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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.11.2000
Aktenzeichen: II B 44/00
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 51 Abs. 1 Satz 1
FGO § 51 Abs. 2
ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 44 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), zusammen zur Vermögensteuer veranlagte Ehegatten, wenden sich mit ihrer Klage, die sich gegen Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1988 bis 1. Januar 1996 richtet, gegen die Zurechnung von Vermögenswerten, die der Kläger nach ihrem Vorbringen lediglich treuhänderisch gehalten hat. Das Finanzgericht (FG) hat über diese Klage noch nicht entschieden. Eine frühere Klage der Kläger gegen Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1980 bis 1. Januar 1987 (Az.: 6 K 107/92), der im Wesentlichen derselbe Sachverhalt zugrunde lag, hat es bezüglich der Bescheide auf den 1. Januar 1982 bis 1. Januar 1987 durch Urteil vom 27. Juni 1996 abgewiesen, weil es ein Treuhandverhältnis für nicht nachgewiesen hielt. An dieser Entscheidung beteiligt war u.a. Richter am FG X, der weiterhin Mitglied des 6. Senats des FG ... ist.

Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2000 lehnten die Kläger Richter am FG X unter Hinweis darauf, dass er am Erlass des Urteils vom 27. Juni 1996 im Verfahren 6 K 107/92 mitgewirkt habe, als befangen ab. Sie äußerten die Besorgnis, dass Richter am FG X nicht mehr in der Lage sei, unbefangen über den Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, der zumindest teilweise mit dem Gegenstand des Vorprozesses sachlich identisch sei, zu entscheiden. Die Entscheidung des Vorprozesses sei ganz wesentlich dadurch geprägt, dass der damalige Senat, dem der abgelehnte Richter angehörte, zu der subjektiv orientierten Annahme gelangt sei, es sprächen wesentliche bzw. überwiegende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht Treuhänder, sondern effektiv Inhaber der streitigen Vermögenswerte sei. Es sei davon auszugehen, dass sich der abgelehnte Richter, der in dem damaligen Verfahren Berichterstatter gewesen sei, in seiner eigenen Überzeugung von der Richtigkeit der damaligen Entscheidung mit der Gesamtmeinung bzw. der Mehrheitsmeinung des Senats identifiziert habe. In dieser Sachlage könnten sie nicht hoffen, dass der abgelehnte Richter bereit sein könne, bei der Befassung mit dem jetzigen Rechtsstreit seine damals geäußerte Überzeugung kritisch zu überprüfen und ggf. zu revidieren. Hinzu komme die Besorgnis, dass der abgelehnte Richter nach allgemeiner Erfahrung im vorliegenden Rechtsstreit schon deshalb die damals geäußerte Überzeugung übernehmen könnte, weil er andernfalls die Frage heraufbeschwören würde, ob der frühere Rechtsstreit zutreffend entschieden worden sei.

Das FG lehnte den Antrag --ohne eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters einzuholen-- durch Beschluss vom 9. März 2000 ohne dessen Mitwirkung ab. Im Ablehnungsgesuch seien keine Gründe für eine unsachliche Einstellung des abgelehnten Richters gegenüber den Klägern dargelegt. Sie könnten insbesondere nicht aus der Funktion des abgelehnten Richters als Berichterstatter im Vorprozess geschlossen werden; denn Richter am FG X sei weder im Vorprozess noch im anhängigen Verfahren Berichterstatter. Eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters sei entbehrlich, weil der Sachverhalt, auf den die Kläger ihr Ablehnungsgesuch stützten, keiner weiteren Aufklärung bedürfe.

Mit ihrer dagegen eingelegten Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, machen die Kläger geltend, das FG habe eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters einholen müssen, weil § 44 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung (ZPO) das Einholen einer solchen Äußerung ohne Ausnahme vorsehe. Hinzu komme, dass das FG die dienstliche Äußerung bei dem von ihnen vorgebrachten Ablehnungsgrund schon zur Klärung des "subjektiven Sachverhalts" habe einholen müssen. Der angefochtene Beschluss sei im Übrigen auch sachlich unzutreffend, weil das FG seine Entscheidung damit begründet habe, dass der abgelehnte Richter nicht Berichterstatter im Vorprozess gewesen sei. Demgegenüber sei das Ablehnungsgesuch ausdrücklich damit begründet worden, dass es ausschließlich auf die Mitwirkung des abgelehnten Richters an der Entscheidung im Verfahren 6 K 107/92 vom 27. Juni 1996 gestützt werde. Auf dessen Funktion als Berichterstatter komme es ihnen nicht an. Angesichts der übereinstimmenden Sach- und Rechtslage im Vorprozess und dem nunmehr anhängigen Verfahren bestehe eine dem in § 51 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geregelten Ausschließungsgrund vergleichbare Situation, so dass schon die Mitwirkung an der früheren Entscheidung als solche geeignet sei, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters im späteren Verfahren zu begründen. Dieser Erwägung habe sich das FG durch seine allein mit der fehlenden Funktion des abgelehnten Richters als Berichterstatter begründete Entscheidung rechtsfehlerhaft entzogen.

Die Kläger beantragen, den Beschluss des FG vom 9. März 2000 aufzuheben und das Ablehnungsgesuch gegen Richter am FG X für begründet zu erklären, hilfsweise, die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Ein Grund für ein derartiges Misstrauen ist gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Entscheidung tatsächlich von Voreingenommenheit beeinflusst ausfiele. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob der Beteiligte, der das Ablehnungsgesuch gestellt hat, von seinem Standpunkt aus bei Anlegung des angeführten objektiven Maßstabes Anlass hat, eine Befangenheit des Richters zu befürchten. Befangenheit meint eine unsachliche innere Einstellung des Richters zu den Beteiligten oder zum Gegenstand des konkreten Verfahrens. Besorgnis zur Befangenheit besteht deshalb dann, wenn ein Beteiligter berechtigten Grund zu der Annahme hat, der Richter werde aus seiner inneren Einstellung heraus sich bei seiner Entscheidung nicht von sachgerechten Gründen leiten lassen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. September 1994 II B 70/94, BFH/NV 1995, 414).

Ein Grund zur Annahme, der Richter werde den Streitfall nicht nach sachlichen Gesichtspunkten entscheiden, ergibt sich nicht bereits daraus, dass er an einer in einem früheren Rechtsstreit zu Ungunsten des Steuerpflichtigen getroffenen Entscheidung mitgewirkt hat, und zwar auch dann nicht, wenn der frühere Rechtsstreit eine gleichliegende Sache betraf.

§ 51 Abs. 2 FGO ist entgegen der Auffassung der Kläger auf diesen Fall auch nicht dem Rechtsgedanken nach anwendbar. Da sich diese Regelung auf die Mitwirkung an dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren beschränkt, folgt daraus, dass der Gesetzgeber in der Mitwirkung eines Richters an einem früheren gleich gelagerten gerichtlichen Verfahren keinen Umstand gesehen hat, der Anlass zur Besorgnis gibt, der Richter werde seiner Pflicht zu unbefangener Entscheidung nicht genügen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 1992 I B 66/91, BFH/NV 1993, 104; ebenso Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Juli 1976 VI C 109/75, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1977, 298, zu der § 51 FGO entsprechenden Regelung in § 54 der Verwaltungsgerichtsordnung).

Es entspricht im Übrigen ständiger Rechtsprechung, dass diese Mitwirkung eines Richters eine Besorgnis der Befangenheit schon deshalb nicht zu begründen vermag, weil bei einem Kollegialgericht wegen des Beratungsgeheimnisses nicht feststellbar ist, welche Auffassung der einzelne Richter bei der früheren Entscheidung vertreten hat (BFH-Beschlüsse vom 20. September 1966 VI B 8/66, BFHE 86, 789, BStBl III 1966, 652, und vom 16. September 1985 VI B 2/85, BFH/NV 1987, 248). Selbst wenn der abgelehnte Richter bei dieser Entscheidung eine dem Ablehnenden ungünstige unrichtige Rechtsauffassung vertreten oder zumindest mitgetragen haben sollte, könnte dies allein dem Ablehnungsgesuch nicht zum Erfolg verhelfen. Das Ablehnungsverfahren dient allein dazu, die Beteiligten vor der Unsachlichkeit des Richters aus einem in seiner Person liegenden Grund zu bewahren. Das wird im Allgemeinen bei einer unrichtigen Rechtsauffassung nicht zutreffen, es sei denn, dass sie eine unsachliche Behandlung der Streitsache zur Folge hätte (BFH-Beschlüsse vom 14. Januar 1971 V B 67/69, BFHE 101, 207, BStBl II 1971, 243; vom 12. März 1971 III B 54/70, BFHE 101, 352, BStBl II 1971, 333, und vom 13. Januar 1987 IX B 12/84, BFH/NV 1987, 656). Dazu haben die Kläger weder etwas vorgetragen noch sind dafür sonst Anhaltspunkte erkennbar.

Entgegen der Ansicht der Kläger ist der das Ablehnungsgesuch zurückweisende Beschluss auch nicht deshalb fehlerhaft, weil das FG keine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters eingeholt hat. § 44 Abs. 3 ZPO sieht zwar vor, dass der abgelehnte Richter sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern hat. Aus dem mit dieser Regelung verfolgten Zweck, die tatsächlichen Grundlagen für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zu erweitern (vgl. Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 51 FGO Rz. 61), folgt aber, dass es einer dienstlichen Äußerung nicht bedarf, wenn der Sachverhalt, auf den das Gesuch gestützt wird, feststeht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. September 1986 VIII B 31/86, BFH/NV 1987, 308, und in BFH/NV 1995, 414). Dies ist hier der Fall, weil die Kläger die Ablehnung von Richter am FG X ausschließlich mit dessen Mitwirkung am Urteil des FG vom 27. Juni 1996 6 K 107/92 begründet haben. Diese Tatsache ist aber sowohl den Beteiligten als auch dem Gericht bekannt, wobei es nicht darauf ankommt, ob X in diesem Verfahren Berichterstatter oder nur weiterer beisitzender Richter war.



Ende der Entscheidung

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