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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.09.2006
Aktenzeichen: II B 42/05
Rechtsgebiete: UmwG, GrEStG, RpflAnpG, GVG


Vorschriften:

UmwG § 2 Nr. 1
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 2
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 4
GrEStG § 8 Abs. 2 Nr. 2
GrEStG § 11 Abs. 1
GrEStG § 23 Abs. 4
RpflAnpG § 10 Abs. 4
GVG § 21f
GVG § 21f Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Durch Vertrag vom 31. Dezember 1996 wurde im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens als Ganzes eine grundbesitzende GmbH (übertragender Rechtsträger) auf die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) als übernehmende Rechtsträgerin nach § 2 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) zum Stichtag 30. Juni 1996 verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 16. Januar 1998 in das Handelsregister eingetragen.

Wegen des im Zuge der Umwandlung auf die Antragstellerin übergegangenen Grundstücks setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ausgehend vom gesondert festgestellten Grundstückswert und unter Anwendung eines Steuersatzes von 3,5 v.H. Grunderwerbsteuer in Höhe von 307 702 DM gegen die Antragstellerin fest. Er vertrat hierzu die Auffassung, dass der Erwerbsvorgang erst im Jahre 1998 mit der Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister verwirklicht worden sei (§ 23 Abs. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes --GrEStG--) und deswegen hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und der Höhe des Steuersatzes § 8 Abs. 2 Nr. 2 und § 11 Abs. 1 GrEStG in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049) maßgeblich seien.

Mit Einspruch und Klage vertrat die Antragstellerin die Ansicht, der Erwerbsvorgang sei bereits mit dem Abschluss des Umwandlungsvertrages am 31. Dezember 1996 verwirklicht worden. Der Besteuerung seien deshalb die tatsächliche Gegenleistung sowie ein Steuersatz von 2 v.H. zugrunde zu legen. Über die Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden. Gleichzeitig mit ihrer Klage hat die Antragstellerin die Aussetzung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides begehrt.

Der 6. Senat des Sächsischen FG hat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung durch Beschluss vom 2. März 2005 abgelehnt. An der Entscheidung haben die Richter am FG A und B sowie die Richterin am FG C mitgewirkt. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Sächsischen FG "Richterlicher Dienst" waren dem 6. Senat für das Geschäftsjahr 2005 nur die drei mitwirkenden Richter, jedoch kein Vorsitzender Richter zugeteilt. Auf Anfrage teilte der Präsident des Sächsischen FG mit, Richter am FG A habe den 6. Senat vom 1. Dezember 1999 bis 31. Dezember 2004 als Funktionsvorsitzender (§ 10 Abs. 4 des früheren Gesetzes zur Anpassung der Rechtspflege im Beitrittsgebiet --RpflAnpG--) geleitet, sei ab 1. Januar 2005 zum regelmäßigen Vertreter des Vorsitzenden des 6. Senats bestimmt, am 1. August 2005 zum Vorsitzenden Richter ernannt und zum Senatsvorsitzenden des 6. Senats bestellt worden.

In der Sache selbst hat das FG keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides gehabt und dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass der für den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG allein ausschlaggebende Eigentumswechsel erst mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister eingetreten sei. Es hat die Beschwerde in Hinblick auf das Revisionsverfahren II R 23/04 zugelassen.

Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Aussetzungsbegehren weiter. Sie hält die Auffassung des FA, der Erwerbsvorgang sei erst 1998 verwirklicht worden, weiterhin für ernstlich zweifelhaft. Sie rügt ferner, dass das FG bei der Entscheidung über ihren Aussetzungsantrag nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei, weil kein Vorsitzender Richter an der Entscheidung mitgewirkt habe. Die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 4 RpflAnpG sei mit Ablauf des 31. Dezember 2004 ausgelaufen und eine weitere kommissarische Leitung des Senats durch Richter am FG A unzulässig geworden. Da das Auslaufen der Sonderregelung seit langem bekannt gewesen sei, seien keine Gründe ersichtlich, die den Freistaat Sachsen gehindert haben könnten, die Vorsitzendenstelle rechtzeitig zum 1. Januar 2005 neu zu besetzen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 19. November 2001 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2004 ab Fälligkeit insoweit auszusetzen, als die Höhe der Grunderwerbsteuer den Betrag von 2 v.H. der Gegenleistung übersteigt.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

1. Die Besetzungsrüge der Antragstellerin greift nicht durch. Der 6. Senat des Sächsischen FG war jedenfalls im Zeitpunkt des Ergehens der Vorentscheidung am 2. März 2005 ordnungsgemäß besetzt.

Die drei Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, waren als geschäftsplanmäßige Mitglieder des 6. Senats zur Entscheidung berufen. Der Umstand, dass die Stelle des Senatsvorsitzenden zu diesem Zeitpunkt noch nicht besetzt war, führt nicht zu einem Besetzungsmangel. Denn nach § 21f des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) führt bei Verhinderung des Vorsitzenden das vom Präsidium bestimmte Mitglied des Spruchkörpers den Vorsitz. Diese Vorschrift gilt entsprechend, wenn die Stelle des Vorsitzenden Richters nicht besetzt ist, und zwar selbst dann, wenn die Stelle vorhersehbar vakant und nicht rechtzeitig wieder besetzt wurde. Die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts ist insofern nicht davon abhängig, ob eine vorübergehende Vakanz im Vorsitz des Spruchkörpers unvermeidbar war. Entsprechend anwendbar ist § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG nach dem endgültigen Ausscheiden eines Vorsitzenden Richters aus dem Spruchkörper vielmehr solange, wie durch die Vakanz im Vorsitz keine wesentlich gewichtigere Beeinträchtigung der bei ordnungsgemäßer Besetzung des Spruchkörpers zu erwartenden Arbeitsweise zu erwarten ist als bei einem längeren Urlaub oder einer länger dauernden Krankheit (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Oktober 1999 VII R 15/99, BFHE 190, 47, BStBl II 2000, 88).

Der im Streitfall verstrichene Zeitraum zwischen dem Eintritt der Stellenvakanz zum 1. Januar 2005 und dem maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung im Senat am 2. März 2005 von etwa zwei Monaten hindert nicht die entsprechende Anwendung des § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG. Insbesondere war das Gerichtspräsidium jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht gehalten, einem Vorsitzenden eines anderen Senats den freigewordenen Vorsitz einstweilen zu übertragen. Denn eine solche Zeitspanne, in welcher kein Vorsitzender Richter den Vorsitz im Senat führte und für welche eine Vakanz im Vorsitz bisweilen z.B. auch durch längeren Urlaub oder längere Erkrankung entsteht, ist noch nicht geeignet, den notwendigen, von § 21f Abs. 1 GVG vorgeschriebenen richtungsweisenden Einfluss (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 4. Aufl. 2005, § 21f Rn. 4) eines Vorsitzenden Richters auf die Rechtsprechung des Spruchkörpers in Frage zu stellen (so für den Zeitraum von 50 Tagen: BFH-Urteil in BFHE 190, 47, BStBl II 2000, 88; äußerste Grenze: 3 Monate, vgl. Kissel/Mayer, a.a.O., § 59 Rn. 3, m.w.N.).

2. Die Beschwerde ist auch in der Sache nicht begründet.

a) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Nach der Rechtsprechung des BFH bestehen solche Zweifel, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer Rechtsfrage bewirken (BFH-Entscheidungen vom 15. Juli 1998 I B 134/97, BFH/NV 1999, 372, und vom 10. November 1994 IV R 44/94, BFHE 176, 303, BStBl II 1995, 814, m.w.N.).

b) Das FG hat ohne Rechtsverstoß ernstliche Zweifel an der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Auffassung verneint, dass der der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG unterliegende Übergang des Grundstücks auf die Antragstellerin erst mit der Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister i.S. von § 23 Abs. 4 GrEStG verwirklicht wurde.

Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 29. September 2005 II R 23/04 (BFHE 210, 531, BStBl II 2006, 137) entschieden, dass die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 4 GrEStG nicht den für Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift eigentümlichen Unterschied zwischen dem Erwerbsvorgang und dem Erwerb als dessen Erfolg aufweisen. Soweit bei Umwandlungen der Eintragung der Verschmelzung entsprechende Umwandlungsverträge und Zustimmungsbeschlüsse vorauszugehen haben (§§ 17, 125, 176 Abs. 1 UmwG), stellen diese Rechtsgeschäfte keinen vom Erwerb zu trennenden und ihm vorausgehenden Erwerbsvorgang dar, sondern gehen bereits dem Erwerbsvorgang voraus, der überdies mit dem Erwerb zwingend zusammenfällt. Zwar tritt mit Billigung des Umwandlungsvertrages eine Bindung dergestalt ein, dass die Anteilsinhaber untereinander gebunden und die Leitungsorgane der beteiligten Rechtsträger angewiesen sind, die Umwandlung durchzuführen (Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2001, § 13 UmwG Anm. 7); dabei handelt es sich aber um einzelne Schritte des (aus mehreren Teilakten bestehenden) Umwandlungsverfahrens, die auch in ihrer Gesamtheit noch keinen Grunderwerbsteuertatbestand berühren.

Ende der Entscheidung

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