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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.06.2003
Aktenzeichen: II R 20/02
Rechtsgebiete: GrEStG
Vorschriften:
GrEStG § 5 Abs. 2 | |
GrEStG § 5 Abs. 3 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft, erwarb aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 29. Dezember 1986 mehrere Grundstücke in Lüdinghausen zum nachträglich auf 14 914 078 DM erhöhten Kaufpreis von der X Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH (X-GmbH), die damals zu 94 v.H. am Vermögen der Klägerin beteiligt war und im Juli 1987 zusammen mit anderen Gesellschaften durch Neugründung zur Y AG (Y-AG) verschmolzen wurde. Die Verschmelzung erfolgte im Innenverhältnis zum 1. Januar 1987 auf der Grundlage der Bilanzen zum 31. Dezember 1986. Mit Bescheid vom 3. August 1987 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Steuer für den Erwerbsvorgang auf 17 896 DM fest. Dabei blieb die Steuer gemäß § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in Höhe von 94 v.H. unerhoben. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Nachdem das FA über eine andere Steuerbehörde von der Verschmelzung erfahren hatte, beabsichtigte es, die Steuer durch einen Änderungsbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auf den Betrag heraufzusetzen, der sich ohne die teilweise Steuerbefreiung ergibt. Ein entsprechender erster, noch 1990 zur Post gegebener Bescheid kam infolge einer nicht mehr zutreffenden Anschrift als unzustellbar zurück. Daraufhin übersandte das FA der Klägerin am 17. Januar 1991 eine Abschrift dieses Bescheids, die der Klägerin auch zuging. Der Einspruch gegen diesen Bescheid, mit dem die Klägerin auf der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG beharrte, blieb erfolglos. Er führte darüber hinaus durch Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2001 zu einer weiteren Heraufsetzung der Steuer auf nunmehr 298 281 DM, weil das FA zunächst die nachträgliche Kaufpreiserhöhung übersehen hatte.
Die Klage, mit der sich die Klägerin weiterhin gegen den Entzug der Steuerbefreiung wandte, hatte aus anderen Gründen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, der angefochtene Steuerbescheid vom Januar 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom Juli 2001 sei bereits deshalb aufzuheben, weil die Festsetzungsfrist schon Ende 1990 abgelaufen gewesen sei. Dass noch 1990 eine inhaltsgleiche Steuerfestsetzung zur Post gegeben worden sei, habe die Frist nicht gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 gewahrt, da das Schriftstück nicht zugegangen sei. Dazu verwies das FG mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 799 veröffentlichten Urteil auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Juni 2001 II R 47/98 (BFHE 195, 32, BStBl II 2001, 695).
Mit der Revision rügt das FA eine fehlerhafte Anwendung der §§ 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 sowie des § 14 Nr. 2 GrEStG. Zur Begründung trägt es vor, gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO 1977 sei die Festsetzungsfrist auch dann gewahrt, wenn zwar der noch vor Fristablauf zur Post gegebene Steuerbescheid dem Adressaten nicht zugehe, diesem aber nach Fristablauf eine Abschrift der Steuerfestsetzung übersandt werde. Unabhängig davon sei die Festsetzungsfrist im Streitfall gemäß § 170 Abs. 1 AO 1977 frühestens Ende 1991 abgelaufen. Der Grundstückskaufvertrag habe nämlich noch behördlicher Genehmigungen bedurft, die frühestens 1987 erteilt worden sein können. Daher könne die Steuer gemäß § 14 Nr. 2 GrEStG nicht vor 1987 entstanden sein. Der Anlauf der Festsetzungsfrist sei überdies gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 gehemmt gewesen. Der Rechtsprechung des BFH, die bei Anwendung der Vorschrift danach unterscheide, ob die Anzeigepflicht für den Steuerpflichtigen oder für den Notar bestand, sei nicht zu folgen. Materiell-rechtlich sei der Klägerin die teilweise Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG zu Recht versagt worden.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Die Feststellungen des FG reichen weder für ein Urteil darüber aus, ob bei Erlass des angefochtenen Steuerbescheides vom 17. Januar 1991 die Festsetzungsfrist bezüglich der nachträglich erhobenen Grunderwerbsteuer bereits abgelaufen war, noch für ein Urteil darüber, ob die Steuerbefreiung des § 5 Abs. 2 GrEStG zu Recht verweigert worden ist. Daher war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Tz. II. 1. und 2. der Gründe befassen sich im Rahmen der Prüfung der Festsetzungsverjährung mit der Frage, wann die Steuer entstanden ist (§ 14 Nr. 2 GrEStG).
3. Die Frage, ob bezogen auf den konkreten Grundstückskaufvertrag ein Genehmigungserfordernis bestand, kann nicht etwa deshalb auf sich beruhen, weil der angefochtene Steuerbescheid bereits aus anderen --nämlich aus materiell-rechtlichen-- Gründen rechtswidrig ist. Dies wäre er dann, wenn die teilweise Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG zu Unrecht versagt worden wäre. Die Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, dies zu beurteilen. Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass auch eine Verschmelzung der grundstücksübertragenden Gesamthänderin der Erwerberin auf einen Dritten zum Ausschluss der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG führen kann; die Verschmelzung führt nämlich wie bei einer Übertragung der Gesellschafterstellung zu einem Verlust der von § 5 Abs. 2 GrEStG vorausgesetzten Rechtsposition (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 1997 II R 15/96, BFHE 181, 524, BStBl II 1997, 296). Das FG hat aber keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen getroffen, die der Steuerbefreiung gemäß dieser Vorschrift in der Auslegung durch die Rechtsprechung des BFH entgegengestanden haben können. Nach dieser Rechtsprechung, die erst für Erwerbsvorgänge ab dem 1. Januar 2000 von dem neuen durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I, 402) angefügten § 5 Abs. 3 GrEStG abgelöst worden ist, konnte die Grundstücksübertragung auf eine Gesamthand auch dann mit einer Aufgabe oder Minderung der Gesellschafterstellung des bisherigen Alleineigentümers zeitlich und sachlich zusammenhängen und daher ganz oder teilweise von der Anwendung des § 5 Abs. 2 GrEStG ausgeschlossen sein, wenn beides nicht Teil eines einzigen, in seinen einzelnen Elementen aufeinander abgestimmten Planes war. Es reichte vielmehr aus, dass die Grundstücksübertragung zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem die Veränderung der Gesellschafterstellung des bisherigen Alleineigentümers bereits zwischen den Gesamthändern abgesprochen war (so BFH-Beschluss vom 4. August 1999 II B 3/99, BFHE 189, 547, BStBl II 1999, 834, m.w.N.). Dazu, ob bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages zwischen den Gesellschaftern der Klägerin bereits abgesprochen gewesen ist, dass die X-GmbH im Wege der Verschmelzung in einer neu zu gründenden Gesellschaft aufgehen werde, ist der Vorentscheidung jedoch nichts zu entnehmen.
4. Daher war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dieses hat damit Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen zum Lauf der Festsetzungsfrist oder zur Absprache unter den Gesellschaftern der Klägerin über den Wegfall der X-GmbH oder ggf. zu beiden Streitpunkten nachzuholen, wobei es wegen der Besonderheiten der Verschmelzung ausreicht, wenn auch der oder die andere(n) Gesellschafter der Klägerin bei Abschluss des Grundstücksgeschäfts von der Absicht der Verschmelzung wussten.
Ende der Entscheidung
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