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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.10.2009
Aktenzeichen: II B 95/09
Rechtsgebiete: AO, BewG, FGO


Vorschriften:

AO § 171 Abs. 10
AO § 182 Abs. 1 S. 1
BewG § 138 Abs. 5 S. 1
FGO § 74
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) ist Nacherbin ihrer verstorbenen Großeltern HS und BS. Der Nacherbfall ist jeweils durch das Ableben des RS, des Onkels der Klägerin, am 10. Dezember 2006 eingetreten.

HS war zunächst von BS als Vorerbin, mit deren Ableben von seinen Kindern RS und der Mutter der Klägerin, US, zu je 1/2 und mit dem Ableben seines Sohnes RS hinsichtlich dessen hälftigen Erbanteils von der Klägerin zu 2/3 und von CS zu 1/3 beerbt worden.

Erben der BS waren mit ihrem Ableben ihre Kinder RS und US zu je 1/2 und mit dem Ableben ihres Sohnes RS die Klägerin zu 2/6 und CS zu 1/6.

Zum Nachlass gehörten das Grundstück A und eine Eigentumswohnung B.

Das Finanzamt stellte die Grundbesitzwerte jeweils auf den 10. Dezember 2006 fest, und zwar für das Grundstück A mit Bescheid vom 24. Juni 2008 in Höhe von 178.000 EUR und für die Eigentumswohnung B mit Bescheid vom 26. Juni 2008 in Höhe von 27.000 EUR. Beide Bescheide waren an die "Erbengemeinschaft X" gerichtet.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) setzte gegenüber der Klägerin für ihren Erwerb von Todes wegen nach RS mit Bescheid vom 30. Juli 2008 Erbschaftsteuer in Höhe von 8.844 EUR fest.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens machte die Klägerin geltend, dass ihr die Bescheide über die Feststellung der Grundstückswerte nicht bekannt gegeben worden seien. Das Finanzamt erließ am 28. November 2008 erneut Bescheide mit dem gleichen Inhalt wie die vorhergehenden Bescheide. Der Einspruch gegen den Erbschaftsteuerbescheid blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hob den angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf. Die Feststellungsbescheide des Finanzamts seien nichtig, weil die festgestellten Grundbesitzwerte der Erbengemeinschaft insgesamt zugerechnet worden seien und die Klägerin damit nicht Inhaltsadressat dieser Bescheide sei.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht das FA einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend. Das FG hätte unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung das Verfahren nach § 74 FGO aussetzen müssen, um der für die Feststellung zuständigen Finanzbehörde die Gelegenheit zu geben, wirksame Bescheide zu erlassen. Das Ermessen des FG sei insoweit auf Null reduziert gewesen, weil sämtliche dem angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid zugrundeliegenden Besteuerungsgrundlagen festzustellen gewesen seien.

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO). Der geltend gemachte Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt vor. Das FG hat gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen, weil es das Klageverfahren wegen Erbschaftsteuer nicht ausgesetzt und den Finanzbehörden damit keine Gelegenheit gegeben hat, gegenüber der Klägerin wirksame Bescheide über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte auf den 10. Dezember 2006 für Zwecke der Erbschaftsteuer zu erlassen.

1.

Gemäß § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

Eine Aussetzung des Verfahrens ist regelmäßig geboten, wenn im Verfahren gegen einen Folgebescheid Besteuerungsgrundlagen streitig sind, deren abschließende Prüfung dem Verfahren über einen Grundlagenbescheid vorbehalten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. Juli 1999 VIII R 12/98, BFHE 189, 148, BStBl II 1999, 731, m.w.N.). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Grundlagenbescheid bereits ergangen und angefochten ist, oder ob ein solcher erst noch ergehen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 16. April 1993 I B 173/92, BFH/NV 1993, 745, m.w.N.). Daraus folgt, dass das Verfahren in Sachen Folgebescheid auch dann auszusetzen ist, wenn zwar ein Grundlagenbescheid ergangen, gegenüber dem Kläger aber mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe nicht wirksam geworden ist (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995 I R 131/94, BFH/NV 1996, 592).

2.

Der Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwertes ist Grundlagenbescheid für die Festsetzung der Erbschaftsteuer. Die Grundbesitzwerte sind nach § 138 Abs. 5 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (in der für Besteuerungszeitpunkte vor dem 1. Januar 2007 geltenden Fassung) gesondert festzustellen, wenn sie für die Erbschaftsteuer erforderlich sind. Bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer ist Grundbesitz mit diesem auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer festgestellten Wert anzusetzen (vgl. § 12 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes). Die Feststellung des Grundbesitzwertes ist für die Festsetzung der Erbschaftsteuer bindend (§ 182 Abs. 1 Satz 1, § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung).

3.

Der Senat hält es für angebracht, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Damit erhält das FG die Gelegenheit, das Verfahren nach § 74 FGO auszusetzen, und das FA die Möglichkeit, beim zuständigen Finanzamt den Erlass wirksamer Feststellungsbescheide anzufordern.



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