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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.07.1998
Aktenzeichen: II B 96/97
Rechtsgebiete: AO 1977, GrEStG, GmbHG, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 163 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 § 163
AO 1977 § 42
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 2
GmbHG § 34
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der N-GmbH (GmbH). Alleingesellschafterin der GmbH war bis Dezember 1994 die N-Corporation (Corp.) mit Sitz in den USA. Die GmbH hatte Grundbesitz. Durch Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 4. Dezember 1984 wurde das Stammkapital der GmbH um 20 000 DM auf 8 300 000 DM erhöht und der Kläger zur Übernahme der neuen Gesellschaftsanteile zugelassen. Zugleich wurde die Satzung der GmbH durch Anfügung des § 12 "Einziehung" wie folgt geändert:

"Die Gesellschafterversammlung kann durch Beschluß der Mehrheit der abgegebenen Stimmen einen Geschäftsanteil einziehen, wenn der betroffene Gesellschafter zustimmt.

..."

Am 21. Dezember 1984 beschloß die Gesellschafterversammlung, daß die Geschäftsanteile der Corp. an der GmbH eingezogen werden. Die Corp. stimmte der Einziehung zu. Ein Entgelt war nicht zu zahlen. Der Kläger erklärte daraufhin, daß die Einziehung der Geschäftsanteile der Corp. in Höhe von 8 280 000 DM durchgeführt werde. In einer weiteren Gesellschafterversammlung vom 14. Oktober 1985 beschloß der Kläger als nunmehriger alleiniger Gesellschafter der GmbH, daß der Nennbetrag seines Geschäftsanteils von 20 000 DM an der GmbH um 8 280 000 DM auf 8 300 000 DM erhöht wird.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gegen den Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM sowie einen Verspätungszuschlag in Höhe von ... DM fest. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger gegen die Bescheide Klage, die er inzwischen zurückgenommen hat.

Der Kläger begehrte mit Schreiben vom 18. Juli 1995, die Grunderwerbsteuer gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) aus Billigkeitsgründen auf 0 DM herabzusetzen. Er begründete den Antrag damit, er habe schutzwürdig auf das Fortbestehen der Verwaltungspraxis entsprechend einem koordinierten Ländererlaß aus dem Jahre 1984 (für Hessen: Erlaß vom 18. Juni 1984 S 4501 - 21 - 323, vgl. Der Betrieb --DB-- 1984, 1439) vertraut. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe erst durch Urteil vom 10. August 1988 II R 193/85 (BStBl II 1988, 959) entschieden, daß eine grunderwerbsteuerpflichtige Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) auch dann eintrete, wenn Anteile durch Einziehung untergingen und die verbleibenden Anteile sich dadurch in einer Hand befänden. Die Verwaltung habe daraufhin mit koordiniertem Ländererlaß bestimmt (für Hessen: Erlaß vom 13. März 1989 S 4501 A - 1 - II A 41, vgl. DB 1989, 301), daß aus Gründen des Vertrauensschutzes in Fällen, in denen die Einziehung der Anteile bis zum 31. Dezember 1988 erfolgte, noch nach dem Erlaß von 1984 zu verfahren sei. In dem Erlaß von 1984 heißt es u.a.:

"Die Einziehung von GmbH-Anteilen ... gemäß § 34 GmbHG ... hat den Untergang dieser Anteile zur Folge. In einem solchen Fall wird deshalb durch die Einziehung der Anteile eine Anteilsvereinigung auch dann nicht herbeigeführt, wenn alle verbleibenden Kapitalanteile nur noch einem der bisherigen Mitgesellschafter gehören. ... In Fällen der Einziehung von restlichen Fremdanteilen kann sich jedoch unter dem Gesichtspunkt des Mißbrauchs von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts Steuerpflicht aus § 42 AO ergeben. ..."

Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom August 1995 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos. Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Durch den koordinierten Ländererlaß von 1989 sei eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten. Es komme deshalb nur darauf an, ob die Voraussetzungen des Ausgangserlasses vorlägen. Dies sei der Fall. Insbesondere lägen die Voraussetzungen des § 42 AO 1977 nicht vor, da die gewählte Gestaltung nicht unangemessen sei. Zwar sei die Einziehung gewählt worden, um amerikanische Steuer zu sparen. Dies sei jedoch als vernünftiger wirtschaftlicher Grund anzuerkennen, auch wenn dadurch --zugleich-- eine deutsche Steuer gespart werde.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Ermessensausübung des FA in Gestalt der ablehnenden Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion lasse keinen Ermessensfehlgebrauch erkennen. Die Steuerfestsetzung sei nicht sachlich unbillig i.S. von § 163 AO 1977. Die Anwendung des Übergangserlasses, auf den sich der Kläger berufe, setze voraus, daß der zu beurteilende Erwerbsvorgang nach der dem Ausgangserlaß zugrundeliegenden Rechtsauffassung keine Steuerpflicht ausgelöst habe. Dies sei jedoch nicht der Fall, da der Ausgangserlaß auf die Möglichkeit einer Steuerpflicht nach § 42 AO 1977 hingewiesen habe und die Voraussetzungen dieser Vorschrift wegen des unmittelbar vor der Einziehung erfolgten Anteilserwerbs des Klägers vorlägen.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger Divergenz, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Urteil des FG weicht nicht ab i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von den Entscheidungen des BFH vom 5. Februar 1992 I R 127/90 (BFHE 166, 356, BStBl II 1992, 532) und vom 5. März 1986 I R 201/82 (BFHE 146, 158, BStBl II 1986, 496). Es enthält keinen allgemeinen Rechtssatz, der zu einem Rechtssatz in diesen Entscheidungen in Widerspruch steht. Entgegen der Auffassung der Beschwerde beruht die Vorentscheidung nicht auf dem Rechtssatz, der Tatbestand des § 42 AO 1977 erfordere keine Steuerumgehungsabsicht.

Das FG hat seine Entscheidung im wesentlichen darauf gestützt, daß nach dem geplanten Ablauf von Satzungsänderung, Übernahme der neuen Stammanteile durch den Kläger und Einziehung der Anteile der bisherigen Alleingesellschafterin der GmbH, der Corp., von vorneherein eine Übertragung aller Anteile an der GmbH und damit des Grundstücks der GmbH auf den Kläger bezweckt worden sei; der bisherige Alleingesellschafter der GmbH (Corp.) sollte seine Stellung als Gesellschafter der GmbH aufgeben, der Kläger sollte Alleingesellschafter der GmbH werden. Angemessener Weg zur Erreichung dieses Ziels wäre die Übertragung aller Anteile an der GmbH von der Corp. auf den Kläger gewesen. Dieser Vorgang hätte nach § 1 Abs. 3 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterlegen. Der tatsächlich gewählte Weg (über die Einziehung der Gesellschaftsanteile) habe rechtlich und wirtschaftlich zu demselben Ergebnis geführt. Zur Erreichung dieser Zielsetzung sei dies jedoch nicht der angemessene Weg gewesen. Der unangemessene Weg habe --nach damaligem Erkenntnisstand-- keine Grunderwerbsteuer ausgelöst. Diese nach damaliger Rechtsauffassung unterschiedlichen grunderwerbsteuerrechtlichen Folgen seien dem Kläger bereits vor Durchführung der verschiedenen Teilakte bewußt gewesen. Die Verknüpfung der Anteilseinziehung mit dem unmittelbar zuvor erfolgten Eintritt des dann noch verbleibenden alleinigen Gesellschafters stelle daher einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts "i.S. des § 42 AO dar". Denn eine mißbräuchliche Rechtsgestaltung zur Steuerumgehung i.S. dieser Vorschrift liege vor, wenn die Parteien unter Ausnutzung einer zivilrechtlichen Wahlmöglichkeit den vom Steuergesetz erfaßten --"angemessenen"-- Weg vermeiden und statt dessen einen Weg beschreiten, der zwar nach der Wertung des Steuergesetzgebers ebenfalls besteuerungswürdig ist, aber als solcher keinen Steuertatbestand erfüllt.

Das FG geht mithin davon aus, daß nach dem von ihm festgestellten Sachverhalt der Kläger die gewählte Sachverhaltsgestaltung in Ausnutzung der nach dem Zivilrecht bestehenden Gestaltungsmöglichkeit bewußt getroffen hat, um den mit Grunderwerbsteuer belegten Weg zu vermeiden. Damit aber ist das FG von der Notwendigkeit und dem Vorliegen einer Steuerumgehungsabsicht ausgegangen. Insofern besteht allenfalls ein verbaler Unterschied zwischen der Rechtsauffassung des FG und den vom Kläger herangezogenen BFH-Entscheidungen. Eine inhaltliche Abweichung, die allein eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht jedoch nicht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Formulierung des FG, bei dieser Sachlage müsse eine "besondere Umgehungsabsicht" nicht festgestellt werden, denn im Zusammenhang mit dieser --nicht näher begründeten-- Aussage befaßt sich das FG lediglich mit den Einwendungen des Klägers zur Rechtfertigung der Gestaltung.

Aus den dargestellten Erwägungen ist die Nichtzulassungsbeschwerde auch insoweit unbegründet, als diese auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage gestützt wird, ob § 42 AO 1977 eine Umgehungsabsicht voraussetzt. Die Entscheidung des FG geht --wie bereits dargelegt-- davon aus, daß dies der Fall ist.

Im übrigen ergeht die Entscheidung ohne Begründung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs.

Ende der Entscheidung

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