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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: II B 23/06
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 79b
FGO § 79b Abs. 1
FGO § 79b Abs. 2
FGO § 79b Abs. 3
FGO § 79b Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte mit Schreiben vom 20. Februar 2003 unter Hinweis auf Art. 19 Satz 2 des Einigungsvertrags die Aufhebung eines Erbschaftsteuer- und Vermögensteuerbescheids vom 10. März 1983, ferner die Aufhebung der Vermögensteuervorauszahlung für I/1983 sowie einer Sicherungsverfügung vom 3. März 1983 und Auskehr der eingezogenen Steuern von insgesamt ... Mark der DDR. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) wies diesen Antrag durch Bescheid vom 4. Februar 2004 als unbegründet zurück. Den dagegen erhobenen Einspruch, den die Klägerin nicht begründet hatte, wies das FA durch Einspruchsbescheide vom 7. April 2004 als unbegründet zurück.

Die Klägerin erhob am 12. Mai 2004 Klage beim Finanzgericht (FG) und führte aus, dass die Begründung der Klage nachgereicht werde. Der Berichterstatter setzte der Klägerin durch Verfügung vom 10. August 2004 gemäß § 79b Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für die Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren die Klägerin sich beschwert fühlt, eine Frist bis zum 30. September 2004. Mit einem beim FG am 2. Dezember 2005 eingegangenen Schreiben legte die Klägerin dar, dass die dem Erbschaftsteuer- und Vermögensteuerbescheid zugrunde liegende Wertermittlung offenkundig falsch und rechtsstaatswidrig sei.

Das FG wies die Klage als unbegründet ab. Bis zum Schriftsatz der Klägerin vom 2. Dezember 2005 habe nicht angenommen werden können, dass die Verwaltungsakte, deren Aufhebung die Klägerin begehre, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar seien. Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2005 vorgebrachte Begründung werde gemäß § 79b Abs. 3 FGO zurückgewiesen. Durch Zulassung des verspäteten Vorbringens wäre eine Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits eingetreten.

Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin als Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG geltend.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Der gerügte Verfahrensmangel einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 119 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt keinen Schutz gegen gerichtliche Entscheidungen, die den Vortrag eines Beteiligten aus materiell-rechtlichen oder formellen Gründen ganz oder teilweise außer Betracht lassen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. April 1999 I B 120/98, BFH/NV 1999, 1360; vom 3. Juni 2004 VII B 295/03, BFH/NV 2004, 1415; vom 1. August 2005 X B 28/05, BFH/NV 2005, 2038; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 96 FGO Rz. 218, m.w.N.). Im Streitfall hat das FG den Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 2. Dezember 2005 nach § 79b Abs. 3 FGO, mithin aus formellen Gründen, zurückgewiesen. Diese Fristsetzung durch das FG und die Zurückweisung des Vorbringens der Klägerin war nicht rechtsfehlerhaft; das FG hat insoweit nicht gegen § 79b FGO verstoßen.

a) Die Klägerin war durch die Verfügung des Berichterstatters vom 10. August 2004 nach § 79b Abs. 1 FGO wirksam zur Angabe von Tatsachen aufgefordert worden, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sie sich beschwert fühlt. Die Klägerin ist in der Verfügung auf die Folgen einer Fristversäumnis hingewiesen worden.

Die Fristsetzung gemäß § 79b Abs. 1 FGO entsprach auch dem Zweck dieser Vorschrift, den äußeren Rahmen des Streitgegenstands in tatsächlicher Hinsicht abzustecken und die Klägerin zur Substantiierung der Beschwer zu veranlassen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 23. Januar 1997 IV R 84/95, BFHE 182, 273, BStBl II 1997, 462; vom 23. April 2003 IX R 22/00, BFH/NV 2003, 1198). Der Klageschrift waren ausreichende Angaben der Klägerin zur Substantiierung ihrer Beschwer nicht zu entnehmen. Zwar war insbesondere aus der der Klageschrift beigefügten Abschrift des Ablehnungsbescheids des FA vom 4. Februar 2004 ersichtlich, dass die Klägerin die Aufhebung der dort näher bezeichneten, von den Behörden der ehemaligen DDR erlassenen Verwaltungsakte begehrt. Allein mit den sich aus der Klageschrift ergebenden Angaben war jedoch der äußere Rahmen des Streitprogramms in tatsächlicher Hinsicht noch nicht hinreichend abgesteckt. Insoweit bedurfte es, zumal die Klägerin ihren Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 4. Februar 2004 nicht begründet hatte, einer weiteren Substantiierung des Klagebegehrens im Hinblick auf diejenigen Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sich die Klägerin beschwert fühlte.

Soweit die Beschwerdebegründung für die diesbezüglichen Angaben auf den Inhalt des Antragsschreibens vom 20. Februar 2003 verweist, genügt dies ebenfalls nicht für eine hinreichende Substantiierung der Beschwer. Ganz abgesehen davon, dass die Klägerin dieses Antragsschreiben ihrer Klageschrift nicht beigefügt hatte, bezieht sich das Tatsachenvorbringen i.S. des § 79b Abs. 1 FGO auf tatsächliche Umstände des (dem Antrag nachfolgenden) Verwaltungsverfahrens.

b) Auch die Annahme des FG, dass die Berücksichtigung der mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2005 verspätet vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel zu einer Verzögerung in der Erledigung des Rechtsstreits geführt hätte, ist nicht zu beanstanden. Das FG hätte unter Zugrundelegung der Ausführungen der Klägerin in diesem Schriftsatz insbesondere der Frage nachgehen müssen, ob das FA tatsächlich den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt hat und ob der Besteuerung unzutreffende Werte zugrunde gelegt worden waren. Diese Ermittlungen hätten, zumal am 2. Dezember 2005 bereits der Termin zur mündlichen Verhandlung am 14. Dezember 2005 kurz bevorstand, dazu geführt, dass der Rechtsstreit nicht in der bereits anberaumten mündlichen Verhandlung hätte erledigt werden können. Damit hätte der Rechtsstreit unter Zugrundelegung des sog. absoluten Verzögerungsbegriffs (BFH-Urteil vom 10. Juni 1999 IV R 23/98, BFHE 189, 3, BStBl II 1999, 664) bei Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens länger gedauert als bei Zurückweisung des Vorbringens. Ferner ist das FG auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin die Verspätung nicht genügend entschuldigt hat. Die Klägerin hat keine Erklärung für die Säumnis abgegeben. Der Sachverhalt konnte auch nicht mit geringem Aufwand vom FG selbst bis zur Entscheidungsreife ermittelt werden.

c) Die Zurückweisung des verspäteten Vorbringens durch das FG ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil das FG die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 79b Abs. 3 Satz 1 FGO --gegen den klaren Wortlaut dieser Vorschrift-- auf eine nach § 79b Abs. 2 FGO gesetzte Frist beschränkt hat. Insoweit handelt es sich ersichtlich um eine offenbare Unrichtigkeit des Urteils, weil dieses zur Begründung seiner Zurückweisungsentscheidung ausdrücklich auf die gemäß § 79b Abs. 1 FGO ergangene Verfügung vom 10. August 2004 und insoweit auch auf den Wortlaut des § 79b Abs. 1 FGO Bezug nimmt.

2. Der von der Klägerin gerügte Verstoß des FG gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) liegt schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin der Aufforderung des FG nach § 79b Abs. 1 FGO nicht nachgekommen war und das FG, wie vorstehend dargelegt, das Vorbringen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 2. Dezember 2005 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2005 gemäß § 79b Abs. 3 FGO aus formellen Gründen zurückweisen durfte.

Mit dem Vorbringen der Klägerin, dem FG hätte sich bereits unter Berücksichtigung ihres Antragsschreibens vom 20. Februar 2003 eine weitere Sachaufklärung zur Bewertung der Kunstgegenstände durch die DDR-Behörden aufdrängen müssen, ist ein Verstoß des FG gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nicht schlüssig dargelegt. Wird als Verfahrensmangel eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) des FG mit der Begründung gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, ist u.a. substantiiert vorzutragen, aus welchen Gründen sich für das FG die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne Antrag nach Lage der Akten und dem Vortrag der Beteiligten hätte aufdrängen müssen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. Juli 2005 X B 104/04, BFH/NV 2005, 1860; vom 10. April 2006 X B 162/05, BFH/NV 2006, 1332; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz. 70). In der Beschwerdebegründung fehlt es an entsprechenden Darlegungen. Der Hinweis der Klägerin allein auf den Inhalt ihres Antragsschreibens vom 20. Februar 2003 reicht insoweit schon deshalb nicht aus, weil das FA in seinem Ablehnungsbescheid vom 4. Februar 2004 ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass die Klägerin den Nachweis, dass der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer zu hohe Wertansätze zugrunde gelegt worden seien, schuldig geblieben sei. Dieser Beurteilung des FA ist die Klägerin weder im Einspruchsverfahren entgegengetreten noch hat sie innerhalb der gemäß § 79b Abs. 1 FGO gesetzten Frist geltend gemacht, insoweit durch die Ablehnungsentscheidung des FA beschwert zu sein.

Ende der Entscheidung

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