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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.10.2003
Aktenzeichen: II B 72/02
Rechtsgebiete: BewG, FGO


Vorschriften:

BewG § 11 Abs. 2 Satz 2
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft und die geschäftsleitend tätige Holding-Gesellschaft der X-Gruppe. Als solche ist sie an verschiedenen Unternehmen beteiligt. Sie erzielt Beteiligungserträge aus Gewinnabführungen und Ausschüttungen von Gesellschaften dieser Gruppe und weiteren Gesellschaften. Einen eigenen operativen Bereich unterhält die Klägerin nicht. Den ihr ab 1985 entstandenen Aufwand für Personal, Einkauf, Kantine, Hausverwaltung und Telefonzentrale ließ sich die Klägerin von den Beteiligungsgesellschaften erstatten. Die übrigen, die Steuerung, die Finanzierung, die Vertretung und die steueroptimale Gestaltung des Konzerns sowie die Kontrolle der Konzernmitglieder, die Gestaltung der übergeordneten Konzernpolitik sowie den Erwerb und die Veräußerung von Betrieben und Unternehmen betreffenden Kosten hat die Klägerin selbst getragen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) stellte den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin auf der Grundlage von Abschn. 81 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1989 je 100 DM Nennkapital

auf den 31. Dezember 1980 189 v.H. auf den 31. Dezember 1981 111 v.H. auf den 31. Dezember 1982 100 v.H. auf den 31. Dezember 1983 72 v.H. auf den 31. Dezember 1984 74 v.H. auf den 31. Dezember 1985 70 v.H. auf den 31. Dezember 1986 115 v.H.

fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin den Ansatz eines negativen Ertragshundertsatzes begehrte, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führt in seiner klageabweisenden Entscheidung aus, dass die Anteile an einer Holding-Gesellschaft, deren Geschäftsbetrieb durch die Verwaltung beherrschender Anteile an anderen Kapitalgesellschaften gekennzeichnet sei, für die Anteilsbewertung als wirtschaftlich identisch mit den von der Holding-Gesellschaft gehaltenen Anteilen anzusetzen seien. Die Anteile an einer solchen Holding-Gesellschaft seien ohne Berücksichtigung der Ertragsaussichten nur mit dem Vermögenswert anzusetzen. Dies gelte auch für die sog. Management-Holding, die für ihre Beteilungsgesellschaften geschäftsleitend tätig sei. Entscheidend sei, dass auch solche Gesellschaften kein eigenes operatives Geschäft betrieben. Es bestehe auch kein Anlass, den mit der geschäftsleitenden Tätigkeit verbundenen Aufwand bei der Ermittlung des gemeinen Werts der Anteile der Klägerin zu berücksichtigen. Soweit der mit dieser Tätigkeit verbundene Aufwand den Beteiligungsgesellschaften weiterbelastet worden sei, ginge dieser bereits in die Anteilsbewertung bei den Beteiligungsgesellschaften ein. Der danach verbleibende Aufwand, den die Klägerin durch Abzug der weiterbelasteten Kosten von ihrem Gesamtaufwand ermittelt habe, decke zunächst den typischen Kostenbereich einer Holding ohne eigenes operatives Geschäft ab. Dieser durch das Halten, Verwalten und Koordinieren der Beteiligungen geprägte Aufwand habe nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei der Bewertung nicht notierter Anteile einer Holding ohne eigenes operatives Geschäft unberücksichtigt zu bleiben. Es handle sich insoweit um Kosten, die auch dann entstünden, wenn die Beteiligungen ohne Zwischenschaltung einer Holding direkt gehalten würden. Eine weitere Differenzierung zwischen der verwaltenden und geschäftsleitenden Tätigkeit der Klägerin sei nicht möglich. Die Klägerin habe es nicht vermocht, den für die Beteiligungsgesellschaften getätigten (Geschäftsleitungs-)Aufwand hinreichend differenziert aufzuschlüsseln.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Diese macht grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz geltend. Klärungsbedürftig sei die Bewertung von Anteilen an geschäftsleitenden Holding-Gesellschaften. Ferner rügt die Klägerin als Verfahrensmangel einen Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Die Ermittlung des gemeinen Werts von Anteilen an Holding-Gesellschaften ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Weiterer Klärungsbedarf ergibt sich --jedenfalls für den Streitfall-- auch nicht aus den von der Klägerin in Bezug genommenen Literaturbeiträgen.

Der gemeine Wert nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften, deren Wert sich nicht aus Verkäufen ableiten lässt, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) unter Berücksichtigung der Vermögens- und Ertragsaussichten zu schätzen. Die Schätzung erfolgt nach dem in Abschn. 76 ff. VStR 1989 (vgl. jetzt R 96 ff. der Erbschaftsteuer-Richtlinien vom 17. März 2003 --ErbStR--) geregelten sog. Stuttgarter Verfahren, das der BFH in ständiger Rechtsprechung als ein geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt hat (Urteil vom 6. März 1991 II R 18/88, BFHE 164, 91, BStBl II 1991, 558, m.w.N.). Mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist von diesem Verfahren nur abzuweichen, wenn es in Ausnahmefällen aus besonderen Gründen des Einzelfalls zu nicht tragbaren, d.h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (BFH-Urteile vom 17. Mai 1974 III R 156/72, BFHE 112, 510, BStBl II 1974, 626, sowie vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459).

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Anteile an reinen Holding-Gesellschaften, die neben der Verwaltung ihrer Beteiligungen oder der Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften keinen selbstständigen operativen Bereich haben, nur mit ihrem ungekürzten Vermögenswert zu bewerten; eine Korrektur aufgrund der Ertragsaussichten entfällt (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 II R 15/97, BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251, 253; Abschn. 81 Abs. 1 VStR 1989; R 103 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStR). Denn wirtschaftlich sind die Anteile an der Holding-Gesellschaft identisch mit den von der Holding-Gesellschaft gehaltenen Beteiligungen. Das Zwischenschalten der Holding-Gesellschaft bewirkt lediglich eine Effektensubstitution (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1976 III R 98/74, BFHE 121, 93, BStBl II 1977, 235). Kosten der Verwaltung der Beteiligungen oder der Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften dürfen demnach nicht zu einer Korrektur des Vermögenswertes führen, da es sich bei solchen Aufwendungen um Kosten für die Vermögensverwaltung auf der Ebene des Anteilseigners handelt. Solche Aufwendungen dürfen bei einer am Substanzwert orientierten Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften nicht in die Wertermittlung einfließen (vgl. Christoffel, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 1986, 392, 395).

Etwas anderes kann sich möglicherweise in den Fällen ergeben, in denen die Holding-Gesellschaft Aufwendungen im Interesse ihrer Untergesellschaft(en) macht, die sich --wären diese Aufwendungen von der Untergesellschaft selbst getragen worden-- über den Anteilswert der Beteiligungsgesellschaft auf den Anteilswert der Holding-Gesellschaft ausgewirkt hätten. Von dieser Überlegung ist auch das FG ausgegangen. Die von der Klägerin zum Beleg für einen Klärungsbedarf herangezogene Literatur liegt auf derselben Linie. Für die weiter gehende Auffassung der Klägerin, bei einer geschäftsleitenden Holding-Gesellschaft seien grundsätzlich sämtliche Aufwendungen zu berücksichtigen, gibt es weder einen sachlichen Grund, noch besteht darüber in der Fachliteratur Streit (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Februar 2003 II B 191/01, BFH/NV 2003, 888).

Auch nach den von der Klägerin in Bezug genommenen Literaturstellen können nur "Aufwendungen im Interesse der Untergesellschaft" (Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Stand Februar 2002, § 11 BewG Rn. 102; Christoffel, GmbHR 1986, 392; Diers, Der Betrieb 1986, 1256) bzw. nur das, was den Ertrag der Untergesellschaft auf dem Weg zum Gesellschafter mindert (so Müller-Dott, Steuerberater-Jahrbuch 1985/86, S. 311, 317), Berücksichtigung finden.

2. Das FG-Urteil weicht --entgegen der Auffassung der Klägerin-- auch nicht vom Urteil des BFH in BFHE 121, 93, BStBl II 1977, 235 ab. Das FG hat vielmehr die Rechtsprechungsgrundsätze, die auch dem BFH-Urteil in BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251 ff. zugrunde liegen, konsequent angewendet und den Aufwand der Klägerin für die Verwaltung ihrer Beteiligungen und die Koordinierung der Beteiligungsgesellschaften nicht als Korrekturposten berücksichtigt. Aus denselben Gründen ist ein schwerwiegender offensichtlicher Fehler des FG nicht gegeben.

3. Soweit die Klägerin ihre Beschwerde ferner auf Verfahrensmängel stützt, ist diese unzulässig, da die Klägerin solche Mängel nicht schlüssig dargelegt hat.

Soweit die Klägerin rügt, das FG habe die bei ihr angefallenen Kosten für die Konzernleitung sowie für die Verwaltung der Beteiligungen verfahrensfehlerhaft nicht ermittelt, genügen die Ausführungen nicht den Begründungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Klägerin hätte insoweit u.a. darlegen müssen, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. Das ist nicht geschehen.

Das FG hat die Auffassung vertreten, dass nur solcher Geschäftsleitungsaufwand berücksichtigt werden kann, der hinreichend differenziert aufgeschlüsselt und zurechenbar sei. Dementsprechend brauchte das FG auch nur solchen Beweisangeboten nachzugehen, die geeignet waren, eine entsprechende Differenzierung zu ermöglichen. Angesichts des Umstandes, dass die Klägerin --wie sie mit der Beschwerde selbst geltend macht-- bereits erstinstanzlich vorgetragen hat, die "reine Verwaltungstätigkeit sei ununterscheidbar in der geschäftsleitenden Tätigkeit aufgegangen", gab es keinen Anlass für das FG, von sich aus Nachforschungen zur Differenzierbarkeit der Kosten anzustellen oder den von der Klägerin angebotenen Zeugenbeweis, der sich im Übrigen gerade auf die Behauptung der Ununterscheidbarkeit der Tätigkeitsbereiche bezog, zu erheben.

Ende der Entscheidung

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