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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.06.2003
Aktenzeichen: II B 49/02
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 6
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 76
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres am 22. Dezember 1998 verstorbenen Ehemannes (E). Dieser war Eigentümer eines im Beitrittsgebiet gelegenen Grundstücks, welches er 1975 unentgeltlich auf seine Eltern übertragen hatte. Die Mutter des E, die nach dem Tode des Vaters dessen Gesamtrechtsnachfolgerin war, wurde im Jahre 1983 von E sowie dessen Schwester beerbt. Durch notariell beurkundete Vereinbarung vom 15. April 1996 hoben E sowie seine Schwester die in Bezug auf das Grundstück bestehende Erbengemeinschaft auf und vereinbarten, dass E Alleineigentümer des Grundstücks sein solle. Eine Gegenleistung sollte E hierfür nicht erbringen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) sah hierin eine Schenkung der Schwester an E und setzte gegen die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des E durch Bescheid vom 30. September 1999 Schenkungsteuer in Höhe von 9 744 DM fest.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Klägerin machte u.a. geltend, E habe von seiner Schwester nichts geschenkt erhalten, vielmehr sei diese verpflichtet gewesen, dem E das gesamte Grundstück zu Eigentum zu überlassen. Die Übertragung auf die Eltern sei nur im Hinblick auf eine beabsichtigte Flucht in den Westen erfolgt. Es sei in der DDR herrschende Praxis gewesen, das Vermögen von "Republikflüchtlingen" einzuziehen. Es sei nicht darum gegangen, den Eltern das Grundstück zu schenken. Die Eltern sowie die Schwester des E seien sich bewusst gewesen, dass das Grundstück dem E gehöre. Die Schwester habe das Miteigentum am Grundstück von der Mutter des E nur als "Durchgangserwerberin" erhalten.

Das Finanzgericht (FG) führt in seiner klageabweisenden Entscheidung aus, die Schwester des E habe diesem das Grundstück (unentgeltlich) zu Alleineigentum überlassen, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein. Sie sei neben dem E rechtmäßige Eigentümerin des Grundstücks gewesen. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen E, seiner Mutter bzw. seiner Schwester hinsichtlich der Rückübertragung des Grundstücks bestünde nicht. Ein nur moralisches Pflichtgefühl reiche nicht aus. Die lange Zeitdauer der Eigentümerstellung der Schwester des E von 1983 bis 1996 spreche gegen den Vortrag der Klägerin, es handele sich beim Erwerb der Schwester nur um einen "Durchgangserwerb".

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde der Klägerin, mit der sie u.a. geltend macht, das FG habe seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts verletzt. Sie habe bereits mit der Klage die eidliche Vernehmung der Schwester des E beantragt. Diese hätte die Hintergründe der Grundstücksübertragung auf die Eltern bestätigt.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin hat mit ihrer Beschwerde u.a. in zulässiger und schlüssiger Weise einen Verfahrensfehler geltend gemacht, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

1. Das FG ist der ihm obliegenden Ermittlungspflicht (§ 76 FGO) nicht in vollem Umfang nachgekommen. Ausgehend von seiner Auffassung, die Schwester des E sei rechtlich zur unentgeltlichen Übertragung ihres Grundstücksanteils nicht verpflichtet gewesen, waren die Beweisanträge der Klägerin entscheidungserheblich. Denn wenn die von der Klägerin unter Beweis gestellte Behauptung zutrifft, E habe das Grundstück seinen Eltern nicht geschenkt, sondern nur im Hinblick auf eine Flucht in den Westen in Verwahrung gegeben, um einen Zugriff des Staates auf das Grundstück zu verhindern, kann zivilrechtlich eine verdeckte Treuhandabrede vorliegen, die die Schwester des E zur unentgeltlichen Überlassung des Grundstücks an den E verpflichtete.

Werden rechtserhebliche Tatsachen unter Beweis gestellt, darf das FG eine Beweiserhebung nur unterlassen, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juli 2000 V R 38/99, BFH/NV 2001, 181, BFH-Beschluss vom 19. Mai 1999 V B 57/98, BFH/NV 1999, 1494; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 76 Anm. 24, m.w.N.). Keiner der genannten Gründe lag im Streitfall vor.

Das FG durfte auf die beantragte Vernehmung auch nicht deshalb verzichten, weil nach seiner Ansicht unter Berücksichtigung der von ihm festgestellten äußeren Umstände kein Zweifel daran bestand, dass eine entsprechende Verpflichtung der Schwester des E nicht vorlag. Hierin liegt eine unzulässige vorweggenommene Würdigung der von der Klägerin angebotenen Beweise für ihre Sachverhaltsdarstellung (vgl. zum Verbot einer vorweggenommenen Beweiswürdigung: z.B. BFH-Urteile vom 7. Juli 1999 X R 52/96, BFH/NV 2000, 174; vom 27. November 1997 V R 48/97, BFH/NV 1998, 711; Gräber/von Groll, a.a.O., § 76 Anm. 26).

2. Im zweiten Rechtsgang wird das FG die von der Klägerin angebotenen Beweise zu erheben und sodann unter Berücksichtigung aller Umstände eine neue Sachverhaltswürdigung vorzunehmen haben. Für die Entscheidung des Streitfalls ist maßgebend, was zwischen E und seinen Eltern (und nicht --wie das FG meint-- auch seiner Schwester) bei der Übertragung des Grundstücks im Jahre 1975 vereinbart worden ist. Trifft der Vortrag der Klägerin zu, E habe seinen Eltern das Grundstück nicht geschenkt, sondern nur in Verwahrung gegeben (Treuhandabrede), handelt es sich um ein nichtiges Scheingeschäft (Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 19. März 1993 V ZR 247/91, Der Betrieb 1993, 1462, und vom 12. Januar 1996 V ZR 176/94, Wertpapiermitteilungen --WM-- 1998, 733). E wäre --trotz anderslautender Grundbucheintragung-- Eigentümer des Grundstücks geblieben (BGH-Urteil vom 26. Januar 1996 V ZR 212/94, WM 1996, 1190, 1192). Aus dem Umstand, dass die Eltern und nach deren Tod die Schwester des E im Grundbuch als (Mit-)Eigentümer eingetragen wurden, ergibt sich somit nichts dafür, ob diese tatsächlich auch Eigentümer waren. Im Übrigen ist für die hier auch in Betracht kommende fiduziarische Treuhand kennzeichnend, dass das Treugut dem Treuhänder zu vollem Recht, also mit ungeschmälerter Außenzuständigkeit übertragen wird (BGH-Urteil vom 20. Juni 1997 V ZR 392/95, WM 1997, 2036), so dass die Eintragung ins Grundbuch nichts darüber aussagt, was im Innenverhältnis gelten soll. Eine von der Klägerin behauptete Treuhandabrede kann --entgegen der Auffassung des FG-- auch mündlich wirksam getroffen werden und wurde unter den damaligen politischen Verhältnissen regelmäßig auch mündlich getroffen. Das FG wird schließlich auch zu berücksichtigen haben, dass es jedenfalls nicht dem Regelfall entspricht, dass Kinder ihren Eltern unentgeltlich ein Grundstück übertragen; auch Grundstücksschenkungen zwischen Geschwistern erfolgen regelmäßig nur unter besonderen Umständen.



Ende der Entscheidung

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