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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: II R 14/02
Rechtsgebiete: AO 1977, KAGG


Vorschriften:

AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 3
KAGG § 1 Abs. 1
KAGG § 6 Abs. 1
KAGG § 9 Abs. 1 Satz 1
KAGG § 31
Der Erwerb aller Anteile an einer Kapitalanlagegesellschaft i.S. von § 1 Abs. 1 KAGG unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Von diesem Erwerb erfasst werden auch die von der Kapitalanlagegesellschaft im Sondervermögen nach § 6 Abs. 1 KAGG gehaltenen Grundstücke.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb durch Kauf- und Abtretungsvertrag vom 28. Dezember 1994 sämtliche Geschäftsanteile im Nominalwert von insgesamt 10 Mio. DM an einer Investment GmbH, einer Kapitalanlagegesellschaft i.S. von § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG). Zum Sondervermögen der Investment GmbH gehörten am 31. Dezember 1994 34 inländische Grundstücke. Die Grundstücke hatte die Investment GmbH im eigenen Namen erworben; sie war als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nahm einen steuerbaren Erwerb nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG a.F.) in der im Jahre 1994 geltenden Fassung an und stellte durch Bescheid vom 22. Juli 1996 die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer nach § 17 GrEStG gesondert fest.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Aufhebung des Feststellungsbescheides beantragte, blieben ohne Erfolg. Die Klägerin hatte insbesondere geltend gemacht, dass der Investment GmbH die im Sondervermögen nach § 6 Abs. 1 KAGG gehaltenen Grundstücke nicht i.S. von § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. gehört hätten. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens hat das FA den Feststellungsbescheid geändert. Die Klägerin hat beantragt, den Änderungsbescheid vom 24. August 1999 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Auffassung vertreten, dass die Grundstücke des Sondervermögens nach § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. der Investment GmbH zuzurechnen seien. Die Zurechnung sei nach grunderwerbsteuerrechtlichen Gesichtspunkten vorzunehmen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 91 veröffentlicht.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter und rügt insbesondere fehlerhafte Anwendung von § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. Sie macht geltend, dass die im Sondervermögen befindlichen Grundstücke nicht zum Vermögen der Investment GmbH gehört hätten. Denn diese sei nach § 6 KAGG verpflichtet gewesen, die Gegenstände des Sondervermögens von ihrem eigenen Vermögen getrennt zu halten, und habe bezüglich des Sondervermögens erheblichen Verfügungsbeschränkungen unterlegen. Obwohl die Investment GmbH als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen gewesen sei, habe ihr der Grundbesitz wirtschaftlich nicht gehört. Als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen werde die Kapitalanlagegesellschaft lediglich aus Gründen der Praktikabilität. Die Heranziehung der Klägerin zur Grunderwerbsteuer verstoße auch gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG), weil der besteuerte Vorgang keinen Anlass gebe für die Annahme einer erhöhten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Oktober 2000 7 K 9374/97 GE sowie die Feststellungsbescheide vom 24. August 1999 und vom 22. Juli 1996 --Letzterer in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. November 1997-- aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das FG hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass der Erwerb aller Anteile an der Investment GmbH durch die Klägerin nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. der Grunderwerbsteuer unterliegt.

a) Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. unterliegt ein Rechtsgeschäft der Grunderwerbsteuer, das den Anspruch auf Übertragung aller Anteile an einer Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gehört der Gesellschaft ein Grundstück, wenn ihr dieses aufgrund eines unter § 1 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 GrEStG fallenden Erwerbsvorgangs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist (vgl. Urteile vom 30. März 1988 II R 76/87, BFHE 153, 63, BStBl II 1988, 550, und vom 20. Dezember 2000 II R 26/99, BFH/NV 2001, 1040, m.w.N.). Dies ist regelmäßig der Fall, sobald hinsichtlich des Grundstücks ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang verwirklicht wurde. Hat --wie im Streitfall-- die Gesellschaft aufgrund eines solchen steuerbaren Vorgangs einen Anspruch auf Eigentumsverschaffung erworben, gehört das Grundstück erst dann nicht (mehr) zu ihrem Vermögen, wenn sie sich als Verkäuferin des Grundstücks an einem Verkaufsgeschäft beteiligt und zur Übereignung desselben an einen Dritten verpflichtet hat (BFH-Entscheidungen vom 17. Oktober 1962 II 64/61 U, BFHE 76, 123, BStBl III 1963, 45, und vom 17. Juli 1985 II S 5/85, BFH/NV 1986, 115).

Das FG hat auf der Grundlage dieser Rechtsprechung rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass die Investment GmbH aufgrund steuerbarer Vorgänge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zivilrechtliche Eigentümerin der Grundstücke geworden und als solche nach § 26 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAGG berechtigt war, über diese im eigenen Namen zu verfügen und alle Rechte aus ihnen auszuüben.

b) Entgegen der Auffassung der Revision gehören auch diejenigen Grundstücke nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG a.F. zum Vermögen der Investment GmbH, die von dieser i.S. von § 6 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 KAGG mit eingelegtem Geld angeschafft oder als Ersatz erworben wurden. Der Umstand, dass die Kapitalanlagegesellschaft verpflichtet ist, das eingelegte Geld und die damit angeschafften Vermögensgegenstände nach § 6 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAGG als Sondervermögen von dem eigenen Vermögen getrennt zu halten, sowie die Beschränkungen, denen eine Kapitalanlagegesellschaft, die das bei ihr eingelegte Geld in Grundstücken anlegt, aus Gründen des Schutzes der Anteilinhaber bei der Verwaltung des Sondervermögens nach § 26 KAGG i.V.m. §§ 8 ff. KAGG und §§ 31 ff. KAGG unterliegt, ändern an dieser Beurteilung nichts (wie hier: Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 1 Rz. 915; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 1 Rz. 146a; a.A. Hoffmann, Betriebs-Berater --BB-- 2001, 757). Das gesetzlich angeordnete Getrennthalten des Sondervermögens vom "eigenen Vermögen" und die Verfügungsbeschränkungen rechtfertigen nämlich nicht die Annahme, dass die im Sondervermögen gehaltenen Grundstücke grunderwerbsteuerrechtlich nicht der Kapitalanlagegesellschaft, sondern etwa den Anteilinhabern oder der Depotbank (§ 31 KAGG) "gehören". Denn die Frage nach der grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung eines inländischen Grundstücks zum Vermögen einer Gesellschaft i.S. von § 1 Abs. 3 GrEStG ist einer Zurechnung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten wie in § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorgesehen, z.B. danach, wem das Halten des Grundbesitzes wirtschaftlich zugute kommt, nicht zugänglich. Die sich aus dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Steuer unterliegenden Grundstückserwerb der Kapitalanlagegesellschaft für § 1 Abs. 3 GrEStG ergebende Zurechnungsfolge kann nicht durch den Hinweis darauf, dass die wirtschaftlichen Folgen aus dem Erwerb, der Vermietung und der Verwertung der im Sondervermögen gehaltenen Grundstücke nicht der Kapitalanlagegesellschaft, sondern den Anteilinhabern zugute kommen, beseitigt werden.

Die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte bei der Frage nach der grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung von Grundstücken widerspräche der Grundstruktur der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer. Der Besteuerung nach dem GrEStG unterliegen nämlich in typisierender Weise bestimmte, in § 1 Abs. 1 und 2 GrEStG umschriebene und in Abs. 3 der Vorschrift fingierte Rechtsvorgänge. Besteuert wird danach der (fingierte) Rechtsvorgang als solcher um des in der Rechtsänderung selbst enthaltenen Ergebnisses der Rechtsänderung willen (vgl. Fischer in Boruttau, a.a.O., Vorbemerkungen Rz. 106). Daraus folgt, dass die grunderwerbsteuerrechtliche Tatbestandsmäßigkeit eines Rechtsvorgangs nicht davon abhängig gemacht werden darf, ob der Rechtsvorgang für den Betroffenen vorteilhaft und wirtschaftlich erfolgreich war (BFH-Urteile vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858, und vom 6. September 1989 II R 135/86, BFHE 158, 135, BStBl II 1989, 984), und dementsprechend auch nicht davon, wem diese Vorteile zugute gekommen sind.

Die Berücksichtigung solcher wirtschaftlichen Gesichtspunkte bei der Grundstückszuordnung im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG würde dazu führen, dass diese Vorschrift weitgehend leer liefe. Denn der wirtschaftliche Erfolg einer Kapitalgesellschaft kommt trotz der rechtlichen Verselbstständigung ihres Vermögens in der Regel natürlichen oder juristischen Personen, nämlich ihren Gesellschaftern und (wie im Streitfall) Dritten, in Form von Gewinnausschüttungen, Steigerungen des Werts der Anteile am Sondervermögen oder höheren Liquidationserlösen, zugute. Es wäre deshalb im Streitfall von vornherein verfehlt, die Zuordnungsentscheidung nach § 1 Abs. 3 GrEStG davon abhängig zu machen, ob der Erwerb des Eigentums an den Grundstücken des Sondervermögens sowie "die Früchte des Eigentums und die Erträge aus der Substanzverwertung" der Kapitalanlagegesellschaft wirtschaftlich zugute kommen.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Revision werden vom erkennenden Senat nicht geteilt. Die Steuer knüpft in verfassungsrechtlich zulässiger Weise an bestimmte Rechtsvorgänge an und unterstellt in diesen Fällen typisierend, d.h. ohne Einzelfallprüfung, ob ein wirtschaftlicher Erfolg eingetreten ist, eine erhöhte Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Die an bestimmte Rechtsvorgänge anschließende Typisierung des GrEStG schließt insoweit auch die Annahme einer nach Auffassung der Revision vorliegenden Gesetzeslücke aus.



Ende der Entscheidung

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