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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.08.2006
Aktenzeichen: II B 86/04
Rechtsgebiete: FGO, GrEStG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 6
FGO § 81 Abs. 1 Satz 1
GrEStG § 5 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine OHG, wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 26. Februar 1993 mit Sitz in BB, B-Straße 17, gegründet. Gesellschafter der Klägerin waren eine AG (KS) mit einem Vermögensanteil von 100 % und eine GmbH (RS) als geschäftsführende Gesellschafterin ohne vermögensmäßige Beteiligung. Die KS leistete ihre Einlage durch Einbringung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten, die in einem Grundstücksübertragungsvertrag näher bezeichnet waren. Der Gesellschaftsvertrag nebst Grundstücksübertragungsvertrag wurde dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--), in dessen Bezirk sich der wertvollste Bestand der eingebrachten Grundstücke befand, durch den beurkundenden Notar ebenso angezeigt wie der Ergänzungsvertrag vom 12. Mai 1993, der die Einbringung weiterer Grundstücke in Erfüllung der Einlageverpflichtung zum Gegenstand hatte. Bereits am 15. April 1993 hatte KS im Zuge einer Unternehmensfusion ihre Beteiligung an der Klägerin auf eine weitere AG (HS), die heutige ... AG (KHS) übertragen.

Das FA, das zunächst davon ausgegangen war, dass für den Erwerbsvorgang gemäß § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Grunderwerbsteuer nicht zu erheben ist, stellte mit Bescheid vom 21. Dezember 1998 die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM gesondert fest. Es versagte nunmehr die Befreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG, weil die KS ihre Beteiligung an der Klägerin auf Grund eines vorgefassten Planes zu Gunsten der HS aufgegeben habe.

Das FA übergab den Feststellungsbescheid der Post zum Zwecke der Bekanntgabe mittels Postzustellungsurkunde (PZU). Als Anschrift der Klägerin war sowohl in dem Bescheid als auch auf der PZU "Name der Klägerin, B-Straße 17, BB" aufgeführt. Das FA richtete sich hierbei nach den Angaben der Klägerin in der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für 1993 bei der für die Klägerin zuständigen Finanzbehörde; mit dieser Adresse war die Klägerin nach den Feststellungen des FA im Handelsregister eingetragen. Laut PZU wurde der Feststellungsbescheid am 22. Dezember 1998 zugestellt. Die Zustellung erfolgte in der F-Straße 20 in BB. Dort hatte jedenfalls die TKS, ein Gemeinschaftsunternehmen der beteiligten Konzerne, eine Poststelle. Nach Auffassung des FA hatte auch die Klägerin dort eine Poststelle; die Klägerin bestreitet dies.

Den Einspruch der Klägerin vom 24. Januar 1999, beim FA eingegangen am 25. Januar 1999, sah das FA als verspätet an, gewährte keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verwarf ihn mit Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2001 als unzulässig. Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) legte seiner Entscheidung Zeugenaussagen, die das FA erhoben und in seinen Akten festgehalten hatte, zu Grunde und würdigte sie dahin, dass sich in der F-Straße 20 eine Posteingangsstelle befunden habe, die dazu bestimmt war, die unter dieser Adresse eingehende Post im Einverständnis aller Beteiligten für die Konzerngesellschaften und ihre Beteiligungsunternehmen, also auch für die Klägerin, entgegenzunehmen und zu verteilen. Das FG nahm an, in der F-Straße 20 habe sich ein Geschäftslokal der Klägerin befunden, in dem die Zustellung wirksam erfolgt sei.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie Verfahrensmängel geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 2. Alternative und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

II. Die Beschwerde ist wegen eines geltend gemachten Verfahrensmangels begründet. Der Senat hält es für sachgerecht, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).

1. Die Rüge, das FG habe gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen, ist begründet. Ein Verfahrensmangel liegt vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

a) Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das Gericht den Beweis in der mündlichen Verhandlung zu erheben. Dies bedeutet neben dem (formellen) Erfordernis eigener Anschauung durch die Richter des erkennenden Spruchkörpers, dass diese die für die Entscheidung notwendigen Tatsachen im weitestmöglichen Umfang aus der Quelle selbst schöpfen müssen, d.h. bei mehreren in Betracht kommenden Beweismitteln die Beweisaufnahme mit demjenigen durchzuführen haben, das ihnen den "unmittelbarsten" Eindruck von dem streitigen Sachverhalt vermittelt (Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme; vgl. m.w.N. BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 V R 6/00, BFH/NV 2001, 941; vom 29. Januar 1997 II R 67/94, BFH/NV 1997, 767; vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463; BFH-Beschluss vom 17. Mai 2005 VI B 162/04, BFH/NV 2005, 1613).

b) Im Streitfall hat das FG Auskünfte und Wahrnehmungen von als Zeugen in Frage kommenden Personen verwertet, ohne diese als Zeugen gehört zu haben. Die Klägerin hatte die Vernehmung dieser Personen beantragt. Sie hatte im Verfahren auch, jedenfalls konkludent, dargelegt, dass diese Aussagen unzutreffend sind. Es war daher verfahrensfehlerhaft, keine Beweisaufnahme durchzuführen (BFH-Urteile in BFH/NV 1997, 767; vom 12. Juni 1991 III R 106/87, BFHE 164, 396, BStBl II 1991, 806; vom 21. Juni 1988 VII R 135/85, BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841; vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311; BFH-Beschluss vom 15. Oktober 2004 III B 152/03, juris STRE200451456). Auf diesem Verfahrensfehler kann das Urteil beruhen.

c) Die Klägerin hat ihr Recht, die Verletzung der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme als Verfahrensfehler zu rügen, nicht gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) dadurch verloren, dass sie diese Rüge nicht schon in der mündlichen Verhandlung, in der sie durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, erhoben hat. Denn es kann auch von einem fürsorglichen und verantwortungsbewusst agierenden Prozessvertreter ohne Überspannung seiner Sorgfaltspflichten nicht verlangt werden, dass er in Voraussicht eines erst den schriftlichen Urteilsgründen zu entnehmenden Verfahrensfehlers des Gerichts auf der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme besteht (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 767; vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1613).

2. Aus Gründen der Verfahrensökonomie weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Der Senat ist der Auffassung, dass durch die im Streitfall verwendete Geschäftsnummer der Inhalt der mit der Post zugestellten Sendung grundsätzlich in einer den Anforderungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 des im Streitjahr geltenden Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) und des § 195 der im Streitjahr geltenden ZPO a.F. genügenden Weise konkretisiert ist. Für die danach notwendige Identifizierung des oder der zuzustellenden Schriftstücke genügt nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Verwendung der Steuernummer --ohne zusätzliche Kennzeichnung-- als Geschäftsnummer nicht, da sie weder auf ein einzelnes Schriftstück bezogen werden kann noch einen Anhaltspunkt dafür bietet, ob der verschlossene Briefumschlag mehrere Schriftstücke enthält (vgl. jeweils m.w.N. BFH-Urteile vom 13. Oktober 2005 IV R 44/03, BFHE 211, 9, BStBl II 2006, 214; vom 12. September 1995 IX R 72/94, BFHE 178, 546, BStBl II 1995, 898; vom 12. Januar 1990 VI R 137/86, BFHE 160, 103, BStBl II 1990, 602).

Auch genügt der bloße Zusatz "Feststellungsbescheid" nicht. Diesem Begriff kommt lediglich ein vergleichbarer Informationsgehalt wie dem Begriff "Steuerbescheid" zu. Beides ist zur Bezeichnung des Inhalts der zuzustellenden Sendung nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es der Ergänzung um die Steuerart im Fall eines Steuerbescheids bzw. des Feststellungsgegenstands im Fall des Feststellungsbescheids (BFH-Urteil in BFHE 211, 9, BStBl II 2006, 214).

Im Streitfall ermöglicht die Geschäftsnummer die Identifizierung der zugestellten Sendung. Die Geschäftsnummer ist gebildet aus der Steuernummer und dem Zusatz "Feststellungsbescheid über die Grunderwerbsteuer". Daraus ist erkennbar, dass Gegenstand der Feststellung die (gesonderte) Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ("über die Grunderwerbsteuer") ist (§ 17 Abs. 2 GrEStG) und nicht etwa die (gesonderte) Feststellung von Grundstückswerten. Auch handelt es sich um den erstmals unter dieser Steuernummer erlassenen Feststellungsbescheid (vgl. für den erstmals für einen Erhebungszeitraum erlassenen Steuerbescheid der bezeichneten Steuerart BFH-Urteil vom 18. März 2004 V R 11/02, BFHE 205, 501, BStBl II 2004, 540). Damit ist eine Identifizierung des zuzustellenden Schriftstücks möglich.

Der Zusatz "Feststellungsbescheid über die Grunderwerbsteuer" brauchte auch nicht das Datum des Feststellungsbescheids enthalten. Die Geschäftsnummer muss die Identifizierung der zugestellten Sendung ermöglichen. Deshalb muss sie die Eignung haben, den Verwaltungsakt, die Gerichtsentscheidung oder das sonstige Schriftstück zu konkretisieren, dessen Zustellung vorgenommen wurde. Dies erfordert nicht zwingend die Angabe des Datums, unter dem das zugestellte Schriftstück ergangen ist. Sie kann auch in anderer Weise vorgenommen werden (vgl. m.w.N. BFH-Urteile in BFHE 205, 501, BStBl II 2004, 540; vom 25. Oktober 1995 I R 16/95, BFHE 179, 202, BStBl II 1996, 301). Ein Fall, in dem die Angabe des Datums das einzige Mittel ist, das zur Konkretisierung vernünftigerweise zur Verfügung steht, ist vorliegend nicht gegeben. Es waren in der Sendung weder mehrere Schriftstücke enthalten noch in dem Steuerverfahren mit dieser Steuernummer bislang weitere Bescheide ergangen.

b) Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die Vorentscheidung vom BFH-Urteil vom 4. Oktober 1983 VII R 16/82 (BFHE 139, 232, BStBl II 1984, 167) abweicht. Dort hat der BFH zwar den Rechtssatz aufgestellt: "Bedient sich jemand stets und ständig einer fremden Posteingangsstelle, so ist auch der Raum dieser Posteingangsstelle für ihn Geschäftslokal i.S. des § 184 Abs. 1 ZPO." Von diesem Rechtssatz weicht die Vorentscheidung aber nicht ab. Das FG geht nämlich --wie sich aus dem Gesamtkontext seiner Begründung ergibt-- nicht davon aus, dass die Posteingangsstelle in der F-Straße 20 eine für die Klägerin fremde Posteingangsstelle ist. Vielmehr legt das FG seiner Entscheidung zu Grunde, dass es sich um eine gemeinsame, zentrale Posteingangsstelle der beteiligten Konzerne und deren Beteiligungsunternehmen, also auch der Klägerin, handelt, deren Einrichtung "einvernehmlich geregelt" worden sei, mithin um eine eigene Posteingangsstelle. Eine solche Auslegung ist möglich (vgl. hierzu Urteil des Reichsgerichts vom 22. Juni 1886 II 174/86, RGZ 16, 349, wonach ein Geschäftslokal auch mehreren Personen gemeinschaftlich dienen kann).

c) Der Senat ist ferner der Auffassung, dass die Zustellung nicht allein deswegen unwirksam ist, weil der Postzusteller zum Zwecke der Weitersendung (Nachsendung) die Anschrift auf der zuzustellenden Sendung und auf der PZU geändert hat.

aa) Nach der Rechtsprechung des BFH werden bei Postsendungen die Voraussetzungen für den Zugang regelmäßig --jedenfalls-- dann als erfüllt erachtet, wenn sie entsprechend den postalischen Vorschriften ausgeliefert werden (vgl. m.w.N. BFH-Urteil vom 9. Februar 1983 II R 10/79, BFHE 138, 401, BStBl II 1983, 698). Im Streitfall entsprach die Weitersendung den postalischen Vorschriften. Die Nachsendung war früher in §§ 55 und 56 der Postordnung (PostO) für die Zustellung durch die Deutsche Bundespost geregelt. Sie kann nun --wie im Streitfall-- Bestandteil des grundsätzlich privatrechtlichen Vertragsverhältnisses (vgl. noch ausdrücklich für die Deutsche Bundespost POSTDIENST § 7 des Gesetzes über das Postwesen --PostG-- vom 8. Juni 1989, BGBl I, 1042; neben diese privatrechtliche Beziehung tritt die schlicht-hoheitliche Beleihung, vgl. nun § 33 Abs. 1 Satz 2 PostG 1998) mit dem Lizenznehmer, der Briefzustelldienstleistungen erbringt (im Streitfall die Deutsche Post AG auf Grund gesetzlicher Exklusivlizenz, vgl. § 51 PostG 1998), sein (vgl. ab 1. Januar 1998 § 2 Nr. 4 i.V.m. § 7 der Post-Universaldienstleistungsverordnung --PUDLV-- vom 15. Dezember 1999, BGBl I, 2418, sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG Abschn. 139, Erläuterungen Tz. 3, abgedruckt bei Hammer/Limpert, Postdienst - Bedingungen und Entgelte, Loseblatt Grundwerk 1993, und ab 25. August 2001 § 6 i.V.m. § 11 der Postdienstleistungsverordnung --PDLV-- vom 21. August 2001, BGBl I, 2178).

Nach Abschn. 139, Erläuterungen Tz. 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG (siehe oben) wird bei der Weitersendung von Postzustellungsaufträgen unterschieden, ob der Postzustellungsauftrag von Justizbehörden (Abs. 1) oder anderen Auftraggebern (Abs. 2) erteilt wurde. Im ersten Fall erfolgt die Weitersendung von Amts wegen innerhalb des Amtsgerichtsbezirks; Vermerke des Auftraggebers zur Weitersendung innerhalb des Landgerichtsbezirks oder des Bundesgebietes werden jedoch beachtet. Im zweiten Fall erfolgt die Weitersendung von Postzustellungsaufträgen von Amts wegen innerhalb des Bundesgebietes, sofern nicht der Auftraggeber die Weitersendung eingeschränkt hat. In beiden Fällen werden Postzustellungsaufträge innerhalb einer Gemeinde uneingeschränkt weitergesandt (Abs. 3).

Die Gestaltung der im Streitfall verwendeten PZU entspricht diesen rechtlichen Vorgaben. Unter Ziff. 1.4 bis 1.6 kann der Absender bestimmen, ob und in welchem Postzustellungsbereich nachgesendet werden soll. Unter Ziff. 12.3 ist für den Fall, dass die Weitersendung nicht verlangt oder nicht möglich ist, die Angabe der neuen Anschrift in einem gesonderten Adressfeld vorgesehen. Ein vergleichbares, gesondertes Adressfeld für den Fall der Weitersendung ist nicht vorgesehen. Die Weitersendungsadresse wird demgemäß durch Änderung oder Ergänzung der Anschrift des Empfängers (Ziff. 1.3) berücksichtigt.

Im Streitfall kann auf sich beruhen, nach welcher der vorgenannten Regelungen die Weitersendung erfolgte; sie war jedenfalls zulässig. Die Nachsendung erfolgte innerhalb der Gemeinde und entsprach zudem der Weisung des FA.

bb) Die ZPO verbietet die Nachsendung durch die Post nicht (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 195 Rdnr. 7) und damit auch nicht die notwendige Änderung oder Anpassung der Anschrift, ohne die eine Nachsendung nicht möglich ist.

§ 195 Abs. 2 ZPO a.F., auf den § 3 Abs. 3 VwZG verweist, steht dem nicht entgegen. Soweit dort geregelt ist, dass die PZU den Vorschriften des § 191 Nr. 1, 3 bis 5, 7 ZPO a.F. entsprechen muss, ergibt sich hieraus nur, dass die Anschrift notwendig anzugeben ist in den Fällen der Ersatzzustellung gemäß §§ 181 bis 184 ZPO a.F. (vgl. Stein/Jonas/Roth, a.a.O.). Doch folgt hieraus nicht, dass eine Änderung der Anschrift unzulässig ist, sondern lediglich, dass eine solche Änderung in Übereinstimmung stehen muss mit dem Sinn und Zweck der Beurkundung, nämlich zweifelsfrei, d.h. ohne jeden Streit über das Ob und Wie, Beweis für den Zustellungsvorgang (§ 418 ZPO) zu erbringen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 15. Januar 1953 IV ZR 180/52, BGHZ 8, 314). Aus der Art der Änderung ergibt sich im jeweils konkreten Einzelfall, ob sie die Beweiskraft der PZU nicht beeinträchtigt, ob sie sie lediglich beeinträchtigt oder ob wegen eines wesentlichen Mangels die Zustellung unwirksam ist (vgl. m.w.N. MünchKommZPO/Welzel, 2. Aufl., § 190 Rdnr. 4, sowie Hessischer Verwaltungsgerichtshof --VGH--, Beschluss vom 3. Juli 1989 13 TH 1313/89, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1990, 467, und Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 26. Juni 1984 9 CB 1092.81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1985, 90).

Soweit § 195 Abs. 2 ZPO a.F. regelt, dass die Zustellungsurkunde die Übergabe der ihrer Anschrift nach bezeichneten Sendung bezeugen muss, ergibt sich auch hieraus nicht, dass eine Änderung der Anschrift unzulässig sei. Bezeichnet ist die Sendung durch die Anschrift, mit der sie zum Zeitpunkt der Zustellung vom FA oder auf dessen Weisung vom Postzusteller versehen ist.

cc) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG wird die zuzustellende Sendung vom FA mit der Anschrift des Empfängers versehen. Das FA hat nach Abschn. 139 Nr. 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG zwar auch die Zustellungsurkunde ausgefüllt zu übergeben; dies dient allerdings nur der Vorbereitung der Beurkundung (vgl. Abschn. 139 Nr. 1 Abs. 3 Ziff. 2 "vorbereitetes Formblatt zur Zustellungsurkunde", sowie nun § 176 Abs. 1 ZPO). Erstellt im Rechtssinne wird die Urkunde aber --erst-- in zeitlichem und örtlichem Zusammenhang mit der Zustellung durch den Postzusteller (§ 195 Abs. 2 Satz 1 ZPO a.F.; § 3 Abs. 2 Satz 1 VwZG; vgl. auch MünchKommZPO/Welzel, a.a.O., § 190 Rdnr. 2). Hat zu diesem Zeitpunkt der Postzusteller den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder der Weisung des FA, die Sendung nachzusenden, folgend die Anschrift geändert, ist die Sendung durch diese Anschrift bezeichnet.

dd) Die Frage, ob im Einzelfall die Änderung der Anschrift in Übereinstimmung steht mit dem Sinn und Zweck der Beurkundung, nämlich zweifelsfrei, d.h. ohne jeden Streit über das Ob und Wie, Beweis für den Zustellungsvorgang (§ 418 ZPO) zu erbringen (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 8, 314), hängt von der Beurteilung der tatsächlichen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts ab. Anders als in der von der Klägerin angezogenen Entscheidung des Hessischen VGH vom 12. September 1995 11 UE 1128/94 (NJW 1996, 1075) lässt sich im Streitfall nach Ansicht des Senats die Auffassung vertreten, dass Zweifel an der Zustellung nicht erkennbar sind. Denn nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt und zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin jedenfalls in der B-Straße 17 kein Geschäftslokal i.S. des § 184 ZPO a.F. (mehr) hat. Die Zustellung kann danach nur in der F-Straße 20 erfolgt sein.



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