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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.12.1998
Aktenzeichen: II B 75/98
Rechtsgebiete: GrEStG 1983, AO 1977, FGO


Vorschriften:

GrEStG 1983 § 16 Abs. 1 Nr. 1
AO 1977 § 122 Abs. 1 Satz 3
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Das Grundstück X-Straße wurde zunächst mit Kaufvertrag vom Juli 1992 zum Preis von ... DM an den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und im Oktober 1992 an eine GbR verkauft, die aus dem Kläger und einer GmbH bestand. In der Zwischenzeit hatte der Kläger von seinem vertraglich eingeräumten Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) war entgegen der Ansicht des Klägers der Meinung, daß der erste Kaufvertrag nicht rückgängig gemacht worden sei, und bemühte sich, gegen den Kläger die Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM festzusetzen und den Bescheid unter dessen wechselnder Privatadresse mit Postzustellungsurkunde zuzustellen. Nachdem der Bescheid zweimal als unzustellbar zurückgekommen und bei der Meldebehörde die aktuelle Anschrift des Klägers abgefragt worden war, verfügte das FA am 1. November 1996 eine dritte Zustellung unter der zuletzt erfahrenen Adresse. Diese Zustellung wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde durch Niederlegung bei der Postanstalt ausgeführt.

Monate später legte der Kläger gegen die Steuerfestsetzung Einspruch ein und machte geltend, die Benachrichtigung über die Niederlegung der Sendung nicht erhalten zu haben. Zugleich beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er trug vor, unter seiner bei den Grunderwerbsteuerakten befindlichen und stets gleichgebliebenen Geschäftsadresse wäre er für das FA jederzeit problemlos zu erreichen gewesen. Materiell-rechtlich begehrte er, die Grunderwerbsteuer gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 nicht zu erheben. Einspruch und Klage blieben mit der Begründung erfolglos, der Bescheid sei wirksam bekanntgegeben und mittlerweile bestandskräftig geworden.

Mit der dagegen eingelegten Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision rügte der Kläger mangelnde Sachaufklärung. Innerhalb der Beschwerdefrist führte er dazu aus, bei der gebotenen vollständigen Sachaufklärung hätte sich ergeben, daß der Bescheid nicht ihm persönlich, sondern seinem Bevollmächtigten bekanntzugeben gewesen wäre. Mit Schreiben vom 10. August 1993 habe er nämlich dem FA zu dem zweiten Erwerbsvorgang einen Steuerberater benannt, der mit der Wahrnehmung der Interessen bevollmächtigt sei. Das der Beschwerde in Fotokopie beigefügte Schreiben nimmt Bezug auf einen Schriftsatz des FA und enthält sodann den Hinweis, die weitere Bearbeitung dieses Schriftsatzes erfolge durch den Steuerberater; es werde gebeten, etwaige weitere Rückfragen unmittelbar an diesen zu richten.

Nach Erhalt der Stellungnahme des FA und nach Ablauf der Beschwerdefrist machte der Kläger als weiteren Verfahrensmangel geltend, das Finanzgericht (FG) sei nicht auf sein Klagevorbringen eingegangen, wonach er seinen Privatbriefkasten regelmäßig durch einen Mitarbeiter habe leeren lassen, dieser aber die Benachrichtigung über die Niederlegung nicht vorgefunden habe. Dies habe der Mitarbeiter bereits gegenüber dem FA durch eidesstattliche Erklärung bestätigt.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die angeblich fehlerhaft unterlassene Sachaufklärung hätte zu keiner anderen Entscheidung geführt. Der Aufforderung an das FA vom 10. August 1993, sich wegen weiterer Rückfragen an den Steuerberater zu wenden, ist keine Empfangsbevollmächtigung zu entnehmen. Soweit der nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangene Schriftsatz vom 15. Oktober 1998 eine weitere Verfahrensrüge enthält oder die Rüge mangelnder Sachaufklärung auf weitere Tatsachen stützt, die sich bei vollständiger Aufklärung ergeben hätten, ist dieses Vorbringen verspätet.

Gemäß § 122 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977) kann ein Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekanntgegeben werden. Ob die Behörde von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Das Ermessen ist allerdings dann eingeengt, wenn der Steuerpflichtige der Behörde ausdrücklich mitgeteilt hat, ein bestimmter Vertreter sei auch zur Entgegennahme von Verwaltungsakten ermächtigt (Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. April 1985 I S 1/85, BFH/NV 1986, 320). Auf der anderen Seite sind Steuerbescheide beim Fehlen einer schriftlichen Empfangsvollmacht regelmäßig dem Steuerpflichtigen persönlich bekanntzugeben (BFH-Urteil vom 29. Juli 1987 I R 367, 379/83, BFHE 152, 1, BStBl II 1988, 242). Danach war eine Bekanntgabe gegenüber dem Kläger persönlich zumindest nicht ermessensfehlerhaft. Entgegen der Beschwerdebegründung geht aus dem Schreiben vom 10. August 1993 an das FA nicht einmal hervor, daß der Steuerberater allgemein mit der Interessenwahrnehmung bevollmächtigt sei. Erst recht ist dem Schreiben keine Empfangsvollmacht zu entnehmen. Vielmehr wird der Steuerberater nur als Ansprechpartner für weitere Rückfragen benannt.

Soweit der Beschwerdeschriftsatz vom 15. Oktober 1998 eine zusätzliche Verfahrensrüge --nämlich diejenige der Verletzung rechtlichen Gehörs-- enthält oder die Rüge mangelnder Sachaufklärung auf weitere Tatsachen stützt, die sich bei ordnungsgemäßer Sachaufklärung ergeben hätten, kann darauf nicht mehr eingegangen werden, weil dieses Vorbringen verspätet ist. Gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist eine Beschwerde innerhalb des Satzes 1 der Vorschrift zu begründen. Die Begründung braucht nicht schon in der Beschwerdeschrift enthalten zu sein und kann auch in einem gesonderten Schriftsatz nachgereicht werden; allerdings hat das Nachreichen noch innerhalb der Frist zu erfolgen (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 21. Juli 1968 III B 58/67, BFHE 93, 503, BStBl II 1969, 36). Dies gilt nicht nur für den Fall, daß die Beschwerde zunächst jeglicher Begründung ermangelte, sondern auch für nachgeschobene Begründungen, sofern sie nicht lediglich eine Erläuterung und Vervollständigung des fristgemäßen Vorbringens darstellen (BFH-Beschlüsse vom 1. Dezember 1994 III B 77/94, BFH/NV 1995, 980, sowie vom 31. März 1995 XI B 151/94, BFH/NV 1995, 1071). Die Erhebung einer weiteren Verfahrensrüge stellt keine Erläuterung der früheren Beschwerdebegründung dar. Auch die zur Begründung ein und derselben Verfahrensrüge aufgestellte spätere Behauptung, der angefochtene Bescheid sei dem Adressaten nicht zugegangen, kann nicht als Ergänzung zu dem Vorbringen angesehen werden, der Bescheid hätte nicht dem Adressaten, sondern dessen Bevollmächtigtem bekanntgegeben werden müssen. Dabei handelt es sich vielmehr um einen neuen Gesichtspunkt, der beim Erfüllen der sonstigen Voraussetzungen für sich allein Grundlage einer Aufklärungsrüge hätte sein können.

Ende der Entscheidung

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