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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.10.2008
Aktenzeichen: II B 70/07
Rechtsgebiete: GG, BewG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
BewG § 117 Abs. 1 Nr. 3
BewG § 117 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt u.a. im X-Hafen einen Umschlagbetrieb. Das diesem Umschlagbetrieb dienende Betriebsvermögen ist über die jeweiligen Einheitswerte und die Berechnung des Gesamtvermögens in die an die Klägerin ergangenen Vermögensteuerbescheide für 1978 bis 1990 eingegangen. Mit den gegen diese Bescheide erhobenen Einsprüchen begehrte die Klägerin, jenes Betriebsvermögen gemäß § 117 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 117 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der für die jeweiligen Veranlagungszeiträume geltenden Fassung außer Ansatz zu lassen. Zur Begründung verwies die Klägerin auf den Zweck des § 117 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 117 Nr. 2 BewG sowie darauf, dass sie sich aus Gründen der Marktbedingungen genauso verhalten müsse wie die der öffentlichen Hand gehörende Y-Lagerhausgesellschaft (YLG), deren Betriebsvermögen von der Vermögensteuer befreit sei. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) wies die Einsprüche durch Einspruchsentscheidung vom 10. November 2006 als unbegründet zurück.

Bereits im September 1990 hatte die Klägerin beantragt, das Betriebsvermögen aus Billigkeitsgründen bei der Festsetzung der Vermögensteuer außer Ansatz zu lassen. Die nach Ablehnung dieses Antrags durch das FA und erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hatte der Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluss vom 17. Juli 2006 II B 118/05 (BFH/NV 2006, 1875) zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass über das Vorbringen der Klägerin, aus Gründen des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) und des Grundrechts der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) müsse auch ein faktischer Kontrahierungs- und Tarifzwang zur Befreiung des betroffenen Betriebsvermögens führen, in dem Verfahren bezüglich der ergangenen Vermögensteuerbescheide zu entscheiden sei. Dort seien auch, wenn die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung bestehe, die Angaben der Klägerin zur behaupteten tatsächlichen Vergleichbarkeit ihres Marktauftritts mit der YLG zu prüfen. Sollte die Ausrichtung des klägerischen Geschäftsgebarens an der YLG etwa darauf beruhen, dass es sich um einen Nachfragemarkt und nicht um einen Anbietermarkt handele, sei eine Ausrichtung an der YLG nicht auf deren Marktbeherrschung, sondern auf eine Marktschwäche zurückzuführen. Dies würde es der Klägerin jedoch bei einem Wechsel der Marktbedingungen ermöglichen, ihr Verhalten zu ändern.

Die gegen die Vermögensteuerbescheide 1978 bis 1990 erhobene Klage, mit der die Klägerin die Einbeziehung ihres Betriebsvermögens in den Anwendungsbereich des § 117 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 117 Nr. 2 BewG begehrte, hatte keinen Erfolg. Das FG vertrat die Auffassung, für das Betriebsvermögen der Klägerin fehle es an einer Auflage i.S. des § 117 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 117 Nr. 2 BewG. Diese Vorschriften könnten auch nicht verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass eine "Auflage" auch dann vorliege, wenn rechtliche Bindungen nicht bestünden und lediglich faktische Zwänge zur Aufrechterhaltung des Betriebes, zur Kontrahierung und Beachtung der Tarife führten. Der von der Klägerin beantragten Beweiserhebung bedürfe es nicht.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel wegen Verstoßes des FG gegen seine Sachaufklärungspflicht geltend.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) ist nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

a)

Wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, muss in der Beschwerdebegründung eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, herausgestellt werden. Des Weiteren ist substantiiert darauf einzugehen, weshalb die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage ist außerdem auszuführen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.). Betrifft die Rechtsfrage ausgelaufenes Recht, müssen in der Beschwerdebegründung besondere Gründe geltend gemacht werden, die ausnahmsweise eine Abweichung von der Regel rechtfertigen, wonach Rechtsfragen, die solches Recht betreffen, regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt (BFH-Beschlüsse vom 24. November 2005 II B 46/05, BFH/NV 2006, 587; vom 26. Januar 2007 II B 28/06, BFH/NV 2007, 992; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 98 ff. und § 116 FGO Rz 178, jeweils m.w.N.).

b)

Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die von ihr behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob ein Steuerpflichtiger gemäß Art. 3 Abs. 1 GG unter bestimmten Voraussetzungen in den Anwendungsbereich der steuerlichen Verschonungsnorm des § 117 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 117 Nr. 2 BewG einzubeziehen ist, nicht hinreichend dargelegt. Dieser Rechtsfrage kommt, weil es sich bei der Vermögensteuer um auslaufendes bzw. ausgelaufenes Recht handelt, keinerlei Bedeutung mehr für künftige Streitfälle zu. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sich die aufgeworfene Rechtsfrage in nicht absehbarer Zukunft weiterhin bei einem nicht überschaubaren Personenkreis stellen könne. Der Hinweis der Klägerin darauf, dass die Verfassungsnorm des Art. 3 Abs. 1 GG weiterhin in Kraft sei, genügt insoweit nicht den Darlegungsanforderungen.

2.

Die Rüge der Klägerin, das FG habe die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge übergangen und dadurch seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt, ist unbegründet.

a)

Die Rüge ist zulässig. Ergibt sich, wie im Streitfall, aus dem Sitzungsprotokoll der (letzten) mündlichen Verhandlung, dass der Beweisantrag ausdrücklich gestellt wurde, und begründet das FG --wie hier-- im angefochtenen Urteil, weshalb es von der Erhebung des beantragten Beweises abgesehen hat, genügt bereits die schlichte Rüge der Nichtbefolgung des Beweisantritts den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO (BFH-Beschlüsse vom 8. Juni 2007 II B 60/06, BFH/NV 2007, 2118; vom 1. Februar 2007 VI B 118/04, BFHE 216, 409, BStBl II 2007, 538; vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, jeweils m.w.N.).

b)

Die Rüge ist jedoch unbegründet.

aa)

Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und die erforderlichen Beweise zu erheben (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FGO). Auf die Erhebung eines von einem Beteiligten beantragten Beweises darf das FG im Regelfall nur dann verzichten, wenn es die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zugunsten der betreffenden Partei unterstellt, das Beweismittel nicht erreichbar oder die zu beweisende Tatsache nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG nicht rechtserheblich ist (BFH-Beschlüsse vom 3. Januar 2006 IX B 56/05, BFH/NV 2006, 954; vom 10. Oktober 2007 X B 45/07, BFH/NV 2008, 96, und vom 14. Juli 2008 II B 5/08, BFH/NV 2008, 1815). Die Unrichtigkeit der materiell-rechtlichen Auffassung des FG kann nicht mit der Verfahrensrüge nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht werden (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 954). Kein Verfahrensmangel liegt deshalb vor, wenn das FG einen Beweis nicht erhebt, auf den es lediglich nach der materiell-rechtlichen Ansicht eines Beteiligten ankommt, nicht aber nach derjenigen des FG.

bb)

Nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG stand das Betriebsvermögen der Klägerin nicht unter der nach § 117 Abs. 1 bzw. § 117 Nr. 2 BewG vorausgesetzten Auflage der Betriebspflicht, der Kontrahierungspflicht und des Tarifzwangs. Nach der Rechtsauffassung des FG waren die vorgenannten Vorschriften auch nicht verfassungskonform dahin auszulegen, dass die vorausgesetzte "Auflage" auch dann vorliege, wenn rechtliche Bindungen nicht bestünden und lediglich faktische Zwänge zur Aufrechterhaltung des Betriebes, zur Kontrahierung und Beachtung der Tarife führten.

Unter Zugrundelegung dieser materiell-rechtlichen Auffassung waren die Voraussetzungen für die Ablehnung der Beweisanträge der Klägerin erfüllt. Die Klage war auch für den Fall abzuweisen, dass die Klägerin --wie von ihr durch die Beweisanträge unter Beweis gestellt-- in den Streitjahren ausschließlich nach den Bedingungen der YLG gearbeitet haben und die tarifgebundene YLG den Markt in der Weise beherrscht haben sollte, dass es Wettbewerbern wie der Klägerin --es sei denn auf Kosten ihrer wirtschaftlichen Existenz-- faktisch verwehrt gewesen wäre, ihre Dienstleistungen zu anderen als den Bedingungen der YLG zu erbringen. Soweit das FG unter Ziff. II.4 der Urteilsgründe vom Vorliegen eines Nachfragemarktes ausgegangen ist, handelt es sich um eine bloße Hilfserwägung, auf die das FG seine Entscheidung zusätzlich gestützt hat. Es trifft im Übrigen auch nicht zu, dass --wie die Klägerin meint-- der Senat in seinem Beschluss in BFH/NV 2006, 1875 insoweit die Sachverhaltsaufklärung als notwendig angesehen hat. Der Hinweis des Senats auf die Überprüfung der von der Klägerin behaupteten tatsächlichen Vergleichbarkeit ihres Marktauftritts mit dem der YLG beschränkte sich ausdrücklich auf den Fall, dass --was das FG verneint hat-- die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 117 Abs. 1 Nr. 3 bzw. § 117 Nr. 2 BewG besteht.

Ende der Entscheidung

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