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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.08.1999
Aktenzeichen: II B 59/99
Rechtsgebiete: ErbStG 1974, FGO, ZPO, BGB
Vorschriften:
ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 4 | |
ErbStG 1974 § 1 Abs. 1 Nr. 1 | |
FGO § 142 Abs. 1 | |
ZPO § 114 | |
BGB § 328 | |
BGB § 330 | |
BGB § 331 Abs. 1 | |
BGB § 117 Abs. 1 |
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) meldete 1992 ein Fuhrunternehmen auf ihren Namen an. Als Fahrer war ihr Lebensgefährte, der spätere Erblasser, tätig. Die zur Firmengründung erforderlichen Mittel in Höhe von 77 000 DM stellte die A-Bank der Klägerin darlehensweise zur Verfügung. Der Erblasser übernahm dafür eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Außerdem schloß er auf Anraten der Bank Lebens- und Unfallversicherungen über insgesamt 75 000 DM ab. Widerruflich Bezugsberechtigte im Todesfall war jeweils die Klägerin. Die Prämien gingen zu Lasten des Erblassers. Dieser hatte die Klägerin auch testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt. 19.. verunglückte der Erblasser tödlich. Die Klägerin schlug die Erbschaft aus. Die Versicherungsleistungen von insgesamt 74 577 DM wurden über ein Konto der Klägerin bei der A-Bank ausbezahlt und zur Tilgung des Darlehens verwendet.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) sah in den Versicherungsleistungen einen Erwerb von Todes wegen gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 und setzte mit Bescheid vom 25. März 1996 Erbschaftsteuer in Höhe von 15 730 DM gegen die Klägerin fest. Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage und beantragte unter Beifügung einer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, ihr für das Klageverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren. Zur Begründung der Klage trug sie vor, sie sei nur dem Namen nach Betreiberin des Fuhrgeschäfts gewesen. Tatsächlich habe der Erblasser das Geschäft betrieben, während sie selbst bei einem anderen Unternehmen als Arbeitnehmerin gearbeitet habe. Die A-Bank habe den Firmenkredit nur unter der Voraussetzung einer Bürgschaftsübernahme sowie des Abschlusses der Versicherungsverträge durch den Erblasser gewährt. Die für den Todesfall zu erwartenden Versicherungsleistungen hätten der Abdeckung der Bankverbindlichkeiten gedient.
Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf Gewährung von PKH durch Beschluß vom 15. März 1999 mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage ab. Dagegen hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, das FA ziehe einen Vorteil daraus, daß sie nur formal als Kaufmann und Vertragspartner aufgetreten sei, und dies ungeachtet dessen, daß sie selbst nichts erhalten habe.
Die Klägerin beantragt, ihr unter Aufhebung der Vorentscheidung mit Wirkung ab Antragstellung beim FG PKH zu gewähren und den Prozeßbevollmächtigten als Rechtsanwalt beizuordnen.
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.
Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im Streitfall bestehen für die Klage hinreichende Erfolgsaussichten. Sie erscheint auch nicht mutwillig.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 unterliegt jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrages bei dessen Tod von einem Dritten unmittelbar erworben wird, der Erbschaftsteuer. Zu diesen Vermögensvorteilen aufgrund Vertrages zugunsten Dritter gehört auch der Erwerb eines Anspruchs aus einer Lebensversicherung auf den Todesfall durch einen widerruflich bezugsberechtigten Dritten. Auch dabei entsteht der Leistungsanspruch des Dritten erst beim Tod des Versicherungsnehmers, und zwar gemäß den §§ 328, 330, 331 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unmittelbar in dessen Person (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 20. September 1995 XII ZR 16/94, BGHZ 130, 377, 380). Dasselbe gilt für Kapitalunfallversicherungen (vgl. Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 58. Aufl., 1999, § 330 Anm. 2), wie sich mittelbar auch aus § 180 i.V.m. § 166 Abs. 2 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag ergibt.
Nach dem Gutachten des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 21. Mai 1931 I D 1/30 (RFHE 29, 137, 153, RStBl 1931, 559) sollte der Steuertatbestand allerdings nur dann erfüllt sein, wenn im Verhältnis zwischen dem Erblasser und Versicherungsnehmer als Versprechensempfänger und dem Dritten --und damit im sog. Valutaverhältnis-- eine freigebige Zuwendung vorliegt. Davon ist der Bundesfinanzhof (BFH) jedoch abgerückt. Mit Urteil vom 17. April 1985 II R 147/82 (BFH/NV 1986, 96) hat er entschieden, daß Erwerbe gemäß dem heutigen § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 in gleicher Weise der Erbschaftsteuer unterliegen wie die der Nr. 1 der Vorschrift. Demgemäß scheidet eine Steuerpflicht lediglich wegen solcher Umstände des Valutaverhältnisses aus, die einen vermögensrechtlichen Leistungsaustausch ergeben (kritisch dazu Meincke, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl. 1997, § 3 Anm. 81). Der Dritte muß den Vermögensvorteil als Gegenleistung für eine eigene Leistung an den Versprechensempfänger erhalten haben.
2. Für eine solche Einbindung des Vermögensvorteils der Klägerin in ein Verhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht im Streitfall bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit.
a) Soweit die Klägerin bestreitet, selbst Darlehensschuldnerin und Gläubigerin des Anspruchs auf die Versicherungsleistungen geworden zu sein, ist ihr das FG zu Recht nicht gefolgt. Eine Beurteilung der Kreditverträge als Scheinverträge i.S. des § 117 Abs. 1 BGB scheidet aus. Ebensowenig ist die Bezugsberechtigung der Klägerin nur zum Schein erfolgt. Ob ernsthaft gewollte Rechtsgeschäfte oder Scheingeschäfte vorliegen, beurteilt sich danach, ob die Parteien zum Erreichen des mit einem Rechtsgeschäft erstrebten Erfolgs ein Scheingeschäft für genügend oder ein ernst gemeintes Rechtsgeschäft für notwendig erachtet haben (so BGH-Urteile vom 25. Oktober 1961 V ZR 103/60, BGHZ 36, 84, 88, sowie vom 6. Juli 1993 XI ZR 201/92, Neue Juristische Wochenschrift 1993, 2435). Im Streitfall waren die Kredit- und Versicherungsverträge ernstlich gewollt. Um das Fuhrunternehmen auf den Namen der Klägerin betreiben zu können, mußten die dem Unternehmen dienenden Kreditverträge in ihrem Namen geschlossen werden. Darüber hinaus haben die Vertragspartner die Rechtsfolgen auch der Versicherungsverträge wie vereinbart eintreten lassen.
b) Nach der Darstellung der Klägerin waren die ernstlich vereinbarten Kreditverträge sowie die Bestimmung der Klägerin zur widerruflich Bezugsberechtigten mit dem daraus im Todesfall folgenden Anspruch auf die Versicherungssumme Teile eines einheitlichen Konzepts. Daraus allein folgt zwar noch kein vermögensrechtlicher Leistungsaustausch; jedoch kommt ein derartiges Verhältnis von Leistung und Gegenleistung durchaus in Betracht. Dem steht nicht entgegen, daß sowohl die Kreditverträge als auch die Versicherungsverträge mit außenstehenden Vertragspartnern abgeschlossen worden sind. Ein Leistungsaustausch erforderte, daß zwischen der Klägerin und dem Erblasser ein Grundgeschäft bestand, wonach der eine die Kreditverträge abzuschließen hatte, damit der andere die Versicherungsverträge mit Bezugsberechtigung der Klägerin abschloß und umgekehrt. Ob ein derartiges Grundgeschäft vorlag, bedarf noch der Prüfung. Dazu sind die Umstände der jeweiligen Vertragsabschlüsse --ggf. unter Heranziehung der Bankangestellten als Zeugen-- aufzuklären. Die Tatsache, daß die Versicherungsverträge auf Anraten der Bank abgeschlossen worden sind, die dabei vornehmlich ihre eigenen Sicherungsinteressen im Auge gehabt haben mag, ist mit dem Vorliegen eines Leistungsaustauschs nicht unvereinbar.
3. Die Finanzverwaltung hält an der Auffassung des RFH fest, wonach ein Erwerb von Todes wegen aufgrund Vertrags zugunsten Dritter gemäß dem nunmehrigen § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 nur gegeben ist, wenn im Valutaverhältnis zwischen dem Versprechensempfänger (hier dem Erblasser als Versicherungsnehmer) und dem begünstigten Dritten (hier der Klägerin) eine freigebige Zuwendung vorliegt (so der im Einvernehmen mit den anderen Ländern ergangene Erlaß des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26. April 1999 S 3802 -17- V A 2, Deutsche Steuer-Zeitung 1999, 583). Danach wäre im Streitfall eine Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG 1974 bereits dann ausgeschlossen, wenn einseitig der Erblasser verpflichtet war, die Klägerin zur Bezugsberechtigten aus Versicherungsverträgen zu bestimmen oder dem Erblasser der Wille zur Unentgeltlichkeit (vgl. BFH-Urteile vom 10. September 1986 II R 81/84, BFHE 148, 69, BStBl II 1987, 80, sowie vom 27. April 1988 II R 53/82, BFH/NV 1989, 168, am Ende) fehlte, weil er in dem Bewußtsein handelte, eine Verpflichtung zu erfüllen. Die Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung wären auch dann nicht erfüllt, wenn die Begünstigung der Klägerin in rechtlichem Zusammenhang mit einem durch die Klägerin und den Erblasser verfolgten Gemeinschaftszweck stünde.
4. Der Senat sieht davon ab, selbst über die Bewilligung von PKH zu entscheiden, weil die im erstinstanzlichen Verfahren abgegebene Erklärung der Klägerin zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bereits über zwei Jahre alt ist und sich die Verhältnisse zwischenzeitlich geändert haben könnten (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 8. Mai 1996 V B 32/95, BFH/NV 1996, 941, sowie vom 12. August 1997 VII B 212/96, BFH/NV 1998, 433).
Ende der Entscheidung
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