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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.11.2009
Aktenzeichen: II R 11/08
Rechtsgebiete: BGB, GrEStG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 313
GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 2
1. Wird in einem Grundstückskaufvertrag ein vom nachträglichen Eintritt bestimmter Ereignisse abhängiges Rücktrittsrecht vereinbart, unterfällt die Ausübung dieses Rechts bei vollständiger Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs dem § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG und unterliegt daher nicht der Zweijahresfrist der Nr. 1 der Vorschrift.

2. Ist ein solches Rücktrittsrecht befristet vereinbart, bleibt es trotz ggf. mehrfach noch innerhalb der laufenden Frist erfolgter Verlängerung bestehen, wenn jeweils wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein Anspruch auf Vertragsanpassung in Gestalt einer Fristverlängerung bestand.

3. Ist die vereinbarte Frist für die Ausübung eines derartigen Rücktrittsrechts erst einmal verstrichen, stellt eine dennoch vereinbarte "Fristverlängerung" die Begründung eines neuen Rücktrittsrechts dar. Ihm kommt nur Bedeutung zu, wenn sowohl die Neubegründung als auch die Ausübung dieses Rechts noch innerhalb der Zweijahresfrist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfolgt.


Gründe:

I.

Am 29. September 1999 schloss die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Wohnungsbaugesellschaft, mit der Liegenschaftsverwaltung eines größeren Unternehmens einen notariell beurkundeten Vertrag über den Kauf einer noch zu vermessenden Teilfläche eines unerschlossenen Grundstücks zum Preis von 466.260 DM, um darauf Wohnhäuser zu errichten. Die Erschließung der Teilfläche sollte über die Restfläche erfolgen. Die Klägerin sollte mit der Stadt einen Erschließungsvertrag über die Gesamtfläche schließen, in den die Verkäuferin oder deren etwaiger Rechtsnachfolger eintreten sollte. Sollten das Erschließungsvorhaben sowie das Bauvorhaben der Klägerin --letzteres an einem negativen Vorbescheid der Genehmigungsbehörde-- scheitern, stand der Klägerin ein bis zum 28. Februar 2000 auszuübendes Rücktrittsrecht zu. Bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages war die Verkäuferin vollmachtlos vertreten. Sie genehmigte die Erklärungen des Vertreters am 27. Oktober 1999.

Mit Bescheid vom 7. Januar 2000 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin --wegen der Vermessungskosten vorläufig-- auf 16.319 DM fest. Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2004 beantragte die Klägerin die Aufhebung des Bescheids. Die Erschließung und das Bauvorhaben waren gescheitert und deshalb der Kaufvertrag nicht vollzogen worden. Eine zugunsten der Klägerin bereits eingetragene Auflassungsvormerkung wurde wieder gelöscht. Die Löschungsbewilligung datiert vom 1. September 2003. In der Zwischenzeit war die Frist für die Ausübung des Rücktrittsrechts mehrfach Gegenstand weiterer notarieller Urkunden, mit denen sie hinausgeschoben wurde. Dazu liegen vor:

a)

Urkunde vom 28. Februar 2000 - Fristverlängerung bis 31. Dezember 2000

b)

Urkunde vom 20. Dezember 2000 - Fristverlängerung bis 30. September 2001

c)

Urkunde vom 27. September 2002 - Fristverlängerung bis 15. September 2003

In der Urkunde vom 28. Februar 2000 wurde darüber hinaus die Fälligkeit des Kaufpreises von der Erteilung auch der Baugenehmigung abhängig gemacht.

Bei Beurkundung dieser Fristverlängerungen war die Verkäuferin jeweils vollmachtlos vertreten. Eine Genehmigung liegt nur bezüglich der zweiten und dritten Urkunde vor. Ob die Klägerin vom Vertrag zurückgetreten oder der Vertrag aufgehoben worden ist, ist nicht festgestellt. Der Vortrag der Klägerin ist insoweit schwankend. Allerdings steht fest, dass die Vertragsparteien das Vertragsverhältnis noch vor Ablauf der letzten Frist für beendet gehalten haben.

Mit Verfügung vom 30. März 2004 lehnte das FA die Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung ab, da der Antrag nicht innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt worden sei. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Außerdem beantragte sie, die Grunderwerbsteuer gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) "anderweitig auf 0 DM herabzusetzen", hilfsweise gemäß § 227 AO "aus sachlichen Gründen zu erlassen". Beides lehnte das FA ab, und zwar durch Verfügungen vom 22. bzw. 30. Juni 2004. Auch gegen diese Ablehnungsverfügungen legte die Klägerin Einspruch ein. Das FA wies die drei Einsprüche mit einer gemeinsamen Entscheidung vom 13. Juni 2005 zurück.

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte einen Aufhebungsanspruch sowohl nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) als auch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sei nicht einschlägig, weil die darin vorgeschriebene Zwei-Jahres-Frist nicht eingehalten sei. § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sei nicht anwendbar, da es an einem zivilrechtlichen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gefehlt habe. Ein solcher Anspruch hätte sich im Streitfall nur aufgrund Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben können. Die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts lägen jedoch nicht vor. Das von den Vertragsparteien gesehene Risiko, die Bebaubarkeit des Grundstücks nicht zu erreichen, sei bereits durch das Rücktrittsrecht und die erste Verlängerung der für dessen Ausübung gesetzten Frist vom 28. Februar 2000 sachgerecht geregelt gewesen. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO greife nicht ein, weil der Kaufvertrag nicht nachträglich --etwa durch Anfechtung-- unwirksam geworden sei. Die Verweigerung der beantragten Billigkeitsmaßnahme nach § 163 und § 227 AO sei nicht zu beanstanden. Ermessensfehler lägen insoweit nicht vor. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 877 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sowie der §§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 163 und 227 AO. Maßgeblich für die Erhebung von Grunderwerbsteuer als einer Verkehrsteuer sei ein Rechtsträgerwechsel und zu solch einem Wechsel sei es im Streitfall nicht gekommen. Wenn dem nicht mithilfe der §§ 16 GrEStG und 175 AO Rechnung getragen werden könne, müsste auf der Grundlage der §§ 163 und 227 AO für Abhilfe gesorgt werden.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Ablehnungsverfügung vom 30. März 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 das FA zu verpflichten, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 7. Januar 2000 aufzuheben, hilfsweise, die Ablehnungsverfügungen vom 22. und 30. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Grunderwerbsteuer zu erlassen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zu Recht eine Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs sowohl gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als auch gemäß Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift verneint. Es hat auch zutreffend eine Aufhebung des Steuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 AO sowie den Hilfsantrag bezüglich der Billigkeitsmaßnahmen abgelehnt.

1.

Im Gegensatz zu § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, der eine Rückgängigmachung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer erfordert, sieht die Nr. 2 der Vorschrift keine zeitliche Begrenzung für die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs vor. Dieser Unterschied beider Tatbestände ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteil vom 8. Juni 1988 II R 90/86, BFH/NV 1989, 728, 729) --soweit die Rückgängigmachung auf der Ausübung eines Rücktrittsrechts beruht-- darin begründet, dass sich die Nr. 1 auf Fälle bezieht, in denen das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft aufgrund eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts aufgehoben wird, während die Nr. 2 einen Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung derart verlangt, dass dieser einseitig und gegen den Willen des anderen am Grundstücksgeschäft Beteiligten durchsetzbar ist und die Rückgängigmachung auf der Ausübung dieses Rechts beruht.

Allerdings erfolgt auch bei Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts im Sinne der Nr. 1 die Rückgängigmachung als solche einseitig und unter Umständen gegen den Willen des Vertragspartners. Daher wird in der Literatur (Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl. 2007, § 16 Rz 36) zu Recht der eigentliche Unterschied darin gesehen, dass bei § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG an eine Rückgängigmachung gedacht ist, die jederzeit durch Ausübung eines vorbehaltenen und an keine weiteren Voraussetzungen gebundenen Rücktrittsrechts herbeigeführt werden kann, während bei der Nr. 2 der Vorschrift die Möglichkeit zum Rücktritt erst aufgrund nachträglich eingetretener Umstände entsteht.

Jedoch lässt sich ein vom nachträglichen Eintritt bestimmter Ereignisse abhängiges Rücktrittsrecht auch vertraglich vereinbaren. Geschieht dies, unterfällt die Ausübung des Rücktrittsrechts bei vollständiger Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs dem § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, obwohl die Umstände, von deren Eintreten das Recht zum Rücktritt abhing, vertraglich ausbedungen waren (vgl. Sack in Boruttau, a.a.O.; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2005, § 16 Rz 13). Als derartige Umstände kommt all das in Betracht, was in § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG unter dem Begriff der Vertragsbedingungen zusammengefasst ist.

2.

Hätten die Vertragsparteien im Streitfall die Befristung des der Klägerin in § 12 des Kaufvertrages eingeräumten Rücktrittsrechts unterlassen oder von Anfang an etwa auf fünf Jahre erstreckt, handelte es sich um ein vorbehaltenes Recht mit der oben beschriebenen Besonderheit, vom nachträglichen Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Ereignisse --nämlich der Ablehnung einer Erschließung oder Bebauung des Grundstücks durch die Kommune und damit vom Nichteintritt der Bebaubarkeit-- abhängig zu sein, und stünde der Klägerin ein Aufhebungsanspruch aus § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zu. Die vertraglich vorgesehenen Umstände für einen Rücktritt wären nachträglich eingetreten. Wäre der Kaufvertrag vom September 1999 aus diesem Grunde einvernehmlich aufgelöst worden, hinderte dies die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG nicht (BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 728).

3.

Tatsächlich war aber das vorbehaltene Rücktrittsrecht ursprünglich lediglich bis zum 28. Februar 2000 befristet. Läge jedoch eine bis zur vollständigen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs reichende lückenlose Kette von jeweils noch innerhalb der laufenden Frist vereinbarten Fristverlängerungen vor, bliebe § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG anwendbar, wenn der Klägerin jeweils ein Anspruch auf Fristverlängerung zugestanden hätte. Solche Ansprüche kommen unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. Das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann nämlich nicht nur zur Entstehung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen "Nichterfüllens einer Vertragsbedingung" i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG führen, sondern im Zuge einer vorrangigen Vertragsanpassung auch zur bloßen Verlängerung der vereinbarten Frist für die Ausübung eines vorbehaltenen (und damit bereits begründeten), aber noch von nicht beeinflussbaren Umständen abhängigen Rücktrittsrechts.

4.

Bei lückenloser rechtzeitiger Fristverlängerung hätte der Klägerin zwar unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage jeweils ein Anspruch auf Anpassung des Kaufvertrages vom September 1999 durch (mehrfache) Verlängerung der Frist für die Ausübung des vereinbarten Rücktrittsrechts zustehen können; eine derartige lückenlose Kette rechtzeitiger Fristverlängerungen ist im Streitfall aber nicht vorhanden.

a)

Der Kaufvertrag vom September 1999 unterfällt noch dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in der Fassung vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes. Daher gilt noch nicht § 313 BGB n.F., sondern ausschließlich § 242 BGB, wonach der Schuldner verpflichtet ist, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. In der Sache macht dies keinen Unterschied (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 67. Aufl. 2008, § 313 Rz 1). Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage liegt u.a. --wie nunmehr in § 313 Abs. 2 BGB n.F. ausdrücklich geregelt-- vor, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen.

b)

Die Vertragsparteien hatten nach den Feststellungen des FG im September 1999 die Vorstellung, bis Ende Februar 2000 werde geklärt sein, dass die erworbene Teilfläche erschlossen und bebaut werden könne. Die dahingehenden Feststellungen des FG sind nicht angegriffen worden; sie enthalten auch keine gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßende Schlussfolgerung (vgl. dazu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, § 118 Rz 54). Diese gemeinsame Erwartung, die für den Geschäftswillen der Vertragsparteien wesentlich war, hat sich nicht erfüllt. Der damit verbundene Wegfall der Geschäftsgrundlage führte jedoch nicht zur Auflösung des Kaufvertrages, sondern lediglich zu einem Anspruch der Klägerin auf Vertragsanpassung im Sinne eines an der Zumutbarkeit ausgerichteten optimalen Interessenausgleichs. Darin lag unter Wahrung der Interessen beider Seiten der geringstmögliche Eingriff in das Vertragsverhältnis. Dem Interesse der Verkäuferin, am Vertrag so lange festzuhalten, wie der Klägerin zumutbar, war damit ebenso Rechnung getragen wie dem Interesse der Klägerin, an dem Vertrag zunächst festhalten zu können, ihn aber bei Scheitern des Erschließungs- und Bauvorhabens nicht auf jeden Fall erfüllen zu müssen.

c)

Von einer derartigen Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage lässt sich aber nur dann sprechen, wenn die Fristverlängerung rechtzeitig vor Ablauf der jeweils zu verlängernden Frist vorgenommen worden ist. Ist die ursprünglich vereinbarte Frist für die Ausübung des vorbehaltenen Rücktrittsrechts jedoch einmal verstrichen, ohne vorher einvernehmlich verlängert worden zu sein, hätte die Klägerin das Recht zum Rücktritt endgültig verloren gehabt und stellte die Wiedereinräumung eines Rücktrittsrechts ein Entgegenkommen der Verkäuferin dar, auf das diese sich auch unter dem Gesichtspunkt der Vertragsanpassung nicht hätte einzulassen brauchen.

d)

Ein derartiges (neues) Rücktrittsrecht könnte nur dann Grundlage einer Rückgängigmachung i.S. des § 16 Abs. 1 GrEStG sein, wenn es noch innerhalb von zwei Jahren seit Entstehung der Steuer vereinbart und ausgeübt worden wäre. Denn ungeachtet dessen, dass es wiederum erst bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses ausgeübt werden dürfte, käme hierbei dem Umstand der rechtsgeschäftlichen Begründung des Rücktrittsrechts die entscheidende Bedeutung zu. Als vereinbartes Rücktrittsrecht wäre es dem § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und nicht etwa gemäß den Ausführungen oben zu II. 1. dem Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift zuzuordnen. Wenn nämlich die Aufhebung des steuerpflichtigen Grundstücksgeschäfts nur innerhalb von zwei Jahren seit Steuerentstehung beachtlich ist, dann muss für die nachträgliche Vereinbarung eines (neuen) Rücktrittsrechts, das im Falle seiner Ausübung letztlich ebenfalls zur Beendigung des Grundstücksgeschäfts führt, dieselbe Befristung gelten (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 1976 IV ZR 63/75, BGHZ 66, 270, 272). Das Absehen von der Zwei-Jahres-Frist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und die Zuordnung zum Tatbestand des Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift bei vereinbarten Rücktrittsrechten, die von Umständen abhängen, die der Berechtigte nicht selbst beeinflussen kann, ist somit beschränkt auf Rücktrittsrechte, die bei Abschluss des Grundstücksgeschäfts vorbehalten worden sind.

5.

Im Streitfall liegt keine lückenlose Kette rechtzeitig vorgenommener Fristverlängerungen für die Ausübung des im Grundstückskaufvertrag vorbehaltenen Rücktrittsrechts der Klägerin vor. Die Kette bricht spätestens Ende 2000 ab. Die erste Fristverlängerung --nämlich diejenige vom 28. Februar 2000-- ist noch am letzten Tag der ursprünglich vereinbarten Frist beurkundet worden. Allerdings war die Verkäuferin bei dieser Beurkundung lediglich vollmachtlos vertreten. Ob und wann sie die Fristverlängerung genehmigt hat, ist nicht festgestellt. Bei Annahme einer rechtzeitigen --d.h. noch am selben Tag-- erfolgten Genehmigung wäre aber die nächste Fristverlängerung --nämlich diejenige vom 20. Dezember 2000-- auf jeden Fall verspätet. Bei Beurkundung dieser Fristverlängerung war die Verkäuferin wiederum vollmachtlos vertreten. Die erforderliche Genehmigung hat sie erst am 30. Januar 2001, und damit erst nach Ablauf der zuvor (unterstellt mit steuerrechtlicher Wirkung) bis zum 31. Dezember 2000 verlängerten Frist, erklärt. Die Genehmigung wirkte zwar zivilrechtlich gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Beurkundung zurück; grunderwerbsteuerrechtlich kann diese Rückwirkung jedoch nicht nachvollzogen werden, da sich der steuerrechtlich maßgebliche Sachverhalt nicht rückwirkend gestalten lässt (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 2006 IX R 40/05, BFH/NV 2006, 2236, unter II. 2. a; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl. 2006, § 38 Rz 11; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Stand Juni 2009, § 38 AO Rz 28, 29). Folglich ist zumindest die zweite Fristverlängerung verspätet.

6.

Die Entstehung eines Rücktrittsrechts kraft Gesetzes infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage hat das FG mit der Begründung zu Recht verneint, dass die Vertragsparteien der Ungewissheit, ob das Grundstück bebaubar werden würde, durch eine ausdrückliche Regelung --nämlich das vereinbarte, aber befristete Rücktrittsrecht der Klägerin-- Rechnung getragen hatten. Die Vorstellung der Vertragsparteien über die Möglichkeit einer künftigen Bebaubarkeit des Grundstücks hat sich zwar als falsch erwiesen; die Parteien haben aber ausdrücklich geregelt, welche Rechtsfolge dies haben sollte, nämlich lediglich ein Rücktrittsrecht für die Klägerin.

Dass die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG befristet ist und es somit wie im Streitfall zu einer Steuerschuld ohne Rechtsträgerwechsel kommen kann, stellt entgegen der Ansicht der Klägerin keinen Verstoß gegen eine folgerichtige Ausgestaltung der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG getroffenen Grundentscheidung dar, den Erwerbsvorgang auf den Abschluss des den Übereignungsanspruch begründenden Rechtsgeschäfts vorzuverlegen (vgl. zur Sachgesetzlichkeit Fischer in Boruttau, a.a.O., Vor § 118), sondern liegt auf der Linie dieser Grundentscheidung. Auch der nicht vollzogene Grundstückskaufvertrag hat bei seinem Abschluss auf den verlangten Rechtsträgerwechsel gezielt (vgl. dazu Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 1 Rz 3).

7.

Zutreffend hat das FG auch eine Aufhebung des Steuerbescheids aufgrund des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ausgeschlossen und den Hilfsantrag der Klägerin bezüglich der Billigkeitsmaßnahmen abgelehnt. Für die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO fehlte es an einem rückwirkenden Ereignis. Die Entscheidung des FA, eine sachliche Unbilligkeit zu verneinen, ist --wie das FG zu Recht festgestellt hat-- ermessensfehlerfrei. Wie der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und die dort auf zwei Jahre befristete Möglichkeit, einen Grundstückskaufvertrag mit steuerlicher Wirkung aufzuheben, zeigen, kann es zu einer bleibenden Grunderwerbsteuerbelastung kommen, obwohl der Rechtsträgerwechsel bezüglich des Grundstücks letztlich unterbleibt. Dies ist vom Gesetzgeber gewollt.



Ende der Entscheidung

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