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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.07.1999
Aktenzeichen: II R 34/99
Rechtsgebiete: BFHEntlG, RADG
Vorschriften:
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1 Satz 1 | |
RADG § 4 Abs. 1 | |
RADG § 4 Abs. 2 |
Vor dem BFH kann sich ein Beteiligter durch einen in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, wenn dieser im Einvernehmen mit einem Rechtsanwalt oder einer anderen Person handelt, die gemäß Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFHEntlG zur Vertretung befugt ist. Einer Bevollmächtigung des Einvernehmensanwalts durch den Beteiligten bedarf es nicht. Das Einvernehmen ist jedoch schriftlich nachzuweisen.
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1 Satz 1 RADG § 4 Abs. 1 und 2
Beschluß vom 28. Juli 1999 - II R 34/99 -
Vorinstanz: FG Mecklenburg-Vorpommern
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine AG schwedischen Rechts, erwarb 1991 von der Treuhand sämtliche Geschäftsanteile an einer GmbH, die über umfangreichen Grundbesitz verfügte. Wegen dieses Erwerbs zog der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) die Klägerin gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes 1983 zur Grunderwerbsteuer heran, und zwar letztmals durch den gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid vom 7. April 1998 in Höhe von ... DM. Die Steuer war nach den Einheitswerten des Grundbesitzes der GmbH bemessen, wobei die Einheitswerte gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes a.F. mit 400 v.H. angesetzt waren. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Eine Revision ließ das Finanzgericht (FG) nicht zu.
Innerhalb der Rechtsmittelfrist legte die Klägerin "in erster Linie" Revision durch einen in Malmö ansässigen schwedischen Rechtsanwalt ein. Dieser wurde sowohl vom FG als auch vom Bundesfinanzhof (BFH) auf das Erfordernis hingewiesen nachzuweisen, daß er im Einvernehmen mit einer vor dem BFH vertretungsbefugten Person handele. Ein derartiger Nachweis ist nicht erfolgt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie den geänderten Grunderwerbsteuerbescheid vom 7. April 1998 und den vorausgegangenen Grunderwerbsteuerbescheid vom 26. September 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 1994 aufzuheben.
II.
Die Revision ist unzulässig. Der für die Klägerin aufgetretene Rechtsanwalt ist nicht postulationsfähig.
Vor dem BFH besteht Vertretungszwang. Gemäß Art. 1 Nr. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 --BFHEntlG-- (BGBl I, 1861) --zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. November 1996 (BGBl I, 1810)-- muß sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt gemäß Satz 2 der Vorschrift auch für die Einlegung der Revision sowie der Beschwerde. Nur die genannten Personen sind somit postulationsfähig. Die Vorschrift hat für Rechtsanwälte aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) zur Folge, daß sie sich eines sog. Einvernehmensanwalts bedienen müssen.
Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats der EU, die berechtigt sind, in ihrem Herkunftsland unter der jeweiligen Bezeichnung für Rechtsanwälte --in Schweden unter der Bezeichnung Advokat-- beruflich tätig zu werden, dürfen Dienstleistungen i.S. des Art. 60 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft --Art. 50 in der Fassung des Vertrages von Amsterdam-- in der Bundesrepublik Deutschland nur nach den Vorschriften des Gesetzes zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte vom 16. August 1980 (BGBl I, 1453), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. September 1994 (BGBl I, 2278, 2292) --RADG-- ausüben. Soweit die Dienstleistung darin besteht, vor einem deutschen Gericht aufzutreten, ist nach diesem Gesetz zu unterscheiden, ob Anwalts- oder Vertretungszwang besteht oder nicht, d.h. ob der Mandant selbst den Rechtsstreit führen oder sich verteidigen kann oder nicht. Gibt es bei dem angerufenen Gericht keinen Anwalts- oder Vertretungszwang, kann der Rechtsanwalt aus einem anderen Mitgliedstaat der EU seinen Mandanten grundsätzlich allein verantwortlich als Bevollmächtigter oder Verteidiger vertreten (so Henssler/Prütting-Schroeder/Federle, Bundesrechtsanwaltsordnung, Kommentar, 1997, § 4 RADG Anm. 4). Er hat dann gemäß § 2 Abs. 2 RADG lediglich auf Verlangen des Gerichts seine Berechtigung, im Herkunftsstaat als Rechtsanwalt beruflich tätig zu werden, nachzuweisen.
Besteht dagegen Anwalts- oder wie beim BFH Vertretungszwang, darf der Rechtsanwalt aus einem anderen Mitgliedstaat der EU gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 RADG nur im Einvernehmen mit einem Rechtsanwalt handeln, der zur Vertretung oder Verteidigung bei dem Gericht befugt ist. Diesem obliegt es gemäß Satz 2 der Vorschrift, gegenüber dem ausländischen Rechtsanwalt darauf hinzuwirken, daß bei der Vertretung oder Verteidigung die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege beachtet werden. Satz 3 der Vorschrift stellt klar, daß zwischen dem Einvernehmensanwalt und dem Mandanten kein Vertragsverhältnis zustande kommt, sofern die Beteiligten nichts anderes vereinbaren. Das Einvernehmen ist gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 RADG bei der ersten Handlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen. Handlungen, für die der Nachweis des Einvernehmens im Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht vorliegt, sind gemäß Satz 4 der Vorschrift unwirksam. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäisches Gemeinschaften vom 25. Februar 1988 Rs. 427/85 (Slg. 1988, 1154, Neue Juristische Wochenschrift 1988, 887) Rechnung getragen. Das Erfordernis einer Bevollmächtigung auch des Einvernehmensanwalts ist entfallen und der BFH-Beschluß vom 1. Februar 1989 I B 1/89 (BFHE 156, 37, BStBl II 1989, 517) insoweit überholt.
Ohne die Führung dieses Nachweises nach § 4 Abs. 2 RADG fehlt dem ausländischen Rechtsanwalt die Postulationsfähigkeit. Seine Prozeßhandlungen sind hiermit anders als die eines zunächst vollmachtlosen Vertreters auf Dauer unwirksam. Daß § 4 Abs. 2 Satz 4 RADG ein Nachholen des Nachweises mit der Folge, daß die ohne Nachweis vorgenommene Prozeßhandlung nachträglich wirksam wird, ausschließt und die für den Nachweis der Vollmacht geltende Regelung des § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht übernommen hat, hat seine Berechtigung in diesem Umstand der dauernden Unwirksamkeit. Dem zunächst ohne Vollmacht auftretenden (inländischen) Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer fehlt es nicht an der Postulationsfähigkeit, sondern an der Rechtsmacht, Prozeßhandlungen mit unmittelbarer Wirkung für und gegen den Vollmachtgeber vorzunehmen. Seinen Prozeßhandlungen kann nachträglich zugestimmt werden (§ 155 FGO i.V.m. § 89 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung).
Da im Streitfall der als Prozeßbevollmächtigter aufgetretene schwedische Rechtsanwalt die Revision eingelegt hat, ohne gleichzeitig sein Einvernehmen mit einem inländischen Rechtsanwalt nachgewiesen zu haben, ist von dem Rechtsmittel der Revision nicht wirksam Gebrauch gemacht worden. Wegen der Besonderheiten des vor dem BFH geltenden Vertretungszwangs hätte zwar auch das Einvernehmen mit einem inländischen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ausgereicht, doch auch eine Person dieser Berufsstände ist nicht eingeschaltet worden.
Ende der Entscheidung
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