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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: II B 91/05
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 90a Abs. 2
FGO § 90a Abs. 4
FGO § 105 Abs. 2 Nr. 5
FGO § 105 Abs. 5
FGO § 116 Nr. 6
FGO § 119 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Nach einer bei der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) durchgeführten Steuerfahndungsprüfung setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gegen diese durch (Hauptveranlagungs-)Bescheid vom 31. Juli 2002 Vermögensteuer für 1989 bis 1992 fest; hierbei sah das FA den Tatbestand der Steuerhinterziehung als erfüllt an und verneinte demgemäß eine Festsetzungsverjährung. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA durch Bescheid vom 5. Februar 2004 als unbegründet zurück. Bereits zuvor hatte das FA einen Antrag auf Aufhebung der Vollziehung abgelehnt und den hiergegen gerichteten Einspruch durch Bescheid vom 30. Januar 2003 als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht (FG) erließ am 28. Februar 2005 einen Gerichtsbescheid, in dessen Begründung es in vollem Umfang den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung folgte. Auf den daraufhin von der Klägerin gestellten Antrag nach § 90a Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wies das FG die Klage mit Urteil vom 28. April 2005 als unbegründet ab. Das FG sah gemäß § 90a Abs. 4 FGO von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, nahm "nochmals Bezug auf die Ausführungen des beklagten Finanzamtes in der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf vom 31. Januar 2003, denen es sich nochmals in vollem Umfang anschließt" und begründete ergänzend die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Hinterziehung der Vermögensteuer.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 FGO).

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt nach § 116 Nr. 6 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Das angefochtene Urteil ist teilweise nicht mit Gründen versehen, weil das FG in fehlerhafter Weise von den Begründungserleichterungen aus § 90a Abs. 4 und § 105 Abs. 5 FGO Gebrauch gemacht hat. Die Vorentscheidung leidet damit unter einem Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 6 FGO).

1. Gemäß § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO ist ein Urteil zu begründen.

a) Wird nach Erlass eines Gerichtsbescheids mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt (§ 90a Abs. 4 FGO). Ferner kann das Gericht im Urteil von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt (§ 105 Abs. 5 FGO).

b) Die Befugnis des FG, von den Begründungserleichterungen aus § 90a Abs. 4 bzw. § 105 Abs. 5 FGO Gebrauch zu machen, ist durch die Zwecke des Begründungszwangs begrenzt.

Die Begründung des Urteils dient der Unterrichtung der Verfahrensbeteiligten darüber, auf welchen Feststellungen und Überlegungen die richterliche Entscheidung beruht (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. April 2005 X B 123/04, BFH/NV 2005, 1594; vom 12. Mai 2005 IV B 146/04, BFH/NV 2005, 1825; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 105 Rz. 23). Ein Fehlen von Entscheidungsgründen i.S. des § 119 Nr. 6 FGO liegt daher vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit genommen ist, das Urteil in Bezug auf alle wesentlichen Streitpunkte auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen (BFH-Beschlüsse vom 29. August 2001 X B 36/01, BFH/NV 2002, 348; vom 15. April 2005 II B 21/04, BFH/NV 2005, 1357, jeweils m.w.N.). Das ist insbesondere der Fall, wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt, oder wenn nicht ersichtlich ist, auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 348, und vom 2. März 2004 III B 114/03, BFH/NV 2004, 1109).

2. Im Streitfall hat das FG von den Begründungserleichterungen aus § 90a Abs. 4 bzw. § 105 Abs. 5 FGO in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht, so dass die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

a) Die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils erfolgte Bezugnahme auf die Entscheidung über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf vom 31. Januar 2003 geht ins Leere, weil das FA eine Einspruchsentscheidung unter diesem Datum nicht erlassen hat. Tatsächlich unzutreffend ist ebenso die im Tatbestand der Vorentscheidung enthaltene Angabe, im Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2005 sei die Klage "maßgeblich unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 2003" abgewiesen worden. Vielmehr ist im Tatbestand des Gerichtsbescheids --zutreffend-- die Einspruchsentscheidung vom 5. Februar 2004 bezeichnet worden.

b) Der Klägerin ist aufgrund dieser unzutreffenden Bezeichnung der in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung die Möglichkeit genommen, das angefochtene Urteil in Bezug auf alle wesentlichen Streitpunkte auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

aa) Zwar erfordert die durch § 105 Abs. 5 FGO, der sinngemäß auch für Gerichtsbescheide gilt (Gräber/Koch, a.a.O., § 90a Rz. 8), zugelassene Bezugnahme auf die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf nicht zwingend, dass diese datumsmäßig bezeichnet wird. Sofern jedoch das FG für die in Bezug genommene Einspruchsentscheidung ein unzutreffendes Datum angibt, sind die Voraussetzungen des § 119 Nr. 6 FGO jedenfalls dann erfüllt, wenn ernsthaft die Möglichkeit in Betracht kommt, dass das FG die in Bezug genommene Einspruchsentscheidung mit einer anderweitigen --etwa zwischen den Verfahrensbeteiligten in einem Nebenverfahren ergangenen-- Einspruchsentscheidung verwechselt hat. Eine solche Verwechselungsmöglichkeit war im Streitfall deshalb gegeben, weil unter dem Datum des 30. Januar 2003 eine Einspruchsentscheidung des FA betreffend die Ablehnung der Aufhebung der Vollziehung der Vermögensteuerbescheide ergangen war.

bb) Der in der unzutreffenden Bezeichnung der Einspruchsentscheidung liegende Begründungsmangel ist nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil --wie das FA meint-- die "richtige" Einspruchsentscheidung ohne weiteres auszumachen sei. Es ist mit den an eine Urteilsbegründung zu stellenden Anforderungen nicht vereinbar, die Verfahrensbeteiligten auf Mutmaßungen über die vom FG in Wahrheit in Bezug genommene Einspruchsentscheidung zu verweisen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das finanzgerichtliche Urteil --wie im Streitfall-- über das Vorliegen eines Steuerstraftatbestands zu entscheiden hat. Insoweit kommt der Entscheidung des FG als einziger Tatsacheninstanz --auch im Hinblick auf die Begründungsanforderungen-- eine besondere Bedeutung zu (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 348).

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