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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 12.06.2002
Aktenzeichen: II R 15/99
Rechtsgebiete: BewG, FGO
Vorschriften:
BewG § 85 | |
BewG § 86 | |
BewG § 87 | |
BewG § 88 | |
BewG § 83 Satz 1 | |
BewG § 83 Satz 2 | |
BewG § 85 Satz 1 | |
BewG § 85 Satz 2 | |
BewG § 85 Satz 3 | |
BewG § 85 Satz 4 | |
BewG § 90 Abs. 1 | |
FGO § 118 Abs. 2 |
Gründe:
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem im Jahre 1990 ein Gebäude zum Betrieb eines Lebensmitteleinzelhandels errichtet worden ist. Ein Teil des in massiver Bauweise ausgeführten Gebäudes hat ein Flachdach, ein anderer, teilweise zweigeschossig ausgebauter Teil ein Satteldach, andere Teile des Gebäudes weisen Pultdachkonstruktionen auf. Die Gesamtnutzfläche des Gebäudes beträgt 1 053,53 qm. Die im Erdgeschoss befindliche Verkaufsfläche beträgt 718 qm. Baulich abgetrennt vom Verkaufsraum befinden sich im Erdgeschoss Sozialräume, ein Kontrollraum, eine Metzgerei und eine Bäckerei. In der oberen Etage befinden sich ein weiterer Sozialraum, ein Lager mit Kühlräumen, ein Lastenaufzug, ein weiterer Abstellraum sowie die Lüftung.
Mit (Änderungs-)Bescheid vom 5. November 1993 stellte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Einheitswert für das Grundstück des Klägers auf den 1. Januar 1991 im Sachwertverfahren auf 691 700 DM fest. Hierbei ordnete das FA das Gebäude der Gebäudeklasse 4 "Warenhäuser" der Anlage 15 zu Abschn. 38 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) 1990 zu und legte ausgehend von den Ausstattungsmerkmalen, die der Kläger in seiner Feststellungserklärung angegeben hatte, einen Raummeterpreis von 125 DM (Mittelwert für gute Ausstattung) zugrunde.
Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, das Objekt sei in die Gebäudeklasse 9.21 "Markthallen, Messehallen" der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr einzustufen, und beantragte, den Einheitswert entsprechend herabzusetzen. Das FA setzte den Einheitswert zwar auf 515 800 DM herab, hielt aber an der Einstufung des Gebäudes als "Warenhaus" fest. Das FA ging von einem Raummeterpreis von nur noch 102 DM aus, weil sich anlässlich einer im Beisein des Klägers am 17. März 1994 durchgeführten Ortsbesichtigung durch einen Bausachverständigen herausgestellt hatte, dass die Ausstattung des Gebäudes teilweise geringwertiger war als vom Kläger ursprünglich angegeben worden war. Dabei wurden 9 der in den jeweiligen Spalten der Anlage 13 zu Abschn. 38 BewRGr angegebenen Ausstattungsmerkmale der einfachen bzw. mittleren, die übrigen der guten bzw. sehr guten Ausstattungsstufe zugeordnet, mit dem Durchschnittspreis (mittlerer Raummeterpreis) für die jeweilige Ausstattungsart multipliziert und die gefundene Summe der Produkte durch die Gesamtzahl der angegebenen Merkmale geteilt.
Die Klage, mit der der Kläger weiterhin die Einstufung des Gebäudes in die Gebäudeklasse 9.21 "Markthallen, Messehallen" begehrt und beantragt hat, den Einheitswert auf 367 600 DM festzustellen, hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ermäßigte den Einheitswert auf 459 700 DM. Das Gebäude sei zwar in die Gebäudeklasse 4 "Warenhäuser" einzuordnen; da ihm aber der typische Warenhauscharakter fehle, sei bei der Anwendung der in Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr aufgelisteten Raummeterpreise abweichend vom Regelfall nicht von der Mittelwertigkeit der jeweiligen Ausstattungsart auszugehen, sondern der unterste Wert der jeweiligen Ausstattung zugrunde zu legen. Hierdurch werde eine Annäherung an die Raummeterpreise für die Gebäudeklasse 9.21 "Markthallen, Messehallen" erreicht, bei deren Anwendung die vorhandenen Ausstattungsmerkmale trotz gleicher Gestaltung zu einem niedrigeren durchschnittlichen Raummeterpreis führen würden. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 264 veröffentlicht.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Dieses rügt Verletzung von § 85 des Bewertungsgesetzes (BewG) und verweist darauf, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die durch die BewRGr vorgeschriebenen Schätzungsschritte erforderlich machten, zunächst von der Mittelwertigkeit der jeweiligen Ausstattungsart auszugehen. Dieser sei ein durchschnittlicher Raummeterpreis (entsprechend Mittelwert) zuzuordnen, wobei davon auszugehen sei, dass der gefundene Raummeterpreis, der die Ausstattungsmerkmale gleichmäßig berücksichtige, auch zu einem zutreffenden Gebäudenormalherstellungswert führe, der kraft Gesetzes auf der Grundlage von Durchschnittswerten zu finden sei.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass das Gebäude in die Gebäudeklasse 9.21 "Markthallen, Messehallen" einzuordnen sei. Im Übrigen hätten das FA und auch das FG die Ausstattungsmerkmale des Gebäudes fehlerhaft den einzelnen Ausstattungsstufen zugeordnet.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat zwar zutreffend das auf dem Grundstück des Klägers befindliche Gebäude der Gebäudeklasse 4 "Warenhäuser" der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr zugerechnet; dem FG kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als es bei der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswerts nicht von der Mittelwertigkeit der jeweiligen Ausstattungsart ausgegangen ist.
a) Bei der Bewertung eines Grundstücks im Sachwertverfahren ist vom Bodenwert, vom Gebäudewert und vom Wert der Außenanlagen auszugehen (§ 83 Satz 1 BewG). Dieser Ausgangswert ist durch Anwendung einer Wertzahl an den gemeinen Wert anzugleichen (§ 83 Satz 2, § 90 Abs. 1 BewG). Für die Ermittlung des Gebäudewerts ist zunächst ein Wert auf der Grundlage von durchschnittlichen Herstellungskosten nach den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 zu errechnen (§ 85 Satz 1 BewG). Dieser Wert ist nach den Baupreisverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) umzurechnen (§ 85 Satz 2 BewG). Der so errechnete Gebäudenormalherstellungswert ist Grundlage zur Findung des Gebäudesachwerts unter Berücksichtigung der §§ 86, 87 BewG, der nach Maßgabe des § 88 BewG in besonderen Fällen ermäßigt oder erhöht werden kann (§ 85 Sätze 3 und 4 BewG).
In den Anlagen 14 und 15 zu Abschn. 38 BewRGr sind für unterschiedliche Gebäudeklassen Raummeterpreise festgelegt, die auf den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 beruhen und durch Anwendung des für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 maßgeblichen Bauindexes auf die Baupreisverhältnisse in diesem Zeitpunkt umgerechnet sind. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass diese den einzelnen Gebäudeklassen zugeordneten Durchschnittswerte zum Zwecke einer möglichst gleichmäßigen Bewertung grundsätzlich anzuwenden sind, weil ihr Ansatz dem Zweck des Sachwertverfahrens dient, das in seinen Grundzügen auf die Bewertung von bebauten Grundstücken mit einem typisierenden gemeinen Wert ausgerichtet ist (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 1981 III R 3/79, BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643, und vom 30. Januar 1991 II R 51/88, BFH/NV 1992, 371, 372).
Dies setzt notwendigerweise auch die Maßgeblichkeit der Gebäudeklasseneinteilung jedenfalls für den Regelfall voraus. Soweit die BewRGr für die Abgrenzung der verschiedenen Gebäudeklassen voneinander Vorgaben machen, sind diese der Beurteilung zugrunde zu legen. Für die Frage, ob das Gebäude des Klägers ein Warenhaus im Sinne der Gebäudeklasse 4 der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr darstellt, ist deshalb die Definition in Abschn. 16 Abs. 7 Satz 7 BewRGr maßgebend, wonach Warenhausgrundstücke Geschäftsgrundstücke sind, die im Ganzen oder weit überwiegend dem Betrieb eines Einzelhandelsunternehmens dienen und die üblichen Ladengrundstücke an Umfang übertreffen. Das Gebäude auf dem Grundstück des Klägers erfüllt diese Voraussetzungen. Es dient dem Betrieb eines Einzelhandelsunternehmens und übertrifft mit seiner Nutzfläche von ca. 1 050 qm den Umfang üblicher Ladengrundstücke. Damit ist es in die Gebäudeklasse 4 einzustufen.
Die Einordnung des Gebäudes in die Gebäudeklasse 9.21 "Markthallen, Messehallen" kommt --entgegen der Auffassung des Klägers-- nicht in Betracht. Markt- und Messehallen dienen in der Regel nicht dem Einzel-, sondern dem gewerblichen Großhandel als Ausstellungs- und Handelsplatz. Markt- und Messehallen haben typischerweise anderen Funktionserfordernissen als Kaufhäuser zu genügen, insbesondere erfordert ihre Ausführung --anders als bei dem Einzelhandel dienenden Kaufhäusern-- keine aufwendige, sondern mehr eine schlichte, funktionale Baugestaltung. Bei Markt- und Messehallen ist es gewöhnlich nicht erforderlich, durch aufwendige, repräsentative Baukonstruktionen und -ausführungen ein angenehmes Verkaufsklima zu schaffen und hierdurch die Kauflust von Endverbrauchern anzuregen. Das FG hat es deshalb zutreffend abgelehnt, das dem Einzelhandel dienende Gebäude des Klägers als Markt- bzw. Messehalle einzustufen.
Auch die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine von den BewRGr abweichende Gebäudeklasseneinteilung vorgenommen werden kann, liegen nicht vor. Die Einteilung in die unterschiedlichen Gebäudeklassen ist zwar prinzipiell nicht abschließend (BFH-Urteile vom 18. Mai 1988 II R 241/85, BFHE 154, 139, BStBl II 1988, 935, sowie in BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643, und in BFH/NV 1992, 371, 372). Zur Gewährleistung einer möglichst gleichmäßigen Besteuerung, der Rechtssicherheit und der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens sind aber Abweichungen von der Gebäudeklasseneinteilung der BewRGr beschränkt auf diejenigen Fälle, in denen die nach der Gebäudeklasseneinteilung maßgeblichen Durchschnittswerte für den gemeinen Wert des Gebäudes bedeutsame Eigenschaften, z.B. hinsichtlich Bauart, Bauweise, Konstruktion sowie Objektgröße, nicht ausreichend berücksichtigen und die Abweichung zwischen dem auf der Grundlage der Durchschnittswerte (nach den BewRGr) und dem nach den tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke ermittelten Gebäudenormalherstellungswert außerhalb jeder bei Durchschnittswerten üblichen und noch vertretbaren Toleranz liegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643 zu einem um 100 v.H. höheren Durchschnittswert nach den BewRGr). Im Streitfall sind Anhaltspunkte für eine solch gravierende Wertdiskrepanz, die eine Zuordnung in eine andere Gebäudeklasse rechtfertigen würde, weder vom FG festgestellt noch sonst aus den Umständen ersichtlich.
b) Soweit das FG, statt von der Mittelwertigkeit der jeweiligen Ausstattungsmerkmale auszugehen, jeweils den untersten Wert der jeweiligen Ausstattungsart zugrunde gelegt hat, weil dem Gebäude des Klägers "der typische Warenhauscharakter fehle", kann dem nicht gefolgt werden.
Der BFH hat in seinen beiden Entscheidungen in BFHE 154, 139, BStBl II 1988, 935 und in BFH/NV 1992, 371, 372 ausgeführt, dass die durch die BewRGr vorgegebenen Schätzungsschritte es erforderlich machen, zunächst von der Mittelwertigkeit der jeweiligen Ausstattungsart auszugehen, der ein durchschnittlicher Raummeterpreis zuzuordnen ist. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass dieser durchschnittliche Raummeterpreis (Mittelwert) auch zu einem zutreffenden Gebäudenormalherstellungswert führt, der kraft Gesetzes (§ 85 Satz 1 BewG) auf der Grundlage von Durchschnittswerten zu finden ist. Im Interesse einer gleichmäßigen Besteuerung, der Rechtssicherheit und der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens kann --wie bei der Gebäudeklassenzuordnung (vgl. oben unter 1. a)-- nur dann vom Ansatz der Mittelwerte abgesehen werden, wenn der Durchschnittswert für den gemeinen Wert des Gebäudes bedeutsame Eigenschaften nicht ausreichend berücksichtigt und die Abweichung zwischen dem auf der Grundlage der Durchschnittswerte und dem nach den tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke ermittelten Gebäudenormalherstellungswert außerhalb jeder bei Durchschnittswerten üblichen und noch vertretbaren Toleranz liegt.
Tatsachen dafür, dass der Wertunterschied zwischen den auf der Grundlage der Mittelwerte nach Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr ermittelten Gebäudenormalherstellungskosten und den tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten vergleichbarer Gebäude außerhalb jeder bei Durchschnittswerten üblichen und noch vertretbaren Toleranz liegt, hat das FG nicht festgestellt. Insbesondere für seine These, die für die Gebäudeklasse 4 "Warenhäuser" in der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr genannten Werte bezögen sich auf die zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 typischen innerstädtischen Warenhäuser mit Schaufensterfronten, z.T. repräsentativen Eingängen und Fassadengestaltung, mit innerer Aufgliederung und speziellen Kundendiensteinrichtungen, fehlt der Beleg. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die vom FG den typischen innerstädtischen Warenhausgrundstücken zugeschriebenen Ausstattungsmerkmale in ausreichender Weise in der Beschreibung der Merkmale für die Beurteilung der baulichen Ausstattung (Anlage 13 zu Abschn. 38 BewRGr) Berücksichtigung finden und zu einer entsprechend höheren Ausstattungsstufe führen.
Auch der Hinweis des FG, die Anwendung der Raummeterpreise für die Gebäudeklasse 9.21 "Markt- und Messehallen" würde "trotz gleicher Ausstattung zu einem niedrigeren durchschnittlichen Raummeterpreis führen", rechtfertigt keine Abweichung vom jeweils mittleren Ausstattungswert. Denn daraus ergibt sich nicht, dass die auf der Grundlage der Mittelwerte nach Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr ermittelten Gebäudenormalherstellungskosten zu einem Wert führen, der außerhalb jeder bei Durchschnittswerten üblichen und noch vertretbaren Toleranz liegt. Im Übrigen erbrachte der vom FG für erforderlich erachtete Ansatz der unteren Werte der jeweiligen Ausstattungsstufe lediglich eine Ermäßigung des Einheitswerts um 46 100 DM, nämlich von 515 800 DM auf 459 700 DM, und damit nur um knapp 9 v.H. Eine derartige Wertdifferenz liegt innerhalb der bei Durchschnittswerten üblichen und noch vertretbaren Toleranz.
2. Die Sache ist spruchreif.
Die Klage ist abzuweisen. Der Kläger wird durch die angefochtene Einheitswertfeststellung des FA in seinen Rechten nicht verletzt. Das FA hat zutreffend das Gebäude des Klägers in die Gebäudeklasse 4 "Warenhäuser" eingeordnet und bei der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswerts einen Raummeterpreis von 102 DM zugrunde gelegt.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, das FG sei von einer fehlerhaften Einordnung der einzelnen Ausstattungsmerkmale des Gebäudes ausgegangen, konnte dies nicht zu einer anderen Entscheidung führen. Denn an die Feststellung der einzelnen Ausstattungsmerkmale des Gebäudes durch das FG, welches sich insoweit auf die Ergebnisse der vom Bausachverständigen durchgeführten Ortsbesichtigung gestützt hat, ist der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Die auf diesen Feststellungen beruhende Einordnung in die einzelnen Ausstattungsstufen lässt im Übrigen einen Rechtsfehler nicht erkennen.
Ende der Entscheidung
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