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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.06.2003
Aktenzeichen: II B 6/02
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die erstinstanzlich durch einen Bevollmächtigten nicht vertretenen Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben gegen zwei Grunderwerbsteuerbescheide des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) vom 8. November 1999 Klage erhoben.

In dieser Sache fand am 27. November 2001 eine mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) statt, an der neben der Einzelrichterin die Kläger persönlich sowie für das FA Frau B teilnahmen. Nach dem Inhalt des Protokolls wurde die mündliche Verhandlung --nach einem Befangenheitsantrag der Kläger-- um 9.50 Uhr unterbrochen und um 10.55 Uhr fortgesetzt. Bei der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung erschien für die Beteiligten niemand. Hierzu heißt es im Sitzungsprotokoll:

"Die Beteiligten haben auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts um 9.50 Uhr erklärt, dass sie an dem weiteren Fortgang der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen wollten. Die Kläger haben sich dahingehend geäußert, dass sie bei einer etwaigen Ablehnung ihres Antrages hiergegen sofort Beschwerde einlegen wollten, so dass ohnehin ihres Erachtens nicht durchentschieden werden könne."

Nach erneutem Aufruf der Sache verkündete die Einzelrichterin das Urteil, dass die Klage abgewiesen wird. In dem Urteil wurde das Ablehnungsgesuch der Kläger als rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Berichtigung des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 27. November 2001 beantragt und hierzu geltend gemacht, die Richterin habe um 9.50 Uhr erklärt, "dass Schluss sei", und auf ausdrückliche Nachfrage der Kläger bestätigt, dass die Verhandlung für heute beendet sei. Die Feststellung im Protokoll, dass die Verhandlung um 9.50 Uhr unterbrochen worden sei, sei zu streichen, weil von einer Unterbrechung keine Rede sein könne.

Das FG hat durch Beschluss vom 7. Januar 2002 den Protokollberichtigungsantrag der Kläger zurückgewiesen und hierzu ausgeführt, dass die Verhandlung tatsächlich (nur) unterbrochen worden sei. Die Gründe hierfür seien den Klägern erläutert worden. Die Äußerung des Gerichts, dass "jetzt Schluss" sei, habe sich auch für die Kläger erkennbar lediglich auf die anstehende Verhandlungspause bezogen. Um jede Unklarheit auszuräumen, sei den Klägern erläutert worden, dass "nach einer Verhandlungspause voraussichtlich weiter verhandelt würde, sodass es für sie besser wäre, noch da zu bleiben, was diese jedoch abgelehnt haben".

Das FG hat die Revision gegen das Urteil vom 27. November 2001 nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger, mit der sie grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensrügen geltend machen. Hierzu tragen sie u.a. vor, das FG habe ihr Recht auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es die mündliche Verhandlung am 27. November 2001 fortgesetzt habe, obwohl die Richterin auf ausdrückliche Nachfrage im Gerichtssaal erklärt habe, dass die Verhandlung "für heute" beendet sei. Kurz darauf sei die Richterin auf dem Flur vor dem Gerichtssaal erschienen und habe ihnen, den Klägern, sinngemäß erklärt, dass ihr Ablehnungsgesuch unzulässig sei, ferner habe sie gefragt, ob sie nicht in den Gerichtssaal kommen wollten. Sie habe allerdings nicht erklärt, dass sie die Verhandlung am selben Tage fortsetzen wolle.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Es macht u.a. geltend, dass ein Verfahrensfehler nicht vorliege, und hat hierzu einen schriftlichen Terminsvermerk der Frau B vom 27. November 2001 vorgelegt, in dem es u.a. heißt: "Die Verhandlung wurde unterbrochen. Eine Entscheidung wird zugesandt."

Der Berichterstatter hat den Vorsteher des beklagten FA gebeten, eine dienstliche Äußerung der seinerzeitigen Prozessvertreterin des FA darüber herbeizuführen, ob die Richterin am FG die Beteiligten darüber näher unterrichtet hat, um welche Entscheidung es sich handeln solle, die schriftlich zugestellt wird, warum der Termin unterbrochen werde und wann mit der Fortsetzung der "unterbrochenen" mündlichen Verhandlung gerechnet werden könne.

Frau B hat sich daraufhin dienstlich wie folgt geäußert:

"Nach der Unterbrechung der Verhandlung hielten sich im Vorraum zum Sitzungssaal ... sowohl die Kläger als auch ich auf und warteten auf den Fortgang der mündlichen Verhandlung. Die Richterin am FG erschien kurz darauf ebenfalls im Vorraum. Es gab einen kurzen Wortwechsel zwischen den Beteiligten ... , an deren inhaltliche Einzelheiten ich mich nicht mehr erinnern kann. Die Kläger verließen dann den Vorraum. Auf meine Frage an die Richterin, ob meine Anwesenheit noch notwendig wäre, verneinte die Richterin diese Frage. ... An weitere Einzelheiten des Inhalts der mündlichen Verhandlung kann ich mich nicht erinnern."

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG-Urteil ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil den Klägern das rechtliche Gehör versagt wurde (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 3 FGO). Das FG hätte die mündliche Verhandlung am 27. November 2001 nach deren Unterbrechung um 9.50 Uhr nicht ohne die Anwesenheit der Kläger um 10.55 Uhr fortsetzen dürfen. Denn aus dem Inhalt der Akten ergeben sich ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich die durch einen Bevollmächtigten erstinstanzlich nicht vertretenen Kläger über die Bedeutung der Unterbrechung der mündlichen Verhandlung und deren Fortsetzung am selben Tage in einem unverschuldeten Irrtum befanden und deshalb das Gericht vor der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung verlassen haben.

Dem Protokoll über die mündliche Verhandlung, der Darstellung des Verlaufs der mündlichen Verhandlung der Einzelrichterin im Beschluss vom 7. Januar 2002 sowie dem Aktenvermerk und der dienstlichen Äußerung der Prozessvertreterin des FA kann nicht entnommen werden, dass die Kläger seitens des FG mit der notwendigen Eindeutigkeit und Klarheit darüber aufgeklärt wurden, ob und wann die mündliche Verhandlung nach der Unterbrechung am selben Tage fortgesetzt werden sollte. Vielmehr ergeben sich deutliche Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten und die Erklärungen des FG bei den Klägern zu Missverständnissen führen konnten. Dies betrifft zunächst die --auch von der Einzelrichterin in dem Beschluss vom 7. Januar 2002 eingeräumte-- Bemerkung des Gerichts, dass "jetzt Schluss" sei. Diese Äußerung kann --jedenfalls ihrem äußeren Erklärungswert nach-- auch als Beendigung der mündlichen Verhandlung aufgefasst werden. Für eine Beendigung der mündlichen Verhandlung spricht auch der Vermerk der Prozessvertreterin des FA, dass eine Entscheidung zugesandt werde. Unklar und in dieser Form missverständlich ist schließlich die Erklärung der Einzelrichterin, "dass nach einer Verhandlungspause voraussichtlich weiter verhandelt würde". Die darin liegende Einschränkung wird der prozessualen Situation nicht gerecht. Wird eine mündliche Verhandlung unterbrochen, ist sie in jedem Falle und nicht nur voraussichtlich fortzusetzen. Das Gericht, das die Prozessbeteiligten, insbesondere solche, die nicht sachkundig sind, über die Prozesslage nicht im Unklaren lassen darf, hat im Falle der Unterbrechung der mündlichen Verhandlung regelmäßig über den Grund und die voraussichtliche Dauer der Unterbrechung aufzuklären. Dies ist im Streitfall nicht mit der notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit geschehen.



Ende der Entscheidung

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