Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.03.2000
Aktenzeichen: II R 34/98
Rechtsgebiete: FGO, GrEStG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
FGO § 121 Satz 1
FGO § 90 Abs. 2
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG § 8 Abs. 1
GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 17. Dezember 1992 kaufte der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) von einer Bauunternehmung (GmbH) ein Grundstück zum Zwecke der Bebauung mit einer Doppelhaushälfte. Der Kaufvertrag enthielt keine Ausführungen zur Errichtung des Gebäudes. Dies gilt auch für den wenige Monate später erfolgten Verkauf des Nachbargrundstücks, auf dem die andere Doppelhaushälfte errichtet werden sollte. Am 30. August 1993 schloss der Kläger mit der Verkäuferin einen Vertrag über die schlüsselfertige Erstellung einer Doppelhaushälfte auf dem erworbenen Grundstück.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte durch (Änderungs-)Bescheid Grunderwerbsteuer gegen den Kläger fest. Als Bemessungsgrundlage berücksichtigte er neben dem vereinbarten Grundstückskaufpreis auch die Bauerrichtungskosten. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte zur Begründung aus, Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei das unbebaute Grundstück gewesen. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages sei der Kläger weder rechtlich noch faktisch gebunden gewesen, das Grundstück von der GmbH bebauen zu lassen. Er habe sich vielmehr ausdrücklich vorbehalten, die Bebauung unter Beauftragung eines anderen Bauunternehmers durchzuführen. Dies werde dadurch bestätigt, dass auch der Käufer des für die benachbarte Doppelhaushälfte bestimmten Grundstücks zunächst nur das Grundstück gekauft und den Bauvertrag erst später abgeschlossen habe. Beide Käufer seien in der Entscheidung, wie und mit welchem Unternehmer die Bebauung durchgeführt werden sollte, frei gewesen. Abweichend davon sei bezüglich vier anderer benachbarter Doppelhaushälften ein notarieller Grundstückskaufvertrag geschlossen worden, der auch die Gebäudeerrichtung umfasst habe. Der Kläger hingegen habe sich auch um Angebote anderer Unternehmer bemüht. Erst einige Monate nach Abschluss des Kaufvertrages habe er den Bauerrichtungsvertrag mit der GmbH geschlossen, weil diese das günstigste Angebot gemacht habe.

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Es führt aus, ein einheitliches Vertragswerk liege bereits dann vor, wenn der Veräußerer ein Grundstück mit zu errichtendem Gebäude einheitlich anbietet und der Grundstückskäufer letztlich dieses Angebot annimmt. Darauf, dass der Käufer die Möglichkeit habe, das Grundstück anderweitig zu bebauen oder den Gebäudeerrichtungsvertrag nicht abzuschließen, komme es nicht an. Schon die spätere Hinnahme des Angebots indiziere einen objektiv engen sachlichen Zusammenhang, und zwar unabhängig von der zeitlichen Abfolge des Abschlusses der Verträge. Das vom Kläger erworbene Grundstück sei bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrages mit einer Doppelhausbebauung angeboten worden. Die spätere Annahme des Bauangebots lasse auf einen engen sachlichen Zusammenhang und damit auf ein einheitliches Vertragswerk schließen.

Das FA beantragt, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er macht geltend, die GmbH habe bei Abschluss des Kaufvertrages weder eine konkrete Bauplanung noch eine Kostenberechnung vorgelegt. Die GmbH habe sein Grundstück sowie das benachbarte verkauft, um finanzielle Mittel für die Durchführung einer Bauträgermaßnahme auf den restlichen vier Grundstücksparzellen zu erlangen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs nicht beachtet.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1983 (GrEStG) unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben.

a) Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist dabei, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, BStBl II 1981, 537; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590). Die Grunderwerbsteuer knüpft zwar an einen auf den Eigentumserwerb an einem Grundstück gerichteten Rechtsvorgang (an das tatbestandserfüllende Rechtsgeschäft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) an. Erfasst werden soll von der Grunderwerbsteuer aber der tatsächliche Zustand des Grundstücks, der in Durchführung des auf den Eigentumserwerb gerichteten Rechtsvorgangs eintritt (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212). Gegenstand der auf die Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen kann das Grundstück in dem Zustand sein, den es im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hat, oder in einem (künftigen) Zustand, in den es erst zu versetzen ist (z.B. BFH-Urteil vom 5. Februar 1992 II R 110/88, BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357).

b) Ob als Gegenstand eines Erwerbsvorgangs das zukünftig bebaute Grundstück anzusehen ist, kann sich aus dem tatbestandserfüllenden Rechtsgeschäft, d.h. aus dem Inhalt der zivilrechtlichen Übereignungsverpflichtung des Veräußerers oder aus mit diesem Rechtsgeschäft in rechtlichem oder objektiv engem sachlichem Zusammenhang stehenden Vereinbarungen oder Umständen ergeben, die insgesamt zu dem Erfolg führen, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Ist das zukünftig bebaute Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs, so gehören gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG alle Aufwendungen des Grundstückserwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung, die von ihm für die Verschaffung des bebauten Grundstücks gewährt werden.

c) Ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang im vorstehend bezeichneten Sinne ist zum einen dann gegeben, wenn dem Erwerber aufgrund einer konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten wird und er dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur annehmen kann (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1994 II R 53/94, BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331, 333). Ohne Bedeutung ist es, wenn der Erwerber zunächst den Grundstückskaufvertrag abschließt und erst danach --wenn auch in engem zeitlichem Zusammenhang-- den zur Errichtung des Gebäudes notwendigen Vertrag. Denn bereits die Hinnahme des von der Anbieterseite vorbereiteten einheitlichen Angebots durch den Erwerber indiziert einen objektiven engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Vertrag (oder den Verträgen) über die Gebäudeerrichtung, unabhängig von der zeitlichen Abfolge der Vertragsabschlüsse, und ohne dass es darauf ankommt, ob tatsächlich (oder rechtlich) auch eine andere als die planmäßige Gestaltung hätte vorgenommen werden können (Senatsurteil in BFHE 176, 450, BStBl II 1995, 331, 334).

d) Ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den Verträgen, die der Errichtung des Gebäudes dienen, kann nach der Rechtsprechung des Senats zum andern auch in den Fällen vorliegen, in denen der Erwerber (spätestens) mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1991 II R 133/87, BFHE 164, 117, BStBl II 1991, 532).

2. Das FG hat diese Grundsätze nicht hinreichend beachtet. Es hat zwar geprüft, ob der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Bebauung frei war. Das FG hat jedoch nicht bedacht, dass es in bestimmten Fällen nicht darauf ankommt, ob dem Erwerber tatsächlich (oder rechtlich) auch eine eigene Gestaltung (der Bebauung) möglich gewesen wäre, nämlich dann, wenn ihm aufgrund einer konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis angeboten wird und er dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur annehmen kann (oben 1. c). Das FA hat behauptet, das Grundstück sei von der GmbH mit Doppelhausbebauung angeboten worden. Auch gerade wegen dieses Hinweises hätte das FG prüfen müssen, ob ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und Bauerrichtungsvertrag deswegen bestand, weil dem Kläger ein einheitliches Angebot im vorbezeichneten Sinne gemacht worden ist.

Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird das Vorliegen eines engen sachlichen Zusammenhangs auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt prüfen müssen, ob dem Kläger ein einheitliches Angebot von Grundstück und Gebäude gemacht worden ist. Hierfür könnte neben der Beiziehung der Bauakten auch die Ermittlung der Umstände aufschlussreich sein, die den Kläger zu einer "in unüblich hohem Maße ungesicherten Kaufpreiszahlung" (Abschn. 3 des Grundstückskaufvertrages) veranlasst haben.

Die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ergeht gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück