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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 12.01.2006
Aktenzeichen: II B 56/05
Rechtsgebiete: BewG, FGO
Vorschriften:
BewG § 22 Abs. 1 | |
BewG § 22 Abs. 3 Satz 1 | |
BewG § 129 | |
BewG § 130 | |
BewG § 131 | |
BewG § 132 | |
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3 |
Gründe:
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erwarb im Jahr 2000 ein mit einem 1906 errichteten Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück in Z, das früher eine selbständige Gemeinde gewesen war und seit der Eingemeindung im Jahr 1950 ein Ortsteil der im Beitrittsgebiet gelegenen Stadt X ist. Für das Grundstück war zum 1. Januar 1935 ein Einheitswert von 31 600 Reichsmark (RM) festgestellt worden.
Nach dem Erwerb wurde das Objekt in drei Eigentumswohnungen und eine Büroeinheit (Teileigentum) aufgeteilt. Der Kläger erhielt dabei das Alleineigentum an den 109 qm, 124 qm und 130 qm großen, mit Zentralheizung, zentraler Wasserversorgung sowie innenliegenden WC's und Bädern ausgestatteten Wohnungen. Die Wohnlage zeichnete sich durch gute Verkehrsverbindungen und günstige Einkaufsmöglichkeiten aus.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) stellte für die Wohnungen durch Nachfeststellungsbescheide auf den 1. Januar 2001 Einheitswerte von 9 400 DM, 10 700 DM und 11 200 DM fest. Das FA legte der Berechnung eine monatliche Rohmiete von 0,80 DM/qm Wohnfläche und einen Vervielfältiger von neun zugrunde. Die Rohmiete hatte es dem Mietspiegel der Stadt X für Wohnräume vom 18. Oktober 1977 entnommen. Diese Bescheide wurden durch Einspruchsrücknahme bestandskräftig. Den Einheitswert für die Büroeinheit stellte das FA auf 5 000 DM fest.
Das FA lehnte den Antrag des Klägers ab, zur Fehlerbeseitigung die Einheitswerte für die Wohnungen auf der Grundlage einer monatlichen Rohmiete von 0,70 DM/qm Wohnfläche festzustellen. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, die Rohmiete sei mindestens auf 0,73 DM/qm Wohnfläche für die beiden kleineren Wohnungen und auf 0,72 DM/qm Wohnfläche für die größere Wohnung zu schätzen. Die in § 22 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) bestimmte Grenze für eine Fortschreibung sei demnach nicht erreicht. Das FG ging dabei von den nach den Angaben des FA im Jahr 1935 in Z für Wohnungen mit einer Größe zwischen 50 und 90 qm bezahlten Mieten aus. Für solche Wohnungen seien seinerzeit in mittleren Wohnlagen zwischen 0,90 und 1 RM/qm Wohnfläche erzielt worden, für Wohnungen mit Ofenheizung --abgesehen von Spitzenwerten nach oben und unten-- Mieten von 0,73 bis 1 RM/qm Wohnfläche. Nehme man hiervon einerseits im Hinblick darauf, dass für größere Wohnungen geringere Mieten je qm Wohnfläche üblich gewesen seien, einen Abschlag vor und berücksichtige man andererseits, dass die Ausstattung der Wohnungen des Klägers mehr Wohnkomfort böten als selbst Wohnungen in der Ausstattungsklasse 1 im Jahr 1935, erreiche man jedenfalls keinen Mietpreis, der weniger als 0,73 bzw. 0,72 DM/qm Wohnfläche betrage.
An diesem Ergebnis ändere der Hinweis des Klägers auf die Mietpreise für eine Fabrikantenvilla in A nichts. Es sei nicht bekannt, ob die Wohnungen in diesem Vergleichsobjekt mit Sammelheizung (Zentralheizung), Bädern, innenliegenden WC's usw. ausgestattet gewesen seien. Der Sachverhalt brauche insoweit nicht aufgeklärt zu werden, weil dieses Objekt allenfalls --wenn man Z und A für vergleichbar halte-- in die Auflistung des FA über die im Jahr 1935 in Z bezahlten Mieten aufgenommen, aber nicht unmittelbar zur Grundlage einer Gerichtsentscheidung gemacht werden könnte.
Die Klage könne auch nicht deshalb Erfolg haben, weil der für X in den im Jahr 1935 bestehenden Grenzen geltende Vervielfältiger niedriger als der für Z maßgebende sei. Diese unterschiedlichen Vervielfältiger könnten nur bedeuten, dass im Hauptfeststellungszeitpunkt im Bereich der Stadt X andere Mieten für vergleichbar ausgestattete und große Wohnungen als in Z erzielt worden seien. Ob der Mietspiegel für die Stadt X diese Unterschiede im Mietpreisniveau angemessen widerspiegele, sei nicht entscheidungserheblich, weil es --das FG-- seiner Entscheidung nicht diesen Mietspiegel zugrunde gelegt, sondern die Mieten in Anlehnung an im Jahr 1935 in Z erzielte Mieten geschätzt habe. Im Übrigen lasse sich aus dem Mietspiegel der Stadt X nicht herleiten, dass als übliche Mieten für die Wohnungen des Klägers Beträge von 0,71 DM und 0,72 DM/qm Wohnfläche anzusetzen wären. Die in X-Ost und X-Mitte zum Hauptfeststellungszeitpunkt erzielten Mieten von bis zu 1,15 RM/qm Wohnfläche trotz teils schlechterer Ausstattung (Ofenheizung) lägen deutlich über den Beträgen von 0,71 DM bzw. 0,72 DM/qm Wohnfläche, die eine (teilweise) erfolgreiche Klage voraussetzen würde.
Das gefundene Ergebnis werde dadurch gestützt, dass die Summe der Einheitswerte für die Wohnungen und die Büroeinheit von "32 300 DM" lediglich geringfügig über dem auf den 1. Januar 1935 festgestellten Einheitswert von 31 600 RM liege. Zu berücksichtigen sei auch, dass die im Keller gelegene Büroeinheit bei der Feststellung des Einheitswerts zum 1. Januar 1935 keine Rolle gespielt haben dürfte und die Teilung des Gebäudes in verschiedene Einheiten einen höheren Bauaufwand insbesondere für die Herstellung der Sanitäreinrichtungen erfordert habe. Dass die Grundstücksfläche heute nur noch 629 qm und nicht mehr wie im Jahr 19351 100 qm groß sei, sei daher unerheblich, zumal die vom FA für Z festgestellten Vergleichsmieten nur auf die Wohnfläche abstellten und die Grundstücksgröße keine Rolle spiele.
Der Kläger stützt die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und Verfahrensmängel.
Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.
II. Die Beschwerde ist, soweit ihre Begründung den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht, unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für die Revisionszulassung (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.
1. Die Ausführungen des Klägers zur Heranziehung des Mietspiegels durch das FA und zu den im Stadtgebiet von X anwendbaren unterschiedlichen Vervielfältigern begründen weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO). Das FG hat die Schätzung der der Einheitsbewertung zugrunde zu legenden Rohmieten nicht auf den Mietspiegel der Stadt X, sondern auf für vergleichbare Wohnungen in Z im Jahr 1935 gezahlte Mieten gestützt und hat ferner festgestellt, dass seinerzeit in Stadtteilen von X, für die ein niedrigerer Vervielfältiger gilt, erheblich höhere Mieten als in Z erzielt wurden. Der BFH hat in dem vom Kläger angeführten Urteil vom 18. November 1998 II R 79/96 (BFHE 187, 104, BStBl II 1999, 10) bereits entschieden, dass die der Einheitsbewertung zugrunde zu legende Jahresrohmiete in erster Linie in Anlehnung an die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung am Hauptfeststellungszeitpunkt regelmäßig gezahlte Miete zu schätzen ist und auf die von den Finanzämtern für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich erarbeiteten Mietspiegel nur dann zurückgegriffen werden darf, wenn eine Schätzung im unmittelbaren Vergleich daran scheitert, dass nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare vermietete Objekte nicht oder nicht in hinreichender Zahl vorhanden waren.
Das gilt auch für das Beitrittsgebiet. Für die Bewertung eines Grundstücks in diesem Gebiet im Ertragswertverfahren ist die Jahresrohmiete anzusetzen, die nach den Wertverhältnissen vom Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1935) unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zustands des Grundstücks im Feststellungszeitpunkt zu erzielen gewesen wäre. Für die Ermittlung dieser hypothetischen Miete bedarf es einer Schätzung, bei der in erster Linie die Mieten von Objekten gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung heranzuziehen sind. Lediglich "notfalls" kann auch auf die von den Finanzämtern für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich erarbeiteten Mietspiegel oder ähnliche Schätzungsgrundlagen zurückgegriffen werden (BFH-Urteil vom 28. Juni 2000 II R 27/98, BFH/NV 2001, 150).
An diese Grundsätze hat sich das FG gehalten. Auf den vom FA zur Schätzung der für die Wohnungen des Klägers zum 1. Januar 1935 anzusetzenden Rohmiete herangezogenen Mietspiegel kommt es danach nicht an.
Es entspricht auch ständiger Rechtsprechung des BFH, dass die in §§ 129 bis 132 BewG vorgesehenen Vorschriften für die Einheitsbewertung im Beitrittsgebiet --Maßgeblichkeit der festgestellten oder noch festzustellenden Einheitswerte 1935-- trotz des lange zurückliegenden Hauptfeststellungszeitpunkts und der dadurch verursachten erheblichen Schwierigkeiten bei der Bewertung anzuwenden sind (z.B. Urteile vom 28. Oktober 1998 II R 37/97, BFHE 187, 99, BStBl II 1999, 51; in BFH/NV 2001, 150; vom 18. Dezember 2002 II R 20/01, BFHE 200, 397, BStBl II 2003, 228; vom 14. Mai 2003 II R 14/01, BFHE 202, 371, BStBl II 2003, 906; vom 28. Mai 2003 II R 41/01, BFHE 202, 376, BStBl II 2003, 693; vom 31. März 2004 II R 2/02, BFH/NV 2004, 1626, und vom 24. Mai 2005 II R 2/03, BFH/NV 2006, 29; Beschlüsse vom 24. Juli 2002 II B 52/02, BFH/NV 2003, 8; vom 8. September 2005 II B 122/04, BFH/NV 2006, 100, und vom 11. November 2005 II B 11/05, BFH/NV 2006, 254).
Das vom Kläger angeführte Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 20045 B 111/03 (Kommunale Steuerzeitung 2005, 54) ist nicht einschlägig. Es betrifft den Erlass von Grundsteuer in Fällen, in denen aufgrund von Eingemeindungen innerhalb des Gebiets einer Gemeinde verschiedene Grundsteuermesszahlen anzuwenden sind und daher die Grundsteuer für in unterschiedlichen Ortsteilen belegene Grundstücke mit gleichen Einheitswerten verschieden hoch festzusetzen ist. Der vorliegende Fall ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass den unterschiedlich hohen Vervielfältigern in Z einerseits und im Stadtgebiet von X in den im Jahr 1935 bestehenden Grenzen andererseits nach den Feststellungen des FG verschieden hohe Mietniveaus gegenüberstehen und dass es zudem nicht um einen Erlass aus Billigkeitsgründen (§ 227 der Abgabenordnung --AO 1977--), sondern um die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide geht.
2. Soweit sich der Kläger gegen die Richtigkeit der Vorentscheidung, insbesondere auch gegen die vom FG getroffenen Feststellungen wendet, macht er der Sache nach keine Verfahrensmängel, sondern materiell-rechtliche Fehler geltend, die nicht zur Zulassung der Revision führen. Beweiswürdigung und Schätzung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 31. Mai 2005 VIII B 294/03, BFH/NV 2005, 1832; vom 31. Mai 2005 VIII B 67/96, BFH/NV 2005, 2178, und vom 21. Juli 2005 III S 19/04 (PKH), BFH/NV 2005, 2207). Die gegen die vom FA mitgeteilten und vom FG der Vorentscheidung zugrunde gelegten Vergleichsobjekte und Vergleichsmieten gerichteten Einwendungen, die der Kläger nach seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem FG erhoben hat und mit denen sich das FG in seinem Urteil nicht auseinander gesetzt hat, können im vorliegenden Beschwerdeverfahren schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht protokolliert wurden. Der Kläger macht selbst nicht geltend, dass er in der mündlichen Verhandlung vor dem FG die Protokollierung beantragt (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--) oder deren Unterlassen gerügt (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO) und einen Protokollberichtigungsantrag (§ 94 FGO i.V.m. § 164 ZPO) gestellt habe (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562; vom 9. November 1999 II B 14/99, BFH/NV 2000, 582, und vom 7. April 2003 V B 28/02, BFH/NV 2003, 1195). Hinsichtlich des Objekts in A hat das FG das Unterlassen einer weiteren Sachaufklärung damit begründet, dass auch bei dessen Berücksichtigung die Klage keinen Erfolg haben könnte. Ein Verfahrensfehler liegt daher auf der Grundlage der maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG auch insoweit nicht vor. Die Ermittlung der Summe der festgestellten Einheitswerte für die Wohnungen und die Büroeinheit durch das FG führte zwar zu einem offensichtlich unrichtigen Ergebnis; es handelt sich dabei jedoch nur um ein Hilfsargument, das nach der materiell-rechtlichen Ansicht des FG lediglich das bereits anderweit begründete Ergebnis stützen sollte.
Ende der Entscheidung
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