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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.02.2001
Aktenzeichen: II B 87/00
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 102
FGO § 51 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhob beim Finanzgericht (FG) Verpflichtungsklage auf Erlass von Grunderwerbsteuer und Säumniszuschlägen. Der Rechtsstreit wurde der Berichterstatterin zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen. In der mündlichen Verhandlung vor der Einzelrichterin lehnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Richterin als befangen ab, nachdem diese den Sachverhalt vorgetragen und sich zur Rechtslage geäußert hatte. Er entnahm dieser Äußerung eine Festlegung der Richterin dahin, dass der Rechtsstreit unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt zugunsten der Klägerin ausgehen könne.

Nach Abgabe einer dienstlichen Stellungnahme der Richterin, wonach sie sich auf den Vortrag des Sachverhalts und der sich aus der Aktenlage ihres Erachtens ergebenden Rechtslage beschränkt und dabei auf die gemäß § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingeschränkte Überprüfbarkeit der angegriffenen Entscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) aufmerksam gemacht habe, wies das FG den Befangenheitsantrag ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin als unbegründet zurück. Es sah die gegen die Richterin erhobenen Vorwürfe, in ihrer Lebens- und Gedankenwelt zu eng an die Argumentation des FA gebunden zu sein und dadurch einer gedanklichen Blockade zu unterliegen, die es ihr unmöglich mache, sich den Gedanken der Klägerin zu öffnen, als zu formelhaft und unsubstantiiert an, um sie als vernünftige Gründe für die Annahme einer Befangenheit anzusehen. Der Richterin sei es nicht verwehrt gewesen, auf die ihres Erachtens fehlende Erfolgsaussicht der Klage hinzuweisen. Der Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör umfasse kein Recht auf "Erhörung".

Gegen die Ablehnung des Befangenheitsantrages hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, der Sinn ihres Ablehnungsgesuchs sei nicht verstanden worden. Ihr sei es nicht um "Erhörung" gegangen, sondern darum, dass man ihre Rechtsauffassung und ihre Argumente zur Kenntnis nehme und sich rechtlich mit ihnen auseinandersetze. Aufgrund der Erörterung der Sach- und Rechtslage durch die abgelehnte Richterin habe sie jedoch den Eindruck gewonnen, dass diese sich bereits festgelegt habe. Dem Prozessbevollmächtigten sei lediglich formal das Wort erteilt worden. Es habe bereits festgestanden, dass die Klage abgewiesen werde. So habe die Richterin geäußert, dass die Klägerin "unter keinem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt eine Chance habe, den Rechtsstreit zu gewinnen". Weder die Richterin in ihrer dienstlichen Äußerung, noch das FG hätten sich mit diesem Ausspruch der Richterin befasst.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat das Gesuch auf Ablehnung der Berichterstatterin und Einzelrichterin zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

Nach § 42 Abs. 1 und 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i.V.m. § 51 Abs. 1 FGO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Gründe für ein solches Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Die Klägerin hat keine Gründe genannt, die bei objektiver Betrachtung bei ihr den Eindruck hervorrufen konnten, die Richterin werde nicht unvoreingenommen entscheiden.

Soweit die Klägerin in Form eines wörtlichen Zitats die angebliche Äußerung der Richterin wiedergibt, der Rechtsstreit könne unter keinen denkbaren Gesichtspunkten gewonnen werden, ergibt die Niederschrift vom 25. Mai 2000 über die mündliche Verhandlung vor der Einzelrichterin, dass diese Äußerung nicht gefallen ist. In der Niederschrift ist die Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin über die Richterablehnung im Wortlaut wiedergegeben. Daraus geht hervor, dass es sich bei dem beanstandeten Satz nicht um eine Äußerung der Richterin, sondern um etwas gehandelt hat, das die Richterin angeblich indirekt zum Ausdruck gebracht haben soll.

Hinweise der Richterin darauf, wie sie die Rechtslage nach dem gegenwärtigen Stand der Akten beurteile, dienen im Übrigen dazu, dass die Beteiligten die Einstellung des Gerichts zu den für den Prozessausgang maßgeblichen rechtlichen Problemen erfahren, um in der anschließenden Erörterung der Rechtslage darauf eingehen zu können. Sie lassen, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, nicht auf eine vorzeitige Festlegung des Gerichts schließen (vgl. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Juli 1989 VIII B 86/88, BFH/NV 1990, 175). Anderenfalls sähe sich das Gericht gezwungen, Aussagen zur Rechtslage so vage zu halten, dass sie ihren Informationswert für die Beteiligten verlieren. Besondere Umstände, die der Klägerin gleichwohl den Eindruck vermitteln konnten, es habe keinen Zweck mehr, den eigenen Standpunkt zu vertreten, sind nicht aufgezeigt worden. Auch aus dem Ablehnungsantrag selbst und der dazu ergangenen dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richterin ergeben sich derartige Umstände nicht.



Ende der Entscheidung

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