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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.11.2009
Aktenzeichen: II B 4/09
Rechtsgebiete: FGO, GG, GrEStG


Vorschriften:

FGO § 96 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 103 Abs. 1
GrEStG § 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Brüder. Sie waren als Kommanditisten zu je 3 v.H. am Gesellschaftsvermögen der ... GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Die anderen 94 v.H. hielt der Vater. Im Gesellschaftsvermögen der KG befanden sich sechs Teileigentumseinheiten eines Grundstücks.

Nach zwei Operationen und mehreren Krankenhausaufenthalten verstarb der Vater am ... August 2003. Die Kläger schlugen als Miterben zu je 1/2 ebenso wie die Ehefrau und weitere Erben der zweiten Ordnung die Erbschaft aus. Erben der dritten Ordnung sind nach einer Auskunft des Nachlassgerichts nicht bekannt. Durch Beschluss vom 1. September 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 7. Oktober 2003 veräußerte der Insolvenzverwalter die Teileigentumseinheiten zum Preis von insgesamt 425.000 EUR an die Kläger zu je hälftigem Miteigentum.

Mit getrennten Bescheiden vom 4. Februar 2004 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gegen die Kläger, jeweils bemessen nach dem halben Kaufpreis und unter Berücksichtigung einer Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in Höhe von 1,5 v.H., eine Steuer von 7.214 EUR fest. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein und trugen vor, bereits im Mai 2003 hätten sie sich mit dem Vater dahin verständigt, dass sie, die Kläger, die Teileigentumseinheiten von der KG erwerben würden. Wegen der Erkrankung des Vaters sei es aber nicht mehr dazu gekommen. Allerdings sei bereits im August 2003 dem vorläufigen Insolvenzverwalter mitgeteilt worden, dass die Teileigentumseinheiten von ihnen erworben werden sollten. Dieser habe jedoch vor Insolvenzeröffnung keine Verwertungshandlungen vorgenommen. Wäre es noch zu Lebzeiten des Vaters zum Abschluss des Kaufvertrags gekommen, hätte ihnen nach § 3 Nr. 6 i.V.m. § 6 Abs. 1 und 3 GrEStG eine nahezu vollkommene Steuerbefreiung zugestanden. Daher hätten sie einen Anspruch gemäß den §§ 163 und 227 der Abgabenordnung (AO), entweder von der Steuerfestsetzung abzusehen oder aber die Steuer zu erlassen.

Das FA lehnte die beantragten Billigkeitsmaßnahmen durch Verfügungen vom 27. Oktober 2004 ab. Auch dagegen legten die Kläger Einspruch ein. Beide Einsprüche wies das FA mit einer Entscheidung vom 7. November 2006 im Wesentlichen als unbegründet zurück. Es setzte lediglich die Steuer auf jeweils 6.991 EUR herab, da den Klägern jeweils eine Steuerbefreiung in Höhe von 3 v.H. zu gewähren sei.

Auch die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) verneinte eine Ermessensreduzierung auf Null. Im Rahmen einer Verkehrsteuer seien bloß beabsichtigte, aber nicht verwirklichte Rechtsvorgänge ebenso unbeachtlich wie die Umstände, die daran gehindert haben, die Absicht umzusetzen. Dem FA sei auch kein Ermessensfehler unterlaufen. Dies gelte auch für seinen Hinweis, dass sich die Kläger an ihrer erbrechtlichen Gestaltungsentscheidung festhalten lassen müssten.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügen die Kläger eine Verletzung ihres Rechts auf Gehör, da das FG auf ihren Sachvortrag zu den Gründen für den gescheiterten Erwerb noch vom Vater und für die Ausschlagung der Erbschaft nicht eingegangen sei. Der Sache komme auch wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz grundsätzliche Bedeutung zu. Zu klären sei, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf eine Billigkeitsmaßnahme bestehe, wenn eine persönliche Steuerbefreiung ausschließlich infolge einer Verkettung zahlreicher nicht zu vertretender unglücklicher Umstände nicht mehr in Anspruch genommen werden könne.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet.

1.

Die Verfahrensrüge, das FG habe das Recht auf Gehör verletzt, greift nicht durch. Aus dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) folgt die Verpflichtung des FG, Anträge und Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Weiter muss die Begründung der Entscheidung des FG erkennen lassen, dass das Gericht dieser Pflicht nachgekommen ist (so Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Juli 2005 X B 37/05, BFH/NV 2005, 1802, 1804). Allerdings geht diese Verpflichtung nicht so weit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist vielmehr erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles eindeutig ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat.

Dies kann im Streitfall nicht angenommen werden. Das FG hat dem Vortrag der Kläger lediglich nicht die von ihnen zugedachte Bedeutung beigemessen (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 16. August 2005 X B 141/04, BFH/NV 2005, 2236). Darin liegt jedoch kein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Sich ein eigenes Urteil zu bilden, gehört zu den originären Aufgaben des FG.

2.

Der Rechtssache kommt auch weder eine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu noch erfordert sie eine Revisionsentscheidung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO). Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, ist einer abstrakten Antwort nicht zugänglich. Trotz der sprachlichen Wendung der Frage ins Allgemeine müsste die Antwort so auf den Streitfall zugeschnitten werden, dass sie nicht mehr verallgemeinerungsfähig wäre. Geklärt ist, dass Billigkeitsmaßnahmen aus sachlichen Gründen ein vom Gesetz gedecktes, aber vom Gesetzgeber nicht gewolltes Ergebnis vermeiden sollen (Rüsken in Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 163 Rz 32). Soll die Prüfung, was das im Einzelfall bedeutet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ergeben, bedürfte es unter Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung einer näheren Darlegung des abstrakten Interesses der Allgemeinheit an der Beantwortung dieser Frage. Auch daran fehlte es im Streitfall.



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