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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.07.2002
Aktenzeichen: II B 52/02
Rechtsgebiete: FGO, GrStG, GrEStG, AO 1977, RBewDV, BewG


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2
FGO § 128 Abs. 1
FGO § 135 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
GrStG § 33
GrEStG § 8 Abs. 2
AO 1977 § 162 Abs. 1
AO 1977 § 182 Abs. 2 Satz 1
RBewDV § 3a
RBewDV § 32 Abs. 1 Nr. 2
RBewDV § 33 Abs. 2 Satz 1
RBewDV § 33 Abs. 2 Satz 2
BewG §§ 83 ff.
BewG § 88
BewG § 10 Abs. 1
BewG § 129 Abs. 1
BewG § 129 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der A-GmbH im Aufbau (im Folgenden: GmbH i.A.). Das Gesamtvollstreckungsverfahren war am 10. Dezember 1991 eröffnet worden; der Prüfungstermin fand am 25. März 1992 statt.

Durch Vermögenszuordnungsbescheid der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben vom 18. Dezember 1995 wurde der GmbH i.A. ein Grundstück zugeordnet. Der Übergang des Grundstücks erfolgte gemäß § 11 Abs. 2 des Treuhandgesetzes vom 17. Juni 1990 (Gesetzblatt der DDR I 1990, 300) mit (Rück-) Wirkung zum 1. Juli 1990.

Mit Schreiben vom 14. August 2001 an den Geschäftsführer der GmbH i.A. gab der Antragsteller das Grundstück aus der der Gesamtvollstreckung unterliegenden Vermögensmasse frei und wies den Geschäftsführer darauf hin, dieser könne nunmehr über das Grundstück als Teil der nicht der Gesamtvollstreckung unterliegenden Vermögensmasse verfügen.

Unter dem Datum des 9. Juni 2000 erließ der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) einen Nachfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1991, den er gegen den Antragsteller als Gesamtvollstreckungsverwalter der GmbH i.A. richtete und mit dem er das Grundstück der GmbH i.A. zurechnete. Der Einheitswert wurde auf 488 100 DM festgestellt. Gleichzeitig erging gegen den Antragsteller --ebenfalls in seiner Eigenschaft als Gesamtvollstreckungsverwalter-- im Wege der Nachveranlagung auf den 1. Januar 1991 ein Grundsteuermessbescheid.

Der Antragsteller legte gegen die Bescheide Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Er machte geltend, der Einheitswert sei zu hoch und liege über dem Verkehrswert. Er bemühe sich seit 1992 darum, das Grundstück zu verwerten. Es hätten nur einige Gebäude vermietet werden können, und dies auch nur für kurze Zeit. Die Veräußerung des Grundstücks sei zu keinem noch so geringen Kaufpreis möglich gewesen. Die Gebäude seien bereits im Nachfeststellungszeitpunkt abbruchreif gewesen. Das Grundstück sei kontaminiert.

Mit Entscheidungen vom 28. August und 19. September 2000 lehnte das FA die Aussetzung der Vollziehung ab. Am 2. Oktober 2000 beantragte der Antragsteller beim Finanzgericht (FG), die Vollziehung des Einheitswertbescheides und des Grundsteuermessbescheides auszusetzen. Am 7. November 2000 besichtigten die Beteiligten das Grundstück. Aufgrund der dabei festgestellten behebbaren Bauschäden und Baumängel errechnete das FA einen Einheitswert von ca. 250 000 DM. Das FA setzte daraufhin mit Bescheid vom 9. November 2000 die Vollziehung des Grundsteuermessbescheides insoweit aus, als der Grundsteuermessbetrag dem einen Einheitswert in Höhe von 250 000 DM übersteigenden Betrag entsprach.

Der Antragsteller hielt an seinen gerichtlichen Aussetzungsanträgen fest. Er vertrat die Auffassung, wertlose Gebäude dürften bei der Einheitsbewertung nicht berücksichtigt werden. Nach seinen bei den erfolglosen Verkaufsverhandlungen gewonnenen Erkenntnissen habe das Grundstück einen gemeinen Wert von höchstens 100 000 DM. Dieser Betrag entspreche nach den Wertverhältnissen von 1935 etwa 25 000 DM.

Das FG wies den Antrag, die Vollziehung des Grundsteuermessbescheides auszusetzen, durch Beschluss vom 4. Februar 2002 als unzulässig ab. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Antragsteller keine selbständigen Einwände gegen den Grundsteuermessbescheid erhebe, sondern lediglich den dem Messbescheid zugrunde liegenden Einheitswert angreife. Die Beanstandung der Höhe des Einheitswertes könne nur in dem Verfahren über den Grundlagenbescheid geltend gemacht werden (§ 351 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--).

Die Vollziehung des Einheitswertbescheides setzte das FG in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 593 mit Wirkung vom 30. Juni 2000 bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Einspruchsverfahrens aus, soweit ein höherer Einheitswert als 25 000 DM festgestellt worden ist. Es vertritt die Ansicht, das FA habe zwar das Sachwertverfahren entsprechend den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen betreffend die Bewertung von Fabrikgrundstücken, Lagerhausgrundstücken, Grundstücken mit Werkstätten und vergleichbaren Grundstücken (Gewerbegrundstücken) im Beitrittsgebiet ab 1. Januar 1991 vom 21. Mai 1993 (BStBl I 1993, 467) i.d.F. vom 20. Mai 1996 (BStBl I 1996, 1118) zutreffend angewendet. Es erscheine dennoch ernstlich zweifelhaft, ob nicht die vom FA verwendete Schätzungsmethode im Streitfall zu einem unzutreffenden Ergebnis führe. Denn der ermittelte Einheitswert liege offensichtlich über dem Verkehrswert des Grundstücks. Das Grundstück sei nahezu unverkäuflich. Der vom Antragsteller genannte Wert von 100 000 DM sei als Obergrenze für den gegenwärtigen Wert anzusehen. Nach Umrechnung auf die Wertverhältnisse des Jahres 1935 ergebe sich jedenfalls kein höherer Wert als 25 000 DM. Dieses Ergebnis werde dadurch bestätigt, dass der Antragsteller das Grundstück aus der der Gesamtvollstreckung unterliegenden Vermögensmasse freigegeben habe. Daraus sei zu schließen, das Grundstück sei wert- und ertraglos.

Das FG ließ die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zu (§ 128 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Mit der Beschwerde beantragt das FA, den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einheitswertbescheides abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen. Er teilt mit, es sei inzwischen ein Kaufvertrag über das Grundstück zum Preis von 30 000 EUR geschlossen worden.

II. 1. Die Freigabe des Grundstücks aus der der Gesamtvollstreckung unterliegenden Vermögensmasse hat keinen Einfluss auf das Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung des Einheitswertbescheides. Es kam durch die Freigabe weder zu einer Unterbrechung des Verfahrens noch erfolgte ein Beteiligtenwechsel. Zwar ging die Verfügungsmacht über das Grundstück vom Antragsteller auf die GmbH i.A. über. Dennoch behielt der Antragsteller sein Amt als Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der GmbH i.A. und blieb als solcher der von der Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung "Betroffene" i.S. des § 128 Abs. 1 FGO. Aus dem Übergang der Verfügungsmacht auf die GmbH i.A. folgt lediglich, dass das FG gegebenenfalls im Hauptverfahren zu prüfen haben wird, ob die GmbH i.A. bzw. ein Nacheigentümer beizuladen ist.

2. Die Beschwerde des FA ist zum Teil begründet.

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken.

b) Keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einheitswertbescheides ergeben sich aus dem Umstand, dass der Bescheid nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens dem Gesamtvollstreckungsverwalter bekannt gegeben worden ist. Diese Bekanntgabe war wirksam. Zwar hat der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 2. Juli 1997 I R 11/97 (BFHE 183, 365, BStBl II 1998, 428) ausgeführt, eine Finanzbehörde dürfe nach Eröffnung des Konkursverfahrens bis zum Prüfungstermin Steuern, die zur Konkurstabelle anzumelden sind, nicht mehr festsetzen, und dies gelte auch für Steuerbescheide, in denen ausschließlich Besteuerungsgrundlagen ermittelt und festgestellt werden, die ihrerseits die Höhe von Steuerforderungen beeinflussen, die zur Konkurstabelle anzumelden sind. Diese anhand eines Gewerbesteuermessbescheides entwickelte Rechtsprechung gilt nicht für Feststellungsbescheide, durch die der Einheitswert eines Grundstücks festgestellt wird. Denn im Einheitswertbescheid werden Besteuerungsgrundlagen nicht ausschließlich zu dem Zweck ermittelt und festgestellt, um Grundsteuerforderungen zur Konkurstabelle anmelden zu können. Zum einen kann der Einheitswert Bedeutung für Dritte haben, wie beim Erwerb eines Grundstücks, wenn die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung nach dem Einheitswert bemessen wird. Zum anderen kommt dem Einheitswertbescheid eine sog. dingliche Wirkung zu. Denn gemäß § 182 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 wirkt ein Feststellungsbescheid über einen Einheitswert auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt mit steuerlicher Wirkung übergeht.

c) Das FG stützt seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einheitswertbescheides auf den Umstand, dass der Einheitswert über dem Verkehrswert liege, dessen Obergrenze das FG aus den bei den erfolglosen Verkaufsverhandlungen gewonnenen Erkenntnissen des Antragstellers und aus der Freigabe des Grundstücks aus der Gesamtvollstreckungsmasse ableitet. Diese Erwägungen des FG begründen keine ernstlichen Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 FGO.

aa) Nach § 129 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) gelten für die im Beitrittsgebiet liegenden wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und für Betriebsgrundstücke die festgestellten und noch festzustellenden Einheitswerte nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1935 weiter. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift werden --vorbehaltlich der §§ 129a bis 130 BewG-- für die Ermittlung der Einheitswerte 1935 statt der §§ 27, 68 bis 94 BewG im Einzelnen genannte Bestimmungen des Bewertungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik (BewG DDR) i.d.F. vom 18. September 1970 (Gesetzblatt DDR, Sonderdruck Nr. 674) und der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz (RBewDV) vom 2. Februar 1935 (RGBl I 1935, 81) weiter angewandt. Danach sind Geschäftsgrundstücke (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 2 RBewDV) mit dem gemeinen Wert zu bewerten (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 RBewDV). Diesen beschreibt § 10 Abs. 1 BewG DDR als den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre, wobei alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen und ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen sind. § 3a RBewDV bestimmt hinsichtlich der maßgeblichen Wertverhältnisse, dass bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für Grundbesitz der tatsächliche Zustand des Grundbesitzes (Bestand, bauliche Verhältnisse usw.) vom Nachfeststellungszeitpunkt und die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zugrunde zu legen sind.

Der Ansatz eines Wertes auf der Grundlage von Jahresrohmieten nach § 33 Abs. 2 Satz 2 RBewDV kommt nicht in Betracht. Es ist nicht erkennbar, dass (tatsächlich gezahlte) Jahresrohmieten für Grundstücke der vorliegenden Art zum 1. Januar 1935 vorhanden sind oder sonst ermittelt werden können. Für die Wertermittlung sind somit die allgemeinen Grundsätze anzuwenden, nach denen der am freien Markt erzielbare Einzelveräußerungspreis entweder aus stichtagsnahen Verkäufen gleicher oder gleichartiger Wirtschaftsgüter abzuleiten oder --mangels aussagekräftiger Kaufpreise-- durch Schätzung nach § 162 Abs. 1 AO 1977 zu ermitteln ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1998 II R 37/97, BFHE 187, 99, BStBl II 1999, 51). Im Streitfall bleibt danach nur die Schätzung des gemeinen Werts, denn Verkäufe auf den Stichtag 1. Januar 1935 sind nach Aktenlage nicht bekannt.

Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 187, 99, BStBl II 1999, 51 ausgeführt, dass für die Schätzung des Grundstückswerts nur auf das Sachwertverfahren in Anlehnung an die Regelungen in §§ 83 ff. BewG, die gemäß § 129 Abs. 2 BewG nicht unmittelbar anwendbar sind, zurückgegriffen werden kann. Dementsprechend hat das FG zu Recht die den gleichlautenden Ländererlassen in BStBl I 1993, 467 zugrunde liegende Schätzungsmethode, auf der im Streitfall auch die Schätzung des FA beruht, im Grundsatz unbeanstandet gelassen, soweit darin die Ermittlung des gemeinen Werts von bebauten Grundstücken auf der Grundlage des Bodenwerts, des Gebäudewerts und des Werts der Außenanlagen vorgesehen ist. Zu dieser Schätzungsmethode gehört auch, dass die Herstellungskosten als Anknüpfungspunkt für die Wertermittlung auf den mehrere Jahrzehnte zurückliegenden Stichtag 1. Januar 1935 zugrunde gelegt werden. Denn die Herstellungskosten bilden den einzigen objektiven Wertmaßstab, aus dem mit Hilfe des Baupreisindexes oder anderer Rückrechnungsmethoden ein (fiktiver) Gebäudewert auf den 1. Januar 1935 abgeleitet werden kann. Es stehen Schätzungsgrundlagen in Form der durchschnittlichen Herstellungskosten für vergleichbare Objekte zur Verfügung, wie sich aus den gleichlautenden Ländererlassen in BStBl I 1993, 467 ergibt. Gemessen an den Vorgaben des § 10 Abs. 1 BewG DDR kann nur so sichergestellt werden, dass bei der Schätzung ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse unberücksichtigt bleiben.

bb) Die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 lassen sich --entgegen der Ansicht des FG-- nicht aus den aktuellen Verhältnissen am Grundstücksmarkt ableiten. Gemäß § 3a RBewDV sind für den noch andauernden Hauptfeststellungszeitraum die Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1935 festgeschrieben. Unter Wertverhältnissen sind vor allem die allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und Verkehrsverhältnisse zu verstehen, die sich in dem allgemeinen Markt- und Preisniveau im Hauptfeststellungszeitpunkt niedergeschlagen haben (BFH-Urteil vom 12. März 1982 III R 63/79, BFHE 135, 341, BStBl II 1982, 451). Zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dürfen sich Veränderungen dieser Verhältnisse innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums bei der Einheitsbewertung nicht auswirken (BFH a.a.O.). Die Umstände, die dazu geführt haben, dass das Grundstück der GmbH i.A. bisher unverkäuflich war und nur kurzfristig vermietet werden konnte, gehören zu den vorbezeichneten Wertverhältnissen, deren Änderung nicht berücksichtigt werden kann. Es handelt sich um die Nachfrage nach Industriegrundstücken im ländlichen Raum, die sich als Folge des Beitritts und des Rückgangs der Industrieproduktion stark verringert hat. Diese auch konjunkturbedingten Wertverhältnisse sind keine geeignete Basis für eine Rückrechnung auf die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935.

d) Bei summarischer Prüfung ist nicht zu erkennen, dass die Schätzung des gemeinen Werts durch das FA rechtsfehlerhaft ist, soweit der Einheitswert 250 000 DM nicht übersteigt. Die gleichlautenden Ländererlasse in BStBl I 1993, 467 sehen in Übereinstimmung mit den Regelungen im Bewertungsgesetz (§ 88 BewG) Abschläge vor, wenn z.B. die Notwendigkeit baldigen Abbruchs oder wirtschaftliche Überalterung gegeben ist (Tz. 4.2.4.3). Auch die Kontaminierung des Bodens könnte bei der Bewertung berücksichtigt werden. Schließlich ermöglichen die gleichlautenden Erlasse vom 7. März 1995 betreffend die Bewertung von Grundstücken im Beitrittsgebiet, die dem Verfall preisgegeben sind (BStBl 1995, 247), die Bewertung des Grundstücks der GmbH i.A. als unbebaut, wenn die Gebäude nach objektiven Verhältnissen auf Dauer nicht mehr benutzt werden können. Der Antragsteller hat jedoch bisher keine seiner diesbezüglichen Behauptungen belegt, obwohl er mehrfach durch das FA auf die Voraussetzungen niedrigerer Bewertung hingewiesen worden ist. Dem Umstand wesentlicher Ertragsminderung, insbesondere durch Leerstand, könnte im Übrigen durch Minderung der Grundsteuer gemäß § 33 des Grundsteuergesetzes (GrStG) Rechnung getragen werden. Das Leerstehen von Geschäftsräumen infolge mangelnder Mieternachfrage für das betreffende Objekt ist ein einen Erlass i.S. des § 33 GrStG rechtfertigender Sachverhalt (vgl. Abschn. 38 Abs. 4, Abschn. 40 der Grundsteuer-Richtlinien).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einheitswertbescheides bestehen jedoch insoweit, als der Einheitswert 250 000 DM übersteigt. Das FA hat bei der Ortsbesichtigung vom 7. November 2000 die behebbaren Bauschäden und Baumängel eines jeden Gebäudes auf dem Grundstück festgestellt, danach die entsprechenden Abzüge berücksichtigt und einen Einheitswert von ca. 250 000 DM errechnet. Aufgrund dessen war der Einheitswertbescheid wegen ernstlicher Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit insoweit von der Vollziehung auszusetzen.

Die Aussetzung der Vollziehung des Einheitswertbescheides erübrigt sich nicht durch die Aussetzung des Grundsteuermessbetrages, die das FA verfügt hat. Dem Aussetzungsbegehren des Antragstellers konnte nur durch Aussetzung des Einheitswertbescheides entsprochen werden.

e) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Die Kosten wurden nach dem Grad des Obsiegens bzw. Unterliegens der Beteiligten im Streit um die Aussetzung der Vollziehung des Einheitswertbescheides verhältnismäßig geteilt. Mit der Pauschalierung des Streitwerts (60 v.T. des Einheitswerts) wird den steuerlichen Auswirkungen auf die Grundsteuer voll Rechnung getragen. Die zusätzliche Anfechtung des Grundsteuermessbescheides erhöht den Streitwert nicht und konnte deshalb bei der Kostenentscheidung unberücksichtigt bleiben.

Ende der Entscheidung

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