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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: II R 34/04
Rechtsgebiete: GrEStG, FGO, BGB
Vorschriften:
GrEStG § 1 Abs. 2 | |
FGO § 126 Abs. 5 | |
BGB § 662 |
Gründe:
I. Zur Firmengruppe der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einem Bankunternehmen, gehörte im Jahr 1991 die X Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH (X-GmbH). Diese wiederum war Komplementärin der Y-KG (KG), zu deren Kommanditisten mehrere Regionalbanken sowie eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Klägerin gehörten.
Die Klägerin bediente sich u.a. der KG als Grundstücksverwertungsgesellschaft bei der Abwicklung des übernommenen Immobilienkreditgeschäfts einer in finanzielle Schieflage geratenen Bank, wobei die KG die in die Zwangsversteigerung geratenen beliehenen Grundstücke ersteigerte. Die dazu erforderlichen Mittel stellte die Klägerin der KG im Wege einer sog. Objektfinanzierung darlehensweise zur Verfügung. Der KG war zugesichert, die Mittel nur insoweit zurückzufordern, wie das der Verwertungserlös zuließ. Im Einzelfall schloss die Klägerin mit der KG vor dem Versteigerungstermin sog. Garantievereinbarungen, wonach die KG unter der Bedingung, dass ihr der Zuschlag erteilt wird, der Klägerin die Zahlung des Betrages garantierte, der sich bei einem Meistgebot in Höhe des gerichtlich festgestellten Verkehrswerts nach Abzug von 3 % dieses Werts ergäbe.
Auf diese Weise ersteigerte die KG bestimmte Miteigentumsanteile an Grundstücken, die ihr im Juli 1991 für einen bar zu zahlenden Betrag von 14 000 DM zugeschlagen wurden. Im Zwangsversteigerungstermin waren die Klägerin und die KG durch dieselbe Person vertreten, der die Klägerin Vollmacht für sich und Untervollmacht für die KG erteilt hatte. Vor dem Versteigerungstermin hatte die KG der Klägerin den Eingang eines Betrages von 21 195 DM garantiert. Die Garantievereinbarung war auf der Grundlage eines Angebots zur Übernahme der Garantie, das die Klägerin der KG mit Schreiben vom 11. Juni 1991 übermittelt hatte, geschlossen worden.
Das seinerzeit zuständige Finanzamt war der Ansicht, mit dem Erwerb der Miteigentumsanteile durch die KG sei zugleich in der Person der Klägerin der Tatbestand des § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) erfüllt worden, und setzte mit Bescheid vom 5. März 1993 Grunderwerbsteuer in Höhe von 285 DM gegen die Klägerin fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang abgewiesen. Der erkennende Senat hat auf die Revision der Klägerin das klageabweisende Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 2000 II R 55/98, BFHE 194, 245, BStBl II 2001, 419). Der Senat hat ausgeführt, dass eine sich aus einem Auftragsverhältnis (§ 662 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) ergebende Rechtsmacht i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG nur angenommen werden könne, wenn der Abschluss eines derartigen Vertrags festgestellt sei. Die Feststellung gesellschaftsrechtlicher, wirtschaftlicher oder personeller Verflechtungen reiche nicht aus.
Im zweiten Rechtsgang wies das FG nach Vernehmung des Geschäftsführers der X-GmbH, des Zeugen S, die Klage ab. Es entschied, dass zwischen der Klägerin und der KG ein Auftragsverhältnis bestanden habe, das die KG verpflichtet habe, in dem finanziellen Rahmen der Garantievereinbarung die Miteigentumsanteile selbst, jedoch auf Rechnung der Klägerin zu ersteigern und später auf deren Rechnung zu verwerten.
Mit der hiergegen eingelegten Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 1 Abs. 2 GrEStG.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG, den Grunderwerbsteuerbescheid sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das nunmehr zuständige Finanzamt --FA--) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Vorentscheidung verletzt § 1 Abs. 2 GrEStG. Das FG hat zu Unrecht angenommen, die KG habe die Miteigentumsanteile an den Grundstücken im Auftrag der Klägerin erworben. Die Annahme des FG, das an die KG gerichtete Schreiben der Klägerin vom 11. Juni 1991 sei nicht nur als Angebot zur Garantieübernahme, sondern als (konkludentes) Angebot zur Übernahme eines Auftrags zu werten und die KG habe dieses Angebot durch Unterzeichnung der Garantieerklärung und Rückgabe dieser Erklärung angenommen, hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1. In seinem die Zurückverweisung aussprechenden Urteil hat der Senat mit bindender Wirkung für das FG (§ 126 Abs. 5 FGO) entschieden, dass der im Streitfall abgeschlossenen Garantievereinbarung kein Auftrag an die KG zur Ersteigerung der Grundstücke zu entnehmen sei. Dabei hat der Senat der Garantievereinbarung lediglich die Verpflichtung der KG entnommen, an die Klägerin im Falle der Zuschlagserteilung einen bestimmten Mindestbetrag zu zahlen. Wenn nach den vom FG im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen beim Abschluss der Garantievereinbarung zugleich ein Auftragsverhältnis zwischen der Klägerin und der KG begründet worden wäre, käme zwar eine Änderung des vom Senat im zurückverweisenden Urteil zugrunde gelegten Sachverhalts in Betracht. In einem solchen Fall entfiele die Bindung des FG nach § 126 Abs. 5 FGO; dies gilt auch dann, wenn der geänderte Sachverhalt schon früher so vorlag, aber erst im zweiten Rechtsgang festgestellt wird (Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 126 FGO Rz 81, m.w.N.). Die Voraussetzungen einer solchen Änderung des Sachverhalts sind indes vorliegend nicht gegeben. 2. Der vom FG im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellung, die KG habe bei der Ersteigerung der fraglichen Miteigentumsanteile aufgrund eines ihr von der Klägerin erteilten Auftrags gehandelt, fehlt eine tragfähige Entscheidungsgrundlage. Das FG hat bei der Aufklärung des Sachverhalts die der freien richterlichen Beweiswürdigung gesetzten Grenzen überschritten.
a) Die Bindungswirkung für den BFH hinsichtlich der vom FG getroffenen Feststellungen zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt entfällt, wenn die Tatsachenwürdigung des FG gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt (BFH-Urteile vom 19. März 1982 VI R 25/80, BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442; vom 17. Mai 2005 VII R 76/04, BFHE 210, 70, BFH/NV 2005, 1713). Insbesondere tritt eine Bindung dann nicht ein, wenn es den Feststellungen des FG an einer hinreichenden Grundlage fehlt, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt nachzuvollziehen, wie das FG zu der seine Entscheidung tragenden Überzeugung gelangt ist, oder wenn das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis der Beweiswürdigung überhaupt nicht kommen konnte (BFH-Urteile vom 11. April 2002 VII R 1/02, BFH/NV 2002, 950; in BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442) und sich die getroffenen Feststellungen in Wahrheit als Mutmaßungen oder bloße Unterstellungen erweisen.
b) Im Streitfall hat das FG mit seiner Annahme, die Klägerin sei gegenüber der KG "eindeutig" nicht aus ihrer auf der bestehenden gesellschaftsrechtlichen, personellen und wirtschaftlichen Verflechtung beruhenden Rechtsstellung gegenüber der KG tätig geworden und die KG habe bei der Ersteigerung der fraglichen Miteigentumsanteile im Auftrag der Klägerin gehandelt, gesetzliche Auslegungsregeln verletzt und die Grundsätze der Beweis- und Tatsachenwürdigung in nicht nachvollziehbarer Weise angewendet.
aa) Nach den vom FG getroffenen Feststellungen ist eine ausdrückliche schriftliche Auftragserteilung der Klägerin an die KG nicht erfolgt. Das FG hat jedoch das unter dem 11. Juni 1991 an die KG gerichtete Schreiben der Klägerin nicht nur als Angebot zur Garantieübernahme, sondern als konkretes Angebot zur Übernahme eines Auftrags an die KG, die Miteigentumsanteile zu ersteigern und auf Rechnung der Klägerin zu verwerten, gewürdigt.
Diese Beurteilung des FG ist --wie dieses selbst erkannt hat-- durch den Wortlaut des genannten Schreibens vom 11. Juni 1991 nicht gedeckt. Denn Gegenstand dieses Schreibens war nach seinem Wortlaut ausschließlich das --von der Klägerin später angenommene-- Angebot zum Abschluss eines Garantievertrags. Hat --wie vorliegend-- eine Willenserklärung einen eindeutigen Inhalt, ist für eine Auslegung kein Raum (Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl., § 133 Rz 6, m.w.N.).
bb) Soweit das FG unter Berücksichtigung der Begleitumstände, unter denen es zum Abschluss der Garantievereinbarung gekommen ist, auf ein konkludentes Angebot der Klägerin zum Abschluss eines Erwerbs- und Verwertungsauftrags geschlossen hat, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung. Zwar mag es wegen der bei der Vertragsauslegung gebotenen Einbeziehung der außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 133 Rz 15) grundsätzlich nicht zu beanstanden sein, wenn das FG bei der Auslegung "auf das Bündel der Einzelmaßnahmen als Gesamtkomplex und nicht nur auf Teilaspekte" abstellen will. Dies entbindet jedoch das FG nicht von seiner Verpflichtung, zunächst den --eine rechtsgeschäftliche Erklärung erst konstituierenden-- Erklärungstatbestand und damit die für die Auslegung relevanten Tatsachen festzustellen. Derartige Tatsachen zum Beleg dafür, dass das Angebot der Klägerin zur Garantieübernahme als "konkretes Angebot zur Übernahme eines Auftrags" ausgestaltet war und auch die Beteiligten "offensichtlich" von einem Auftragsverhältnis ausgegangen sind, hat das FG indes nicht festgestellt.
cc) Soweit das FG sein Beweisergebnis auf dem "Hintergrund" der Aussage des Zeugen S gewonnen hat, erschließt sich daraus keine rechtsgeschäftliche Erklärung der Klägerin zum Abschluss eines Vertrags i.S. des § 662 BGB. Insbesondere konnte das FG einen solchen Erklärungstatbestand nicht daraus entnehmen, dass in der Vergangenheit "in einer Vielzahl von Fällen" nach dem von dem Zeugen S geschilderten, im Wesentlichen "gleichgelagerten Geschehensablauf" verfahren wurde. Aus diesem vom Zeugen S geschilderten Geschehensablauf und den vom FG getroffenen Feststellungen zum Vorgehen der Beteiligten bei der Vorbereitung und nachfolgenden Abwicklung des Versteigerungstermins ergeben sich zwar Hinweise auf eine Einflussnahme der Klägerin auf die Geschäfte der KG. Insoweit hat aber der Senat in seinem im ersten Rechtsgang ergangenen Urteil mit bindender Wirkung festgestellt, dass derartige Hinweise auf eine Einflussnahme der Klägerin noch keine rechtsgeschäftliche Begründung eines Auftragsverhältnisses begründen.
dd) Soweit das FG das als (konkludentes) Angebot zur Garantieübernahme bezeichnete Schreiben der Klägerin an die KG vom 11. Juni 1991 als "konkretes Angebot zur Übernahme eines Auftrags" bewertet, sind konkrete Anhaltspunkte für eine solche Erklärungshandlung nicht bezeichnet und auch nicht ersichtlich. Solche Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere nicht aus den der KG mit dem Schreiben vom 11. Juni 1991 zugeleiteten "wesentlichen Unterlagen für ihre abschließende Prüfung und für die Entscheidung über eine Ersteigerung". Ein konkludentes Angebot zum Abschluss einer Auftragsvereinbarung ist ebenfalls nicht mit dem Hinweis des FG auf die Eigenständigkeit und Eigenverantwortung der Klägerin auf der Auftragsseite sowie durch den Hinweis darauf, dass mit der Übersendung des Schreibens vom 11. Juni 1991 eine "Konkretisierung der Zielvorgabe, ein bestimmtes Grundstück durch die KG ersteigern zu lassen" erfolgt sei, belegt.
Damit erweist sich die vom FG gefundene Schlussfolgerung, auch soweit es als Grund für die fehlende ausdrückliche Auftragserteilung in Schriftform eine nicht vollständige Vorlage von Unterlagen durch die Klägerin sowie die grunderwerbsteuerrechtlichen Folgen eines schriftlichen Auftrags erwägt, als Ergebnis von Mutmaßungen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 5. März 1993 und der Einspruchsbescheid vom 24. März 1994 sind aufzuheben. Die KG hat bei dem Erwerb der fraglichen Miteigentumsanteile nicht auf der Grundlage eines mit der Klägerin begründeten Auftragsverhältnisses, sondern lediglich aufgrund gesellschaftsvertraglicher oder außerrechtlicher, rein tatsächlicher Einflussmöglichkeiten der Klägerin gehandelt. Damit ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG in der Person der Klägerin nicht erfüllt.
Ende der Entscheidung
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