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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 11.03.1998
Aktenzeichen: II B 59/97
Rechtsgebiete: GG, FGO, ErbStG F. bis 1995


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
ErbStG in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung § 12
BUNDESFINANZHOF

Durch den Beschluß des BVerfG vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BStBl II 1995, 671) ist geklärt, daß für alle bis zum 31. Dezember 1995 entstandenen Erbschaftsteueransprüche das ErbStG 1974 uneingeschränkt anzuwenden ist. Die Hinweise des BVerfG darauf, wie eine am Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG orientierte Erbschaftbesteuerung des Erwerbs mittelständischer Betriebe auszusehen und was "der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Steuerlast" insoweit zu berücksichtigen habe, beziehen sich nicht auf die bis zum 31. Dezember 1995 geltende Fassung des ErbStG.

GG Art. 3 Abs. 1 FGO § 115 Abs. 3 Satz 3 ErbStG in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung § 12

Beschluß vom 11. März 1998 - II B 59/97 -

Vorinstanz: FG Köln


Gründe

I.

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind zu je 1/2 Anteil Erben der am 30. September 1976 verstorbenen A. Für diese Erwerbe von Todes wegen setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) unter Anwendung des Steuertarifs der Klasse IV (Steuersatz 58 v.H.) durch geänderte, endgültige Erbschaftsteuerbescheide vom 13. November 1985 gegen den Kläger zu 1 Erbschaftsteuer in Höhe von 4 028 506 DM und gegen die Klägerin zu 2 in Höhe von 4 021 546 DM fest. Zum Nachlaß gehörten u.a. Anteile an der B-GmbH, die vom FA nach dem Stuttgarter Verfahren mit 11 207 570 DM bewertet wurden. Ferner gehörten zum Nachlaß Anteile an der C-GmbH (Wert: 314 400 DM) und an der D-GmbH (Wert: 1 634 080 DM). Das FA ging von einem Gesamtwert der Nachlaßgegenstände in Höhe von 15 052 626 DM aus. Nach Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten (1 179 110 DM) errechnete das FA als Wert des Reinnachlasses einen Betrag von jeweils 6 936 758 DM.

Die Einsprüche der Kläger sowie die anschließenden Klagen blieben ohne Erfolg. Hiermit hatten die Kläger geltend gemacht, der nach dem Stuttgarter Verfahren zu ermittelnde Wert der Anteile an der B-GmbH sei nur insgesamt mit 6 325 970 DM anzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage im zweiten Rechtsgang abgewiesen. Die vom FA vorgenommene Anteilsbewertung sei nicht zu beanstanden. Der Vortrag der Kläger betreffe nur Verhältnisse und Gegebenheiten, mit denen zum Zeitpunkt des Erbanfalls objektiv noch nicht zu rechnen gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision in dem finanzgerichtlichen Urteil. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Kläger machen Divergenz, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist hinsichtlich der geltend gemachten Verfahrensmängel unzulässig, im übrigen unbegründet.

1. Soweit die Kläger geltend machen, das Urteil des FG sei nicht mit Gründen versehen, weil zwischen der mündlichen Verhandlung und der Zustellung des Urteils mehr als fünf Monate verstrichen seien, handelt es sich um einen Verfahrensmangel, der mit der zulassungsfreien Revision gerügt und deshalb im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht geltend gemacht werden kann (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679; vom 14. Juli 1993 I B 108/92, BFH/NV 1994, 381, und vom 14. Juni 1995 VIII B 126-127/94, BFH/NV 1996, 144).

Auch der Hinweis der Kläger auf die überlange Verfahrensdauer stellt keine schlüssige Darlegung eines Verfahrensfehlers i.S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dar, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte. Die Kläger haben insoweit schon nicht dargelegt, daß das FG-Urteil auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen kann. Eine überlange Verfahrensdauer hat als solche grundsätzlich keinen Einfluß auf die Sachentscheidung; weder wird durch sie ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig (BFH-Beschluß vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148), noch die Einziehung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. von § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) unbillig (BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 105/84, BFHE 163, 313, BStBl II 1991, 498).

2. Unbegründet ist die Beschwerde, soweit die Kläger geltend machen, das FG habe nicht beachtet, daß sich nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in seinem Beschluß vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BStBl II 1995, 671) im Streitfall eine verfassungswidrige Übermaßbesteuerung (bzw. eine gleichheitswidrige Nichtberücksichtigung der mit der Betriebsfortführung verbundenen Belastungen) ergebe. Eine Abweichung des angefochtenen Urteils von dem Beschluß des BVerfG (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) liegt nicht vor, weil die von den Klägern herausgestellten Ausführungen des BVerfG für dessen Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 nicht erheblich waren. Den genannten Rechtsfragen kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zu, denn durch den zitierten Beschluß des BVerfG ist geklärt, daß das ErbStG 1974 für alle bis zum 31. Dezember 1995 entstandenen Erbschaftsteueransprüche uneingeschränkt anzuwenden ist.

Das BVerfG hat entschieden, daß § 12 Abs. 1 und 2 ErbStG i.V.m. dem Ersten und Zweiten Teil des Bewertungsgesetzes (BewG) insofern mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar sind, als sie die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer für Grundbesitz (§ 19 BewG) auf der Grundlage von zum 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswerten, für Kapitalvermögen hingegen zu Gegenwartswerten ansetzen. Es hat aber gleichzeitig dem Gesetzgeber eine Frist zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands bis zum 31. Dezember 1996 gesetzt und angeordnet, daß "das bisherige Erbschaftsteuerrecht" bis Ende 1995, d.h. auf alle bis dahin entstandenen Steueransprüche weiter anzuwenden ist (vgl. Abschn. C II. 3. b des Beschlusses des BVerfG).

Den Ausführungen zur Übermaßbesteuerung, auf die sich die Kläger beziehen (vgl. Abschn. C I. 2 b bb des Beschlusses des BVerfG) kommt für die Anwendung des bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Erbschaftsteuerrechts keine Bedeutung zu. Sie geben lediglich die Auffassung des BVerfG wieder, wie eine am Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG orientierte Besteuerung des Erwerbs mittelständischer Betriebe auszusehen und was "der Gesetzgeber bei der Gestaltung der Steuerlast" insoweit zu berücksichtigen habe. Es handelt sich erkennbar nur um allgemeine Hinweise an den Gesetzgeber für eine spätere gesetzliche Neuregelung. Einen verfassungswidrigen Zustand der Altregelung hat das BVerfG insoweit nicht festgestellt. Die vom BVerfG genannten "Maßstäbe" beziehen sich nicht auf die im Streitfall maßgebliche Altregelung.

Soweit die Kläger ausführen, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob bei einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung der Betroffene generell auf Billigkeitsmaßnahmen verwiesen werden könne oder ob dieser Umstand bei der Entscheidung über die materiell-rechtliche Richtigkeit des Steueranspruchs zu berücksichtigen sei, fehlt es bereits an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur, aus der sich die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen ergäbe (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Ende der Entscheidung

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