von der Erblasserin gekaufte Eigentumswohnung einen Sachleistungsanspruch, den es mit 92 000 DM bewertete.

Über den Einspruch der Antragsstellerin hat das FA noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin beantragte zunächst beim FA und danach beim Finanzgericht (FG), die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheides in Höhe von 8 500 DM (= 4 345,98 €) auszusetzen. Zur Begründung verwies sie darauf, dass sie in Bezug auf die Eigentumswohnung ein Anwartschaftsrecht erworben habe, welches dem Vollrecht gleichstehe und mit dem Steuerwert (Grundbesitzwert) anzusetzen sei.

Das FG hat den Aussetzungsantrag abgelehnt und hierzu ausgeführt, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung. Zum Nachlass habe nach der insoweit maßgeblichen zivilrechtlichen Sicht nicht die Eigentumswohnung, sondern lediglich der Anspruch der Antragstellerin auf Verschaffung des Eigentums an der Eigentumswohnung gehört.

Das FG hat die Beschwerde zugelassen.

Die Antragstellerin hat Beschwerde eingelegt, diese jedoch nicht weiter begründet. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das FA hat keine Stellungnahme abgegeben.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat die Aussetzung der Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheides vom 16. Juli 2000 in dem beantragten Umfang zu Recht abgelehnt.

1. Der Senat vermag ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides nicht zu erkennen.

Solche Zweifel bestehen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Umständen auch gewichtige Gründe gegen die Rechtmäßigkeit zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; vom 17. Mai 1978 I R 50/77, BFHE 125, 423, BStBl II 1978, 579, und vom 28. Mai 1986 I B 22/86, BFHE 146, 508, BStBl II 1986, 656, ständige Rechtsprechung). Im Streitfall kommen nur ernstliche Zweifel in rechtlicher Hinsicht in Betracht. Diese sind im Streitfall nicht gegeben. Denn es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die von der Antragstellerin auf Grund Erbanfalls in Bezug auf die Eigentumswohnung erworbene Rechtsposition mit dem gemeinen Wert und nicht mit dem Steuerwert (Grundbesitzwert) für die Eigentumswohnung zu bewerten ist.

Der erkennende Senat hat in seinem Vorlagebeschluss vom 22. Mai 2002 II R 61/99 (BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598) die von der Antragstellerin für ernstlich zweifelhaft gehaltene Rechtsfrage entschieden und hierzu ausgeführt, dass bewertungsrechtlich für die Anwendung des Steuerwerts (Grundbesitzwerts) allein maßgebend sei, ob Grundstücks- oder Wohnungseigentum, d.h. das Vollrecht erworben werde (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 II R 68/95, BFHE 183, 248, BStBl II 1997, 820, 823; R 36 Abs. 2 Satz 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien; Meincke, Erbschaftsteuer-Kommentar, 13. Aufl. 2002, § 12 Rdnr. 24). Es gebe keinen Grund, den Steuerwert (Grundbesitzwert) vom Grundstück (Vollrecht) zu trennen und entgegen den bewertungsrechtlichen Vorschriften dem Sachleistungsanspruch des Erwerbers bzw. der Übereignungsverpflichtung des Veräußerers zuzuordnen. Vielmehr gebiete die zivilrechtliche Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft (Abstraktionsprinzip) den Ansatz des Sachleistungsanspruchs, der Sachleistungsverpflichtung sowie der jeweiligen Gegenleistung (Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises bzw. des Kaufpreisanspruchs) mit dem Nennwert (§ 12 des Bewertungsgesetzes --BewG--) bzw. dem gemeinen Wert (§ 9 BewG). Denn diese (gegenseitigen) Ansprüche deckten sich wertmäßig und glichen sich gegenseitig aus. Dieser Umstand werde außer Acht gelassen, wenn dem Nennwert des Anspruchs auf den Kaufpreis der (niedrigere) Steuerwert des Sachleistungsanspruchs gegenübergestellt werde (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1991 II R 77/87, BFHE 166, 376, BStBl II 1992, 248; vgl. auch Crezelius, Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A --DStZ/A--, 1978, 243, 246).

Etwas anderes ergebe sich auch nicht in den Fällen, in denen der Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes aufgrund Auflassung und Eintragung einer Auflassungsvormerkung bzw. eines schon gestellten Eintragungsantrags ein Anwartschaftsrecht zugestanden habe. Denn das Anwartschaftsrecht sei schon zivilrechtlich mit dem Vollrecht nicht identisch, es verschaffe dem Erwerber in Bezug auf das Wohnungseigentum nur eine gesicherte Rechtsposition. Diese habe jedoch keinen Einfluss auf die Bewertung der sich aus einem noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag ergebenden Rechtspositionen der Vertragsparteien. Denn solange in der Person des Erwerbers noch ein Eigentumsverschaffungsanspruch bestehe, könne dieser nicht anders bewertet werden als die Verpflichtung des Veräußerers zur Eigentumsverschaffung sowie die weiteren hiermit rechtsgeschäftlich verbundenen, den Kaufpreis betreffenden Ansprüche und Verpflichtungen, nämlich mit dem Nennwert bzw. gemeinen Wert. Die (niedrigeren) Steuerwerte könnten nur demjenigen zugute kommen, der noch oder schon Eigentümer des Grundstücks sei.

2. Die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheides vom 16. Juli 2000 ist auch nicht im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Senats in BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598 auszusetzen. Der Senat hat im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu beachten, dass er keine weitergehende Entscheidung trifft, als vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu erwarten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 11. September 1996 II B 32/96, BFH/NV 1997, 270). Das BVerfG hat in vergleichbaren Fällen des Verstoßes gegen den Gleichheitssatz nicht die Nichtigkeit des Gesetzes, sondern lediglich dessen Unvereinbarkeit mit der Verfassung ausgesprochen (vgl. Beschlüsse des BVerfG vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655, 665, und 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, 675), weil die Gleichheitswidrigkeit nicht zu bestimmten Folgerungen zwinge, der Gesetzgeber vielmehr mehrere Möglichkeiten habe, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Die Erfordernisse verlässlicher Finanz- und Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung können es nach Auffassung des BVerfG rechtfertigen, eine bisherige, mit dem Grundgesetz unvereinbare Besteuerung für zurückliegende Kalenderjahre weiter anzuwenden. Es erscheint danach nahezu ausgeschlossen, dass das BVerfG auf die Vorlage des Senats das Erbschaftsteuergesetz noch mit Wirkung für das Jahr 1999 (Streitjahr) für nichtig oder unanwendbar erklärt, auch wenn es sich bei der Erbschaftsteuer nicht um eine laufend zu veranlagende Steuer handelt.

Ende der Entscheidung

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