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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 06.06.2001
Aktenzeichen: II R 14/00
Rechtsgebiete: ErbStG, BGB
Vorschriften:
ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1 | |
ErbStG § 12 | |
BGB § 262 | |
BGB § 263 Abs. 2 | |
BGB § 2154 |
Gründe:
I.
Der am 13. September 1995 verstorbene Erblasser (E) war Eigentümer eines unbebauten Grundstücks mit einem erhöhten Einheitswert von 33 460 DM. Alleinerbe des E ist der Beigeladene. E hatte in einem privatschriftlichen Testament vom 26. Februar 1993 zugunsten des 1997 verstorbenen Ehemannes (M) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), dessen alleinige Erbin die Klägerin ist, folgendes bestimmt:
"... (M) hat die Wahl zwischen 2 Möglichkeiten:
a) Entweder er erhält 25 000,- DM
oder
b) er erwirbt das Grundstück ... gegen Zahlung von
150 000,- DM."
Durch notariell beurkundeten Vermächtniserfüllungsvertrag vom 15. Februar 1996 "überließ" der Beigeladene zur Erfüllung der von E zugunsten des M getroffenen Anordnung diesem das Grundstück "zu Alleineigentum" und ließ es an ihn auf. M verpflichtete sich, an den Beigeladenen 150 000 DM zu zahlen. Als Wert des Grundstücks war auf der dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) vom Notar übersandten beglaubigten Abschrift des Vertrags ein Betrag von 368 500 DM angegeben.
Das FA setzte durch Erbschaftsteuerbescheid vom 27. Januar 1997 gegen M Erbschaftsteuer in Höhe von 68 960 DM fest. Es sah in der testamentarischen Anordnung zugunsten des M ein Kaufrechtsvermächtnis. Gegenstand dieses Vermächtnisses sei das mit dem gemeinen Wert des zu erwerbenden Grundstücks abzüglich des Kaufpreises anzusetzende Erwerbsrecht. Der Wert des Erwerbs belaufe sich mithin auf 218 500 DM.
Der Einspruch, mit dem M geltend machte, dass die Bewertung des Erwerbs nach den für die gemischte Schenkung bzw. die Schenkung unter Auflage geltenden Grundsätzen erfolgen müsse, weil Gegenstand des Vermächtnisses das Grundstück unter der Auflage der Zahlung von 150 000 DM sei, blieb erfolglos.
Die daraufhin von der Klägerin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit dem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2000, 1042 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. E habe M mit einem Wahlvermächtnis i.S. von § 2154 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bedacht. M habe sich dafür entschieden, das Grundstück gegen Zahlung des im Testament bestimmten Betrags zu erwerben. Das Vermächtnis habe sich damit auf ein Ankaufsrecht konkretisiert. Ein derartiges Kaufrechtsvermächtnis unterscheide sich dadurch von einem reinen Sachvermächtnis, dass der Anspruch auf Auflassung des Grundstücks nicht schon mit dem Anfall des Vermächtnisses, sondern erst durch Ausübung des Ankaufsrechts entstehe. Dieses Recht sei, weil dafür kein Einheitswert festzustellen sei, mit dem gemeinen Wert zu bewerten. Das FA hatte im Verfahren vor dem FG eine Auskunft des zuständigen Gutachterausschusses für Grundstückswerte eingeholt. Danach erwies sich der angesetzte gemeine Wert jedenfalls als nicht zu hoch.
Mit der Revision macht die Klägerin eine Verletzung von § 2174 BGB geltend. Gegenstand des Vermächtnisses, das E ihrem Ehemann zugewandt habe, sei --soweit es sich auf den Erwerb des Grundstücks bezogen habe-- ein unmittelbar auf dessen Übereignung gerichteter Anspruch und nicht ein Ankaufsrecht gewesen. Dass es sich um ein Sachvermächtnis gehandelt habe, folge schon daraus, dass wahlweise ein unmittelbarer Anspruch auf einen bestimmten Geldbetrag vorgesehen gewesen sei. Auch die Formulierung "er erwirbt das Grundstück" zeige, dass E von einem unmittelbaren Erwerb des Grundstücks ausgegangen sei und nicht nur ein Recht auf dessen Erwerb habe einräumen wollen.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Nürnberg vom 25. November 1999 IV 310/98 und der Einspruchsentscheidung vom 13. August 1998 den Erbschaftsteuerbescheid vom 27. Januar 1997 dahin zu ändern, dass die Erbschaftsteuer nach einem Wert des Erwerbs in Höhe des anteiligen Einheitswerts von 19 840 DM festgesetzt wird, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das FG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass Gegenstand des Vermächtnisses nicht das zum Nachlass des E gehörende Grundstück war, sondern --als einer von zwei Gegenständen, zwischen denen M wählen konnte-- das Recht, das Grundstück zu dem von E festgelegten Preis zu erwerben. Dieses Recht, für das sich M entschieden hat, ist gemäß § 12 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. § 9 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem gemeinen Wert zu bewerten.
1. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB). Nach § 2154 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Erblasser ein Vermächtnis in der Art anordnen, dass der Bedachte von mehreren Gegenständen nur den einen oder den anderen erhalten soll. Um ein derartiges sog. Wahlvermächtnis handelt es sich bei der von E zugunsten des M getroffenen letztwilligen Verfügung.
2. Der Bewertung eines Vermächtnisses gemäß § 12 ErbStG hat die Bestimmung dessen vorauszugehen, was der Bedachte "durch Vermächtnis" (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) mit dem Tod des Erblassers erworben hat. Dies ist Gegenstand des Vermächtnisses und nicht dasjenige, was er "aufgrund" des Vermächtnisses, d.h. zu dessen Erfüllung, letztlich erhält (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. November 1982 II R 85-86/78, BFHE 137, 500, BStBl II 1983, 329, und vom 25. Oktober 1995 II R 5/92, BFHE 179, 148, BStBl II 1996, 97).
a) Soweit sich das Vermächtnis auf das zum Nachlass gehörende Grundstück bezog, war nicht dieses selbst, sondern nur ein darauf gerichtetes sog. Übernahmerecht Gegenstand der Anordnung. Die von E gewählten Formulierungen stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Macht der Erblasser den Erwerb eines zum Nachlass gehörenden Gegenstandes von einer Leistung des Bedachten abhängig, so kann dieser den Gegenstand nur erwerben, wenn er sich dazu verpflichtet, die vom Erblasser verlangte Leistung zu erbringen. Ob er diese Verpflichtung eingeht, unterliegt seiner freien Entscheidung. Der Erblasser kann darauf durch die letztwillige Verfügung keinen Einfluss nehmen. Diese Interessenlage spricht gegen die Annahme eines Sachvermächtnisses unter Auflage (§ 1940 BGB), von dem sich der Bedachte nur durch Ausschlagung lösen könnte (§ 2176 BGB). Der nach § 1939 BGB für ein Vermächtnis erforderliche Vermögensvorteil ist auch bei der Zuwendung eines Übernahmerechts gegeben. Er besteht bei einem solchen Recht darin, dass der Bedachte durch seine Erklärung einen Anspruch gegen den Beschwerten entstehen lassen kann, ihm den Gegenstand entgeltlich zu verschaffen, z.B. ihm eine Sache zu verkaufen (vgl. Kipp/Coing, Erbrecht, 14. Bearb., § 57 I). Im Streitfall ist das von M gewählte Übernahmerecht Gegenstand des vermächtnisweisen Erwerbs, denn das Übernahmerecht ist mit der Ausübung des Wahlrechts so zu behandeln, als sei es bereits beim Erbfall alleiniger Vermächtnisgegenstand gewesen. Hat der Vermächtnisnehmer die Wahl zwischen mehreren Gegenständen, gilt nämlich die von ihm gewählte Leistung gemäß § 263 Abs. 2 BGB als die von Anfang an allein geschuldete.
b) Bei dem danach durch letztwillige Verfügung vermachten Übernahmerecht handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, das es dem Bedachten ermöglicht, einen (schuldrechtlichen) Anspruch auf Übertragung des Gegenstandes, wie er sich im Nachlass befindet, gegen Zahlung des vom Erblasser festgelegten Preises zu begründen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 28. Januar 1994 V ZR 90/92, BGHZ 125, 41, 55, zum Recht auf Übernahme eines Anerbengutes nach dem Württembergischen Anerbengesetz vom 14. Februar 1930; vgl. auch BFH-Urteile vom 16. März 1977 II R 11/69, BFHE 121, 519, BStBl II 1977, 640; vom 21. Juli 1993 II R 118/90, BFHE 172, 118, BStBl II 1993, 765, und vom 4. Mai 2000 IV R 10/99, BFHE 191, 529). Das Übernahmerecht als solches und nicht der erst durch dessen Ausübung entstehende Übertragungsanspruch ist Gegenstand des Vermächtnisses (vgl. BGH-Urteil vom 30. September 1959 V ZR 66/58, BGHZ 31, 13, 20; BFH-Beschluss vom 13. April 1994 II B 173/93, BFH/NV 1994, 794). Liegt der Preis --wie im Streitfall-- unter dem Verkehrswert des Gegenstandes, so ist der Bedachte bereits durch den Erwerb des Übernahmerechts i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bereichert, weil ihm dadurch eine Rechtsposition zufällt, die im Hinblick auf den Wertunterschied zwischen dem Anspruch auf Übertragung des Gegenstandes und der Zahlungsverpflichtung einen wirtschaftlichen Vorteil verkörpert. Die Steuer kann abweichend von § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ErbStG --entsprechend der Regelung für den Pflichtteilsanspruch (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG)-- erst mit der Geltendmachung des Rechts entstehen, weil der mit dem Erwerb des Rechts verbundene Vorteil sich erst dadurch realisiert. "Durch Vermächtnis" erworben ist gleichwohl allein das Gestaltungsrecht und nicht der erst als Folge seiner Geltendmachung entstehende Anspruch auf Übertragung des Nachlassgegenstandes.
c) Für die Bewertung folgt daraus, dass das Übernahmerecht nicht mit dem Steuerwert (Einheitswert) für den Gegenstand, auf den es sich bezieht, angesetzt werden kann, sondern nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist; dieser ist mangels anderer Wertmaßstäbe nach dem Verkehrswert des Gegenstandes zu schätzen, auf den sich das Übernahmerecht bezieht. Für den Ansatz des Übernahmerechts mit dem gemeinen Wert spricht zudem, dass der Anspruch auf Übertragung des Nachlassgegenstandes und die Verpflichtung zur Zahlung des Übernahmepreises ebenso miteinander verknüpft sind wie ein Sachleistungsanspruch und eine Zahlungsverpflichtung aus einem Gegenseitigkeitsverhältnis (vgl. Schlichting, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 2174 Rdnr. 5), die ebenfalls mit dem gemeinen Wert zu bewerten sind (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1989 II R 103/86, BFHE 159, 542, BStBl II 1990, 434, und vom 15. Oktober 1997 II R 68/95, BFHE 183, 248, BStBl II 1997, 820).
Soweit dem BFH-Urteil vom 12. Juli 1961 II 164/59 S (BFHE 73, 343, BStBl III 1961, 391) eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, hält der Senat daran nicht mehr fest.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Für eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen i.S. von § 139 Abs. 4 FGO besteht kein Anlass. Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten und es ist auch nicht erkennbar, dass ihm besondere außergerichtliche Kosten entstanden sind (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1985 IX R 23/85, BFH/NV 1986, 406).
Ende der Entscheidung
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