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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.11.2001
Aktenzeichen: II B 93/00
Rechtsgebiete: VStG, FGO, AO 1977, StGB


Vorschriften:

VStG § 10 Nr. 1
FGO § 128 Abs. 3 Satz 1
AO 1977 § 370
StGB § 2 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) sind Eheleute mit drei Kindern. Sie besaßen zwei Häuser und zwei Eigentumswohnungen, darunter ein 1993 errichtetes Zweifamilienhaus und eine 1994 erworbene Eigentumswohnung. Einen Teil ihres Grundbesitzes haben sie mittlerweile auf ihre Kinder übertragen. Vermögensteuererklärungen sind von den Antragstellern nicht abgegeben worden.

Kontrollmaterial aus der Durchsuchung der X-Bank führte 1998 zur Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Antragsteller wegen Verdachts der Vermögensteuerhinterziehung für 1991 bis 1996 und zur Durchsuchung ihrer Wohnräume aufgrund richterlichen Beschlusses. Die Ermittlungen ergaben, dass die Antragsteller zwischen dem 9. Dezember 1992 und dem 11. Januar 1993 insgesamt 292 770 DM über die Bank Y nach Luxemburg transferiert hatten. Bei dieser Bank war die Antragstellerin damals als Bankangestellte tätig. Aus Anlass der Ermittlungen lösten die Antragsteller das Konto im Mai 1998 auf. Das Guthaben betrug zur Zeit der Auflösung rd. 6 000 DM.

Aufgrund der Ermittlungen nahm der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) am 8. bzw. 13. September 1999 Vermögensteuerhauptveranlagungen auf den 1. Januar 1989, 1993 und 1996 sowie Vermögensteuerneuveranlagungen auf den 1. Januar 1988 und 1991 vor. Durch die Bescheide auf den 1. Januar 1988 und 1996 wurde die Vermögensteuer auf 1 105 DM bzw. 720 DM festgesetzt. Der Bescheid auf den 1. Januar 1989 erfuhr durch die Einspruchsentscheidung vom 26. November 1999 eine Änderung dergestalt, dass die Steuer auf 1 215 DM heraufgesetzt wurde. Wegen fehlender Kenntnis über die Entstehung des um die Jahreswende 1992/93 nach Luxemburg transferierten Vermögens sowie über die nachfolgenden Kontostände bei der Luxemburger Bank hat das FA das angesetzte Vermögen jeweils wie folgt geschätzt:

 1. Januar 1988120 000 DM
1. Januar 1989120 000 DM
1. Januar 1991180 000 DM
1. Januar 1993209 000 DM
1. Januar 1996350 000 DM

Gegen die Vermögensteuerbescheide haben die Antragsteller nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Zur Begründung der Klage haben sie u.a. ein Verwertungsverbot sowie die Verfassungswidrigkeit des Vermögensteuergesetzes (VStG) geltend gemacht und vorgetragen, das nach Luxemburg transferierte Vermögen sei alsbald wieder abgezogen worden, um es für das 1993 errichtete Zweifamilienhaus und die 1994 erworbene Eigentumswohnung einzusetzen.

Nachdem das FA eine Aussetzung der Vollziehung der Vermögensteuerbescheide abgelehnt hatte, gab das Finanzgericht (FG) einem derartigen Antrag teilweise statt. Die Vollziehung der Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1988 und 1989 setzte es vollen Umfangs wegen der seiner Ansicht nach bereits eingetretenen Festsetzungsverjährung aus. Die normalerweise vierjährige oder allenfalls wegen leichtfertiger Steuerverkürzung auf fünf Jahre verlängerte Festsetzungsfrist sei bei Beginn der Ermittlungen gegen die Antragsteller im Jahre 1998 bereits abgelaufen gewesen. Eine Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre wegen vorsätzlicher Steuerverkürzung scheide aus. Bezüglich des Bescheides auf den 1. Januar 1988 gelte dies bereits deshalb, weil auf diesen Zeitpunkt ohne besondere Aufforderung keine Vermögensteuererklärung abzugeben gewesen sei. Bezüglich des Bescheides auf den 1. Januar 1989 folge dies daraus, dass eine Vermögensteuerhinterziehung wegen der Verfassungswidrigkeit des VStG strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden dürfe. Die Frage eines Tatbestandsirrtums der Antragsteller könne auf sich beruhen.

Die Vollziehung des Vermögensteuerbescheides auf den 1. Januar 1991 sei nur in Höhe eines geringen Teilbetrages auszusetzen. Die Vollziehung des Vermögensteuerbescheides auf den 1. Januar 1996 sei vollen Umfangs auszusetzen, weil Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit der Schätzung des zu diesem Stichtag noch in Luxemburg angelegten Vermögens bestünden. Obwohl die Antragsteller in den Jahren 1993 und 1994 eine Vermögensumschichtung von Kapital- zum niedriger bewerteten Grundvermögen vorgenommen hätten, soll sich ihr Gesamtvermögen nach der Schätzung des FA lediglich um 150 000 DM verringert haben. Dies sei unwahrscheinlich. Näher liegend sei eine dadurch bedingte Minderung des Gesamtvermögens um weitere 150 000 DM. Setze man diese an, falle keine Vermögensteuer mehr an. Dies führe zu einem Wegfall der Vermögensteuerpflicht.

Der weitere bzw. weiter gehende Aussetzungsantrag bezüglich der Stichtage 1. Januar 1993 und 1991 seien abzulehnen; ein Verwertungsverbot sei nicht gegeben. Außerdem führte das FG aus, es weiche "mit seiner zum Bescheid auf den 1. Januar 1989 vertretenen Rechtsauffassung von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Mai 2000 II R 25/99 (BFHE 191, 240, BStBl II 2000, 378) ab", wonach die Hinterziehung vor 1997 entstandener Vermögensteuern nach wie vor strafrechtlich verfolgt werden könne. Damit sei die Beschwerde zuzulassen.

Mit der Beschwerde greift das FA die Aussetzung der Vollziehung der Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1988, 1989 und 1996 an. Bezüglich der Bescheide auf den 1. Januar 1988 und 1989 wendet es sich gegen die Annahme, die Festsetzungsfrist sei bei ihrem Ergehen bereits abgelaufen gewesen. Die Festsetzungsfrist habe zehn Jahre betragen, weil die Vermögensteuer 1988 und 1989 hinterzogen worden sei. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655), wonach § 10 Nr. 1 VStG mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar sei, stehe der Strafbarkeit dieser Steuerhinterziehung nicht entgegen. Das Verschweigen der Einkünfte aus der Vermögensanlage in Luxemburg habe bewirkt, dass das FA eine Vermögensteuererklärung auf den 1. Januar 1988 nicht angefordert habe. Bezüglich des Bescheides auf den 1. Januar 1996 seien die Zweifel des FG an der Rechtmäßigkeit der Schätzung der Höhe des zu diesem Stichtag noch in Luxemburg angelegten Vermögens unbegründet. Die Antragsteller hätten weder die Finanzierung der in den Jahren 1993 und 1994 errichteten bzw. erworbenen Immobilien nachgewiesen noch die Kontostände in Luxemburg.

Das FA beantragt, unter teilweiser Aufhebung des Beschlusses des FG vom 3. Juli 2000 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1988, 1989 und 1996 zurückzuweisen.

Die Antragsteller sind der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie die Aussetzung der Vollziehung der Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1988 und 1996 betrifft; im Übrigen ist sie begründet.

1. Bezüglich der Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1988 und 1996 ist die Beschwerde unstatthaft. Insoweit fehlt es nämlich an der erforderlichen Zulassung durch das FG. Gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht den Beteiligten gegen eine Entscheidung des FG über die Aussetzung der Vollziehung die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Hat das FG mit einem einzigen Beschluss über die Aussetzung der Vollziehung mehrerer Steuerbescheide entschieden, kann es die Zulassung der Beschwerde dahin beschränken, dass sie nur bezüglich einzelner näher genannter Steuerbescheide gelten soll. Bezieht sich der Zulassungsgrund nur auf einzelne Steuerbescheide, ist eine derartige Beschränkung sogar von Gesetzes wegen geboten. Die Beschränkung muss dabei nicht bereits im Tenor enthalten sein, sondern kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben (vgl. Beschlüsse des BFH vom 13. Dezember 1989 X R 83/88, BFH/NV 1990, 548, 550, unter I.; vom 4. Oktober 1994 I B 56/94, BFH/NV 1995, 687, sowie vom 15. November 1997 IX B 73/97, BFH/NV 1998, 607). Im Streitfall hat das FG in den Gründen seiner Entscheidung eine derartige Beschränkung der Zulassung der Beschwerde vorgenommen, indem es ausdrücklich angegeben hat, dass der Zulassungsgrund einer Abweichung von dem genannten Urteil des BFH in BFHE 191, 240, BStBl II 2000, 378 ausschließlich den Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1989 betrifft. Damit hat es die Beschwerde für das FA erkennbar nur bezüglich der Aussetzung der Vollziehung des Vermögensteuerbescheides auf den 1. Januar 1989 zugelassen.

2. Hinsichtlich des Vermögensteuerbescheides auf den 1. Januar 1989 hat die Beschwerde dagegen Erfolg. Die Zweifel des FG daran, ob Vermögensteuerhinterziehungen nach wie vor strafrechtlich verfolgt werden können, sind unbegründet. Wie der Senat mit dem zitierten Urteil in BFHE 191, 240, BStBl II 2000, 378 entschieden hat, ist die strafrechtliche Verfolgung derartiger Zuwiderhandlungen nach wie vor möglich. Der Beschluss des BVerfG in BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655 steht dem nicht entgegen. Zwar hat das BVerfG in dem Beschluss die Tarifvorschrift des § 10 Nr. 1 VStG in allen seit 1983 gültig gewesenen Fassungen für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt; es hat aber zugleich die weitere Anwendbarkeit des bisherigen Vermögensteuerrechts auf alle bis zum 31. Dezember 1996 verwirklichten Tatbestände angeordnet. Diese Anordnung ist nicht auf das Steuerfestsetzungsverfahren beschränkt, sondern erfasst die Vorschriften des bisherigen Vermögensteuerrechts auch in ihrer Eigenschaft als Ausfüllungsnormen des § 370 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 des Strafgesetzbuchs (StGB) hindert eine Strafbarkeit wegen Vermögensteuerhinterziehung nicht, weil der Umstand, dass das VStG ab dem 1. Januar 1997 nicht mehr anwendbar ist, die Gesetzeslage bezüglich früherer Zeiträume/Stichtage nicht verändert hat. Die gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde 1 BvR 1242/00 ist vom BVerfG durch Beschluss vom 10. Mai 2001 nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Im Rahmen eines Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung, in dem lediglich aufgrund summarischer Prüfung zu entscheiden ist, bestehen nach Aktenlage auch keine ernstlichen Zweifel am Hinterziehungsvorsatz der Antragsteller. Dass Kapitalvermögen in Luxemburg angelegt war, steht fest. Die Antragstellerin war Bankangestellte. Der Sachvortrag, wonach der Antragsteller trotz des Berufs der Antragstellerin allein und ohne Kenntnis oder unbeeinflusst von seiner fachkundigen Ehefrau die Vermögensanlage in Luxemburg betrieben haben will, ist jedenfalls bei summarischer Prüfung nicht ausreichend glaubhaft. Gewichtige Gründe, die gegen das Vorliegen auch eines Hinterziehungsvorsatzes bezüglich der Vermögensteuer sprechen könnten, sind bislang nicht zu erkennen.

Soweit die Antragsteller ein Verwertungsverbot geltend machen, fehlt es an einem ausreichend substantiierten Sachvortrag, um bei summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vermögensteuerbescheides auf den 1. Januar 1989 zu begründen.

Ende der Entscheidung

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