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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 01.12.2004
Aktenzeichen: II R 23/02
Rechtsgebiete: GrEStG, AO 1977


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
AO 1977 § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) trat mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 15. Dezember 1997 der Grundstücksgesellschaft P. GbR (GbR) bei. Die GbR war von den vier Gründungsgesellschaftern am 23. Oktober 1996 mit dem Zweck der gemeinschaftlichen Instandsetzung und Nutzung eines Wohn- und Geschäftshauses gegründet worden. Das Grundstück hatten die Gründungsgesellschafter noch am selben Tag in die GbR eingebracht. Für diesen Einbringungsvorgang konnten sie wegen der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Aufnahme weiterer Gesellschafter und der dadurch bewirkten Minderung ihrer Beteiligungen auf zusammen 10 v.H. die Steuerbegünstigung des § 5 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) nur beschränkt in Anspruch nehmen.

Nach § 15 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der GbR war jeder zusätzlich eintretende Gesellschafter zu einer nach dem Finanzbedarf für eine bestimmte noch zu sanierende Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheit bemessenen Bareinlage verpflichtet. Bei Auflösung der GbR oder bei Austritt eines Gesellschafters erhält der Gesellschafter eine Sachabfindung in Gestalt der von ihm finanzierten Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheit. Jeder Gesellschafter kann die GbR unter Einhaltung einer Frist von einem Jahr auf das Ende des Geschäftsjahres kündigen, und zwar frühestens zum 31. Dezember 2005. Beabsichtigt ein Gesellschafter die Selbstnutzung der von ihm finanzierten Eigentumseinheit, ist er mit der Rechtsfolge des sofortigen Ausscheidens zur Kündigung der GbR verpflichtet. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann er gegen Abfindung mit der von ihm finanzierten Eigentumseinheit ausgeschlossen werden. Schließlich sah der Gesellschaftsvertrag vor, die GbR solle etwaige Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (FördG) i.d.F. vom 23. September 1993 (BGBl I, 1654) in der Weise beanspruchen, dass sie jedem Gesellschafter unabhängig vom Datum seines Eintritts in die Gesellschaft in der Höhe zugute kommen, wie sie auf die von ihm finanzierte Eigentumseinheit entfallen. Die Vereinbarungen über den Gesellschaftsbeitritt des Klägers sahen eine Bareinlage von 265 000 DM und ggf. eine Sachabfindung in Gestalt einer näher bezeichneten Eigentumswohnung vor.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ist der Ansicht, die vom Kläger erlangte Gesellschafterstellung in der GbR komme im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis einem Wohnungseigentum gleich. Daher unterliege die Einräumung dieser Gesellschafterstellung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) wegen Gestaltungsmissbrauchs der Grunderwerbsteuer. Infolgedessen setzte er mit Bescheid vom 11. August 1998 Grunderwerbsteuer von 9 296 DM gegen den Kläger fest.

Der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Das FG folgte dem Kläger, der vorgetragen hatte, die gewählte Gestaltung sei nicht missbräuchlich, sondern notwendig gewesen, um dem einzelnen Gesellschafter die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz für den auf seine Eigentumseinheit entfallenen Sanierungsaufwand zu ermöglichen. Das FG fügte erläuternd an, hätte der Kläger im Dezember 1997 anstatt der Gesellschaftsbeteiligung die Eigentumswohnung erworben, wären gemäß § 3 Satz 3 Nr. 1 FördG die 50 v.H.-Sonderabschreibungen gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 FördG auf den bis Ende 1996 entstandenen Sanierungsaufwand verloren gegangen.

Mit der Revision rügt das FA eine fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO 1977. Zur Begründung trägt es vor, die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz wären dem Kläger auch dann erhalten geblieben, wenn die erworbene Gesellschaftsbeteiligung rechtlich nicht mit einer konkreten Eigentumswohnung verknüpft gewesen wäre. Im Übrigen sei das FG von den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. März 1992 II R 46/89 (BFHE 167, 448, BStBl II 1992, 680) sowie vom 2. Februar 1994 II R 84/90 (BFH/NV 1994, 824) abgewichen.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht einen Gestaltungsmissbrauch zur Umgehung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verneint.

1. Der Erwerb einer Beteiligung an einer grundbesitzenden Personengesellschaft begründet keinen Anspruch des Erwerbers auf Übereignung von Gesellschaftsgrundstücken und unterliegt daher nicht der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann ein Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft jedoch gesellschaftsvertraglich so ausgestaltet sein, dass dessen Erwerb im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis dem Erwerb des Eigentums an einem Grundstück --ggf. in Gestalt einer Eigentumswohnung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG-- gleichkommt (so Urteile vom 7. Februar 2001 II R 35/99, BFH/NV 2001, 1144; in BFH/NV 1994, 824, sowie in BFHE 167, 448, BStBl II 1992, 680). Dies ist dann der Fall, wenn die Beteiligung an einer Personengesellschaft mit einer besonderen Berechtigung an einem der Gesellschaft gehörenden Grundstück verbunden ist und der Gesellschafter ggf. durch einseitige Erklärung (z.B. Kündigung oder Auflösung der Gesellschaft) seine Gesellschafterstellung ohne weiteres in einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an diesem Grundstück "umwandeln" kann. Dann ergibt sich bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Gesellschaftsanteils für den Fall des Ausscheidens oder der Auflösung der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsvertrag ein konkreter Übereignungsanspruch (so BFH in BFH/NV 2001, 1144). Wird ein derart ausgestalteter Gesellschaftsanteil erworben, ersetzt der Anteilserwerb die Übertragung des Grundstückseigentums, dessen Auswahl den Gesellschaftsanteil bestimmt hat. Denn die gewählte Konstruktion des Erwerbs derart ausgestalteter Gesellschaftsrechte ermöglicht infolge der Steuerfreiheit des Wechsels im Gesellschafterbestand einer Gesamthand sowie der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 2 oder § 7 Abs. 2 GrEStG eine grunderwerbsteuerfreie Überleitung des durch den Gesellschaftsanteil repräsentierten Grundstücks. Darin liegt ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. von § 42 Satz 1 AO 1977 (vgl. BFH in BFHE 167, 448, BStBl II 1992, 680, 682).

2. Im Streitfall hat der Kläger durch seine Aufnahme in die GbR einen Gesellschaftsanteil erworben, der so mit einer Berechtigung an der konkreten Eigentumswohnung verbunden ist, dass er seine Gesellschafterstellung ohne weiteres durch einseitige Erklärung in einen Anspruch auf Übereignung dieser Eigentumswohnung überleiten kann. Dies ergibt sich nicht aus der Kündigungsregelung in § 2 des Gesellschaftsvertrages, wonach dessen Kündigung frühestens zum 31. Dezember 2005 erklärt werden kann und dabei eine Frist von einem Jahr einzuhalten ist, sondern aus der Regelung in § 1 Abs. 2 des Vertrages, wonach zwar eine Selbstnutzung des Gebäudes nicht erfolgen soll, der einzelne Gesellschafter gleichwohl nicht gehindert ist, die mit seinem Gesellschaftsanteil gesellschaftsvertraglich verbundene Wohnung doch selbst zu nutzen. Für diesen Fall schreibt nämlich § 1 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages vor, dass schon die Absicht einer Selbstnutzung den betreffenden Gesellschafter zur Kündigung des Gesellschaftsvertrages verpflichtet und diese Kündigung sein Ausscheiden aus der Gesellschaft bewirkt, und zwar nach § 18 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages mit der Folge, dass er mit der Eigentumswohnung abzufinden ist. Dadurch ist gewährleistet, dass der Gesellschafter jederzeit die Übertragung der Wohnung auf sich herbeiführen kann.

Der darin liegende Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO 1977 wird durch die Absicht der Gründungsgesellschafter, den später hinzutretenden Gesellschaftern die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz bezogen auf eine bestimmte Eigentumseinheit zukommen zu lassen, nicht ausgeschlossen. Mit Urteil vom 6. März 1996 II R 38/93 (BFHE 179, 443, BStBl II 1996, 377) und bestätigt durch Beschluss vom 18. Mai 1999 II B 104/98 (BFH/NV 1999, 1640) hat der BFH ausgesprochen, dass es ohne Belang ist, wie die gewählte Rechtsgestaltung unter außersteuerrechtlichen oder anderen steuerrechtlichen Gesichtspunkten wie etwa dem eines gemeindlichen Vorkaufsrechts oder dem der Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz zu beurteilen ist. § 42 Satz 1 AO 1977 versagt es dem Steuerpflichtigen lediglich, sich bei Anwendung des Steuergesetzes --d.h. vorliegend des Grunderwerbsteuergesetzes-- darauf zu berufen, dass die gewählte Gestaltung den gesetzlichen Tatbestand, nämlich hier den § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, nicht erfüllt, obwohl die Besteuerungswürdigkeit des Vorgangs entsprechend der im Grunderwerbsteuergesetz umschriebenen typischen zivilrechtlichen Gestaltung, nämlich dem Erwerb der konkreten Eigentumswohnung, gleichwohl bestehen bleibt. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.

3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet. Der Besteuerung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Einbringung des Grundstücks in die GbR durch die Gründungsgesellschafter überwiegend der Grunderwerbsteuer unterworfen worden ist. An dem Projekt der Sanierung des Grundstücks an der Leipziger Straße waren grunderwerbsteuerrechtlich nacheinander drei Rechtsträger beteiligt, nämlich zunächst die Gründungsgesellschafter, dann die GbR und schließlich infolge des § 42 AO 1977 der einzelne Neugesellschafter. Daraus ergeben sich zwei Rechtsträgerwechsel, die jeder für sich grunderwerbsteuerrechtlich zu beurteilen und ggf. zu besteuern waren.



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