Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.11.2008
Aktenzeichen: II B 35/08
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichten bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) kauften im Jahr 1999 ein bebautes Grundstück und wurden im Mai 2000 im Grundbuch als Eigentümer mit je einem halben Anteil eingetragen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) führte daraufhin auf den 1. Januar 2001 eine Zurechnungsfortschreibung durch; der bisherige Einheitswert von 54 600 DM und die bisherige Grundstücksart "Zweifamilienhaus" blieben zunächst unverändert. Nach dem Erwerb führten die Kläger am Objekt umfangreiche Umbauarbeiten durch. Dies nahm das FA zum Anlass, mit Wert- und Artfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 2002 vom 13. April 2004 den Einheitswert auf 85 130 € und die Grundstücksart "Einfamilienhaus" festzustellen. Das bisher im Ertragswertverfahren bewertete Grundstück wurde nunmehr im Sachwertverfahren bewertet. Da die Kläger einer Ortsbesichtigung nicht zugestimmt hatten, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen anhand der ihm vorliegenden Bauzeichnungen und der von ihm angeforderten Bauakte. Ebenfalls mit Bescheid vom 13. April 2004 erließ das FA im Wege der Neuveranlagung einen Grundsteuermessbescheid auf den 1. Januar 2002.

Während des gegen die vorgenannten Bescheide eingeleiteten Klageverfahrens änderte das FA mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 die Wertfortschreibung erneut. Das Grundstück wurde wieder im Ertragswertverfahren bewertet und der Einheitswert auf nunmehr 120 051 € festgesetzt. Anlass hierfür war die Auffassung des FA, die Kläger hätten in der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 2002 wissentlich unrichtige Angaben gemacht, indem sie die Baukosten auf ca. 100 000 DM bezifferten, obwohl die Kosten nach den Angaben in der Einkommensteuererklärung 2001 ca. 794 000 DM betragen hätten.

Die Klage, die sich nicht mehr gegen die Artfortschreibung richtete, hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, der Änderungsbescheid vom 18. Oktober 2006 sei rechtswidrig, da es keine Rechtsgrundlage für eine Änderung gegeben habe. Die Klage gegen den Wertfortschreibungsbescheid vom 13. April 2004 sei dagegen im Ergebnis unbegründet. Das FA habe zwar das Sachwertverfahren angewendet, obwohl auf den Stichtag noch das Ertragswertverfahren zur Anwendung hätte kommen müssen; doch ergebe sich hierbei ein höherer Wert als der vom FA festgesetzte, so dass die Klage erfolglos bleiben müsse. Die Klage gegen den Grundsteuermessbescheid vom 13. April 2004 wies das FG ebenfalls ab, weil es die verfassungsrechtlichen Bedenken der Kläger nicht teilte und der Grundsteuermessbescheid nicht mit Argumenten gegen die Höhe des Einheitswerts angefochten werden könne.

Mit der Beschwerde machen die Kläger Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend und meinen ferner, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) wegen der Frage zu, ob ein angefochtener Einheitswertbescheid trotz falscher Wertermittlungsmethode (Sachwertverfahren statt Ertragswertverfahren) finanzgerichtlich bestätigt werden darf, weil sich an der Höhe des Einheitswerts nichts ändert.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel sind teils nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt, teils liegen sie nicht vor.

a) Soweit die Kläger rügen, das FG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, ihnen Einsicht in die Akten --hier die Seiten 1 bis 14 der Einheitswertakte-- zu gewähren und dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, ist die Beschwerde unbegründet.

Nach § 78 Abs. 1 FGO steht den Beteiligten das Recht auf Einsichtnahme in die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten zu. Eine Verweigerung der verfahrensrechtlich garantierten Akteneinsicht kann den Anspruch des Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzen. Auf einen solchen Verfahrensmangel kann sich jedoch nicht berufen, wer sich nicht in ausreichendem Maße um die begehrte Akteneinsicht bemüht. Hierzu gehört nicht nur, dass ein Antrag auf Akteneinsicht überhaupt gestellt, sondern auch, dass dieses Begehren im Laufe des Verfahrens weiter verfolgt wird. Erkennt der Beteiligte, dass das Gericht seinen Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unberücksichtigt lässt, darf er nicht untätig bleiben. Vielmehr ist von ihm zu verlangen, dass er das Übergehen seines Antrages rügt und dem Gericht Gelegenheit gibt, zu dem Versäumnis Stellung zu nehmen bzw. den Antrag zu bescheiden. Ein Verfahrensmangel kann in der Revisionsinstanz nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten nach § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) verzichtet haben. Daher kann sich nicht mehr auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs berufen, wer seinen Antrag auf Akteneinsicht nicht weiter verfolgt hat (vgl. m.w.N. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 2006 VII R 34/05, BFH/NV 2006, 2024).

Zwar tragen die Kläger vor, in der mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2008 ihren Antrag auf Akteneinsicht wiederholt zu haben. Das Sitzungsprotokoll verzeichnet allerdings weder einen solchen Antrag auf Akteneinsicht noch eine Rüge der Kläger, das FG habe ihnen die Einsicht verweigert. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Kläger rügelos auf die Sache eingelassen haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO; vgl. m.w.N. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 27. September 2007 IX B 19/07, BFH/NV 2008, 27).

b) Soweit die Kläger rügen, das FG habe ihren umfangreichen Vortrag zu erheblichen Baumängeln/Bauschäden ignoriert, hat die Beschwerde weder unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) noch unter dem einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht (§ 76 Abs. 2 FGO) Erfolg.

aa) Die Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, ist unzulässig; sie ist nicht in der gesetzlich erforderlichen Weise schlüssig dargelegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Wird als Zulassungsgrund ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) geltend gemacht, sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Ausführungen dazu erforderlich, aus welchen Gründen sich die Notwendigkeit einer Beweiserhebung oder weiteren Sachaufklärung dem FG auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (z.B. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2004 XI B 213/02, BFH/NV 2005, 566). Diesem Erfordernis entspricht die Begründung jedenfalls schon deswegen nicht, weil die Kläger nicht vortragen, was sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätte.

bb) Die Rüge, das FG habe seine richterliche Hinweispflicht verletzt (§ 76 Abs. 2 FGO), ist unbegründet (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 8. November 2005 III B 33/05, BFH/NV 2006, 568; vom 7. Dezember 2005 I B 90/05, BFH/NV 2006, 601). Ein Beteiligter muss bei unklarer Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (vgl. BFH-Urteil vom 3. März 1998 VIII R 66/96, BFHE 185, 422, BStBl II 1998, 383, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2006 IX B 50/06, BFH/NV 2007, 1135, m.w.N.). Dies ist nicht geschehen.

c) Die Beschwerde ist auch unbegründet, soweit die Kläger rügen, das FG habe seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung verletzt (§ 76 Abs. 1 FGO), weil es nicht festgestellt habe, ob das Grundstück über eine Alarmanlage nebst Videoüberwachung verfüge. Hierauf kommt es nach der maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 566) nicht an. Das FG hat die Frage einer "sehr guten" Ausstattung, in deren Zusammenhang die neue Alarmanlage nebst Videoüberwachung nach seiner Auffassung zu würdigen gewesen wäre, ausdrücklich dahinstehen lassen.

2. Soweit die Kläger grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend machen, ist die Beschwerde wiederum unzulässig. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall auch klärungsfähig und im Übrigen von grundsätzlicher Bedeutung ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit gegebenenfalls veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen (BFH-Beschluss vom 28. Juli 2006 III B 28/05, BFH/NV 2006, 2273) und das Interesse der Allgemeinheit an der Klärung der Rechtsfrage dartun. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung der Kläger nicht. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.



Ende der Entscheidung

Zurück