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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.10.2008
Aktenzeichen: II R 25/06
Rechtsgebiete: VStG, AO


Vorschriften:

VStG § 19 Abs. 1 S. 1
VStG § 19 Abs. 2
VStG § 19 Abs. 3
AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die bis dahin nicht vermögensteuerpflichtige Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erbte von ihrem im Juni 1989 verstorbenen Vater ein Vermögen von rund 4 Mio. DM. Anfang Oktober 1991 verlegte sie ihren Wohnsitz in die USA, ohne jemals Vermögensteuererklärungen abgegeben zu haben. Sie wurde auch nicht wirksam zur Abgabe von Vermögensteuererklärungen aufgefordert.

Nach einer Steuerfahndungsprüfung, die im Dezember 1997 begonnen worden war, schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) das steuerpflichtige Vermögen der Klägerin infolge des Erbfalls auf 3 610 000 DM und erließ am 19. Juni 2001 einen als "Neuveranlagungsbescheid" bezeichneten Nachveranlagungsbescheid über Vermögensteuer auf den 1. Januar 1990 und 1. Januar 1991 in Höhe von jeweils 18 005 DM zuzüglich Nachzahlungszinsen in Höhe von jeweils 4 320 DM sowie am 24. Juli 2001 einen Bescheid über weitere Hinterziehungszinsen in Höhe von jeweils 6 120 DM.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies das Finanzgericht (FG) auch die Klage gegen den Vermögensteuerbescheid, mit der sich die Klägerin gegen die Annahme einer Steuerhinterziehung gewandt hatte, ab. Die Klägerin sei gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a des Vermögensteuergesetzes (VStG) auch ohne Aufforderung durch das FA verpflichtet gewesen, Vermögensteuererklärungen auf den 1. Januar 1990 und 1. Januar 1991 abzugeben, da ihr Gesamtvermögen nach dem Erbfall wesentlich größer als 70 000 DM gewesen sei. Da dies nicht geschehen sei, habe sich die Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung auf zehn Jahre verlängert.

Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 19 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a VStG.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG, soweit es die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1990 und 1. Januar 1991 betrifft, sowie den Vermögensteuerbescheid vom 19. Juni 2001 auf den 1. Januar 1990 und 1. Januar 1991 und den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 24. Juli 2001 --beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2002; den Zinsbescheid allerdings beschränkt auf die Zinsen für die Vermögensteuer-- aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG, soweit es die Vermögensteuer auf den 1. Januar 1990 und den 1. Januar 1991 nebst Zinsen betrifft, sowie der Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1990 und 1. Januar 1991 und der Bescheid über Hinterziehungszinsen bezüglich dieser Steuer --jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. April 2002-- waren aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat verkannt, dass sich eine Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe von Vermögensteuererklärungen ohne vorherige Aufforderung durch das FA nicht aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a VStG ergeben kann.

1. Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 VStG sind Vermögensteuererklärungen auf jeden Hauptfeststellungszeitpunkt abzugeben. Für andere Veranlagungszeitpunkte hat gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 VStG eine Erklärung abzugeben, wer von den Finanzbehörden gemäß § 149 der Abgabenordnung (AO) dazu aufgefordert wird. Daran ändert § 19 Abs. 2 und 3 VStG nichts. Entgegen der Auffassung des FG regelt § 19 Abs. 2 und 3 VStG lediglich den Personenkreis, den gemäß Abs. 1 der Vorschrift --ggf. nach Aufforderung durch die zuständige Behörde-- die Pflicht zur Abgabe einer Vermögensteuererklärung trifft bzw. treffen kann. Die Pflicht selbst ergibt sich ausschließlich aus § 19 Abs. 1 VStG. Da der Vorentscheidung eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, war sie aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Der Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1990 und 1. Januar 1991 ist ebenso aufzuheben wie der Bescheid über die Hinterziehungszinsen bezüglich dieser Steuern. Die Vermögensteuer für 1990 und 1991 war bei Erlass des angefochtenen Steuerbescheides bereits festsetzungsverjährt.

Hauptveranlagungszeitpunkte der Vermögensteuer waren der 1. Januar 1989 und 1993. An beiden Stichtagen war die Klägerin nicht vermögensteuerpflichtig, und zwar weder unbeschränkt (zum 1. Januar 1989) noch beschränkt (zum 1. Januar 1993). Soweit das FA in der Revisionserwiderung nach mehr als zehn Jahren und trotz zwischenzeitlicher Steuerfahndungsprüfung erstmals vorträgt, der Klägerin habe zum 1. Januar 1993 Inlandsvermögen i.S. des § 121 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl. I 1992, 297) von mindestens 20 000 DM gehört (§ 9 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 VStG), ist dieses Vorbringen unter Berücksichtigung des Akteninhalts zu wenig substantiiert, um die Möglichkeit einer beschränkten Steuerpflicht auf den 1. Januar 1993 und eine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz in Betracht zu ziehen. War die Klägerin aber auf die Hauptfeststellungszeitpunkte 1. Januar 1989 und 1993 nicht vermögensteuerpflichtig, konnte eine Erklärungspflicht auf die streitbefangenen Stichtage 1. Januar 1990 und 1991 nur entstehen, wenn das FA bei der Klägerin gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 AO Steuererklärungen auf diese Zeitpunkte wirksam angefordert hätte. Dies ist nicht geschehen. Ein erster dahingehender Versuch ist gescheitert, ein zweiter Versuch nicht mehr unternommen worden.

Mangels Erklärungspflicht scheidet eine Hinterziehung der Vermögensteuer 1990 und 1991 durch Unterlassen i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO aus. Infolgedessen ist es im Streitfall bei der vierjährigen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO geblieben, deren Anlauf auch nicht gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt worden sein kann. Mithin endete die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 1994 bzw. 1995. Zu einer Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 AO ist es nicht gekommen. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. Dezember 2005 II R 63/04 (BFH/NV 2006, 1061) kann sich das FA nicht berufen, da es an eine Erklärungspflicht auf den nachfolgenden Hauptfeststellungszeitpunkt anknüpft, an der es im Streitfall gerade fehlt.



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