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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 06.07.2005
Aktenzeichen: II R 28/02
Rechtsgebiete: ErbStG, FGO, ZPO
Vorschriften:
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1 | |
ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4 a | |
FGO § 10 Abs. 3 | |
FGO § 51 | |
ZPO § 41 | |
ZPO § 42 | |
ZPO § 43 | |
ZPO § 44 | |
ZPO § 45 | |
ZPO § 46 | |
ZPO § 47 | |
ZPO § 48 | |
ZPO § 49 |
Gründe:
I. Der Antragsteller, Kläger und Revisionskläger (Antragsteller) und seine --im April 1995 verstorbene-- Ehefrau lebten seit ihrer Eheschließung im Jahr 1975 im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Mit Ehevertrag vom 17. Oktober 1990 vereinbarten die Ehegatten, dass die bisher entstandenen Zugewinnansprüche (mit Ausnahme des Wertes der Praxis des Antragstellers) ausgeglichen werden, wobei die Ehegatten ausdrücklich vereinbarten, dass es beim gesetzlichen Güterstand "auch weiterhin bleiben" soll.
Den Zugewinn der Ehegatten und die der Ehefrau des Antragstellers zustehende Zugewinnausgleichsforderung berechneten die Ehegatten weder im Einzelnen noch bezifferten sie die Ausgleichsforderung. Im Vertrag wurden die zum Ausgleich des Zugewinns zu übertragenden Vermögensgegenstände benannt. Im Übrigen verzichteten die Ehegatten wechselseitig auf den Ausgleich eines weitergehenden Zugewinns sowie auf Rückforderungsansprüche, falls der vereinbarte Ausgleich zu hoch ausgefallen sei. Weiter bestimmten die Ehegatten, dass zum Anfangsvermögen für die zukünftige Berechnung des Zugewinns die Vermögensgegenstände gehören sollten, die sich am 31. Dezember 1990 im Eigentum der Ehegatten befinden.
Das seinerzeit zuständige Finanzamt setzte mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom ... gegen den Antragsteller als Gesamtrechtsnachfolger nach seiner Ehefrau Schenkungsteuer in Höhe von 69 570 DM fest. Es legte seiner Berechnung hierbei die vom Antragsteller in einem Schreiben ... erklärten Werte zu Grunde.
Mit Bescheid lehnte das Finanzamt den Antrag des Antragstellers ab, die mit Wirkung vom 31. Mai 1994 eingefügte Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) im Billigkeitswege anzuwenden und die Steuer im näher bezeichneten Umfang zu erlassen (§ 163 der Abgabenordnung --AO 1977--).
Der mittlerweile zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erhöhte mit Einspruchsentscheidung vom ... die Steuer auf 76 940 DM. Die Änderung beruhte auf den Angaben, die der Antragsteller in der Anlage zur Schenkungsteuererklärung vom ... gemacht hatte.
Der Einspruch gegen die Versagung des Billigkeitserlasses wurde mit Entscheidung vom ... als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage gegen beide Entscheidungen hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1254 veröffentlichten Entscheidung davon aus, dass mangels Beendigung des gesetzlichen Güterstandes die Voraussetzungen einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vorgelegen haben. Auch habe das FA das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass ermessensfehlerfrei verneint.
Mit seiner Revision verfolgt der Antragsteller seine bereits im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemachte Rechtsauffassung weiter. Im Kern macht er geltend, dass die zivilrechtlich gegebene Möglichkeit, den Zugewinn auch bei fortbestehender Zugewinngemeinschaft zwischenzeitlich auszugleichen, steuerrechtlich anzuerkennen sei. Jedenfalls sei der Ehevertrag so auszulegen, dass die getroffenen Vereinbarungen einer Beendigung und Wiederbegründung des gesetzlichen Güterstandes gleichkämen.
Mit Schreiben vom ... beantragte der Antragsteller, den Richter am Bundesfinanzhof ... für befangen zu erklären.
In seiner dienstlichen Äußerung hat sich Richter am Bundesfinanzhof ... für nicht befangen erklärt.
II. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig; es war daher zu verwerfen.
1. Für die Ablehnung von Gerichtspersonen gelten nach § 51 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die §§ 41 bis 49 der Zivilprozessordnung (ZPO) sinngemäß. Aufgrund des § 45 ZPO entscheidet über das Ablehnungsgesuch das Gericht, dem der Abgelehnte angehört. Nach ständiger Rechtsprechung entscheidet bei Kollegialgerichten derjenige Senat, zu dem der abgelehnte Richter gehört (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juli 1996 VI B 15/96, BFH/NV 1997, 130). Gemäß § 46 ZPO ist über ein Ablehnungsgesuch im Regelfall durch gesonderten Beschluss in einem selbständigen Zwischenverfahren, nicht erst im Rahmen der die Hauptsache abschließenden Entscheidung zu befinden (BFH-Beschluss vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217).
Der Senat entscheidet daher gemäß § 10 Abs. 3 FGO in der Besetzung mit drei der nicht abgelehnten Richter, die mit der Hauptsache befasst sind.
2. Ein Richter kann gemäß § 42 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Gründe für ein derartiges Misstrauen sind gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, dass der Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde. Unerheblich ist, ob ein solcher Grund wirklich vorliegt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555).
3. Nach § 51 FGO i.V.m. § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.
a) Ein "Einlassen" in eine Verhandlung bedeutet jedes prozessuale und der Erledigung eines Streitpunktes dienende Handeln unter Mitwirkung des Richters. Hierzu gehört auch das Einreichen eines (unterzeichneten) Schriftsatzes, etwa eines Klageschriftsatzes, mit dem die Klageanträge gestellt werden (vgl. m.w.N. BFH-Beschluss vom 29. März 2000 I B 90/99, BFH/NV 2000, 1220).
Anträge i.S. des § 43 ZPO sind --auch schriftliche-- Sachanträge und grundsätzlich auch Prozessanträge; denn der Zweck des § 43 ZPO ist es, den Ablehnungsberechtigten zu veranlassen, sich sofort nach Kenntnis eines Befangenheitsgrundes zu entscheiden, ob er sich darauf berufen will oder nicht; ob ein Richter am Verfahren mitwirken darf, soll nicht in der Schwebe bleiben (BFH-Urteil vom 23. Mai 2000 VIII R 20/99, BFH/NV 2000, 1359, unter 1. b).
b) Im vorliegenden Verfahren hat sich der Antragsteller im vorgenannten Sinne eingelassen, ohne die Besorgnis der Befangenheit geltend zu machen, und ist daher seines Ablehnungsrechts verlustig gegangen.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 30. Juni 2002 Revision eingelegt. Mit Schreiben der Geschäftsstelle vom 4. Juli 2002 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass die Streitsache dem BFH vorliegt und in die Zuständigkeit des II. Senats fällt, dem der Richter am Bundesfinanzhof ... angehört. Im Schriftsatz vom 15. September 2002 hat der Antragsteller seine Revisionsanträge gestellt und die Revision umfangreich begründet. Der Antragsteller hat sich somit in eine Verhandlung eingelassen. Die Besorgnis der Befangenheit hat er nicht geltend gemacht, obwohl ihm die Gründe, aus denen er die Besorgnis der Befangenheit folgert, bereits bekannt waren. So soll die Äußerung des Richters am Bundesfinanzhof ..., auf die sich der Antragsteller bezieht, am 23. Mai 2001 gefallen sein. Den Zeitschriftenartikel vom 24. September 2001, auf den sich der Antragsteller bezieht, kannte der Antragsteller ebenfalls, wie sich aus seiner Auseinandersetzung mit ihm in der Revisionsbegründungsschrift ergibt.
Der Antragsteller hat nach alledem sein Ablehnungsrecht verloren. Der Verlust des Ablehnungsrechts nach § 43 ZPO führt zur Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuches (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1359; BFH-Beschlüsse vom 22. März 1994 X B 81/93, BFH/NV 1994, 498, und vom 20. Dezember 2000 XI R 34/99, BFH/NV 2001, 797).
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da es sich um ein bloßes Zwischenverfahren handelt (BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1999 IX S 17/99, BFH/NV 2000, 478).
Ende der Entscheidung
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