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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.03.1999
Aktenzeichen: II R 35/97
Rechtsgebiete: GrEStG 1966 HA, GrEStG 1983


Vorschriften:

GrEStG 1966 HA § 1 Abs. 2 (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1983)
BUNDESFINANZHOF

Der nach § 1 Abs. 2 GrEStG HA (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1983) steuerpflichtige Erwerb des Rechts zur Verwertung eines Grundstücks "auf eigene Rechnung" erfordert nicht nur, daß der Berechtigte am wirtschaftlichen Ergebnis einer Verwertung des Grundbesitzes teilhat, sondern daß er diese Verwertung auch selbst herbeiführen, d.h. vom Grundstückseigentümer die Veräußerung des Grundstücks an bestimmte Personen verlangen kann. Die Befugnis, die Veräußerung des Grundstücks herbeizuführen, kann auch bei einem Dritten liegen, soweit gewährleistet ist, daß dieser im Interesse desjenigen tätig sein wird, dem das wirtschaftliche Ergebnis der Grundstücksveräußerung zukommt, der Dritte somit als Hilfsperson des aus der Grundstücksverwertung Begünstigten anzusehen ist (BFH-Urteil vom 21. Juli 1965 II 78/62 U, BFHE 83, 166, BStBl III 1965, 561). Dies ist dann der Fall, wenn zwischen dem wirtschaftlich Berechtigten und dem dispositionsbefugten Dritten ein entsprechendes schuldrechtliches (Auftrags-) Verhältnis besteht oder wenn es sich um Gesellschaften handelt, die aufgrund einer Gesellschafter-/Geschäftsführerverflechtung einer einheitlichen Willensbildung unterliegen.

GrEStG 1966 HA § 1 Abs. 2 (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1983)

Urteil vom 10. März 1999 - II R 35/97 -

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1997, 899)


Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist (Gesamt-) Rechtsnachfolgerin der A-GmbH und Co. KG (KG). Sie gehört zur Firmengruppe des B. Die KG schloß am 18. August 1981 mit dem Eigentümer eines Grundstücks (C) in notariell beurkundeter Form eine als "Vorfinanzierungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung. Hierin verpflichtete sich die KG, dem C ein Darlehen in Höhe von X DM bei einer Verzinsung von 18 v.H. p.a. zu gewähren. Das Darlehen wurde im Hinblick auf einen zu erwartenden Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks gewährt. Hierzu wurde in dem Vertrag Bezug genommen auf ein notariell-beurkundetes Verkaufsangebot des C an die D-GmbH vom gleichen Tage, mit dem C der D-GmbH das Grundstück zu einem Kaufpreis von ebenfalls X DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 18 v.H. p.a. bis zum Eintritt der Kaufpreisfälligkeit zum Kauf angeboten hatte. In dem Darlehensvertrag mit C wurde insoweit vereinbart, daß für den Fall der Annahme des Antrags durch die D-GmbH der Kredit zuzüglich Zinsen mit dem endgültigen Kaufpreis zu verrechnen sei. Sollte das Kaufangebot nicht angenommen werden und das Grundstück anderweitig verkauft werden, so sollte der erzielte Kaufpreis der KG in vollem Umfang gebühren. Persönlich sollte C in keinem Fall zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein.

Am 30. Oktober 1981 erteilte C der E-GmbH, die ebenfalls zur Firmengruppe des B gehört, unwiderruflich bis zum 31. Juli 1983 den alleinigen Auftrag, ihm Käufer für sein Grundstück bzw. für Miteigentumsanteile hieran nachzuweisen. C verpflichtete sich, während der Dauer des Auftrags den Vertragsgrundbesitz in keiner Weise entgeltlich oder unentgeltlich zu übertragen, zu belasten oder in sonstiger Weise über ihn zu verfügen und mit den von der E-GmbH nachgewiesenen Käufern Kauf- und Übereignungsverträge abzuschließen.

Die D-GmbH hat in der Folge das Angebot zum Abschluß des Grundstückskaufvertrags nicht angenommen. In den Jahren 1983 und 1984 wurden die Miteigentumsanteile an dem Grundbesitz des C durch Vermittlung der E-GmbH an verschiedene "Bauherren" veräußert.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 1985 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegen die Rechtsvorgängerin der Klägerin (die KG) nach einer Gegenleistung von X DM Grunderwerbsteuer fest. Das FA ging davon aus, daß die KG nach § 1 Abs. 2 des damals in Hamburg geltenden Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1966 HA) die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück des C erlangt hatte.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, ihr habe die Rechtsmacht gefehlt, über das Grundstück des C verfügen zu können, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 899 veröffentlichten Urteil die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis der KG bejaht und dabei maßgeblich darauf abgestellt, daß die Klägerin den gesamten Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks des C erhalten sollte.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verletzung von § 1 Abs. 2 GrEStG 1966 HA geltend macht.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Das FG hat zu Unrecht angenommen, daß die Rechtsvorgängerin der Klägerin (die KG) bereits aufgrund des "Vorfinanzierungsvertrages" vom 18. August 1981 befugt gewesen sei, das Grundstück des C auf eigene Rechnung zu verwerten, weil ihr der gesamte Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks zugestanden habe. Das FG hätte vielmehr --was nicht geschehen ist-- zusätzlich prüfen müssen, ob der KG auch die Rechtsmacht zustand, die Veräußerung des Grundstücks herbeizuführen.

a) Das GrEStG 1966 HA ist auch nach Wegfall des § 160 Abs. 2 FGO a.F. zum 1. Januar 1993 revisibles Recht i.S. von § 118 Abs. 1 Satz 2 FGO (vgl. § 1 Nr. 5 des hamburgischen Abgabengesetzes vom 17. Februar 1976, Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt --GVBl HA-- I, 45, geändert durch Gesetz vom 31. Januar 1977, GVBl HA I, 13; vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. März II R 74/96, BFH/NV 1997, 615).

b) Nach § 1 Abs. 2 GrEStG 1966 HA (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1983) unterliegen Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Nach der Rechtsprechung des BFH kann die Verwertungsbefugnis sich --ebenso wie beim Eigentümer-- aus zwei Möglichkeiten der Verwertung ergeben, nämlich aus dem Recht zur Nutzung und aus dem Recht, das Grundstück wie ein Zwischenerwerber "auf eigene Rechnung" zu veräußern (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1990 II R 55/88, BFH/NV 1991, 556, 557; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 1 Rdnr. 66 ff.). Im Streitfall kommt --wovon auch das FG erkennbar ausgegangen ist-- eine Verwertungsbefugnis der KG nur unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt in Betracht. Bei der Prüfung der Frage, ob der KG von C das Recht eingeräumt wurde, das Grundstück auf eigene Rechnung zu veräußern, ist das FG jedoch rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, es reiche aus, daß der KG der Erlös aus der Veräußerung des Grundstücks habe zustehen sollen. Vielmehr kann in einem solchen Fall nur dann von einem Recht, das Grundstück auf eigene Rechnung verkaufen zu können, gesprochen werden, wenn sich der Grundstückseigentümer seinem Vertragspartner gegenüber zusätzlich verpflichtet, den Verkauf des Grundstücks nach Weisung an bestimmte Erwerber vorzunehmen, wobei die Übertragung der Befugnis zur dinglichen Verfügung über das Grundstück nicht erforderlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 14. September 1988 II R 116/85, BFHE 155, 153, BStBl II 1989, 52). Nur wenn beide Merkmale vorliegen und es tatsächlich zum Verkauf auf Weisung kommt (vgl. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1985 II R 180/83, BFHE 145, 451, BStBl II 1986, 417; in BFHE 155, 153, BStBl II 1989, 52, und in BFH/NV 1991, 556), ist der Verwertungsbefugte wirtschaftlich wie ein Zwischenerwerber anzusehen, dem die Differenz zwischen dem dem (rechtlichen) Verkäufer gewährten Preis und dem tatsächlich erzielten Weiterveräußerungspreis zusteht (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 556, 557).

Aufgrund des "Vorfinanzierungsvertrages" vom 18. August 1981 hat die KG eine entsprechende Rechtsstellung nicht erlangt. Aufgrund dieses Vertrages war der KG zwar das Recht eingeräumt worden, einen über das gewährte Darlehen hinausgehenden möglichen Mehrerlös bei der --zu diesem Zeitpunkt noch ungewissen-- Veräußerung des Grundstücks an Dritte beanspruchen, nicht jedoch von C den Verkauf des Grundstücks an bestimmte Erwerber verlangen zu können. Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem zwischen C und der E-GmbH geschlossenen Vertrag vom 30. Oktober 1981.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um abschließend prüfen zu können, ob die KG an dem Grundstück des C verwertungsbefugt war.

Wie unter 1. b ausgeführt, besteht ein Recht zur Verwertung eines Grundstücks "auf eigene Rechnung" nur dann, wenn der Berechtigte nicht nur am wirtschaftlichen Ergebnis einer Verwertung des Grundbesitzes teilhat, sondern wenn er darüber hinaus diese Verwertung auch selbst herbeiführen, d.h. vom Grundstückseigentümer die Veräußerung des Grundstücks an bestimmte Personen verlangen kann. Dazu genügt es, daß die Befugnis, die Veräußerung des Grundstücks herbeizuführen, bei einem Dritten liegt, wenn sichergestellt ist, daß dieser im Interesse desjenigen tätig sein wird, dem das wirtschaftliche Ergebnis der Grundstücksveräußerung zukommt, der Dritte somit als Hilfsperson des aus der Grundstücksverwertung Begünstigten anzusehen ist (BFH-Urteil vom 21. Juli 1965 II 78/62 U, BFHE 83, 166, BStBl III 1965, 561). Dies ist dann anzunehmen, wenn zwischen dem aus der Grundstücksveräußerung wirtschaftlich Berechtigten und dem (dispositionsbefugten) Dritten ein entsprechendes schuldrechtliches (Auftrags-)Verhältnis besteht oder es sich dabei um Gesellschaften handelt, die aufgrund einer Gesellschafter-/Geschäftsführerverflechtung einer einheitlichen Willensbildung unterliegen.

Im Streitfall sollte zwar der KG das wirtschaftliche Ergebnis der Grundstücksveräußerung zustehen; C hatte sich aber der KG gegenüber nicht zur Veräußerung des Grundstücks an bestimmte Interessenten verpflichtet. Die Befugnis, die Veräußerung des Grundstücks verlangen zu können, hatte C vielmehr durch den "Maklervertrag" vom 30. Oktober 1981 einer anderen Person, nämlich der E-GmbH, eingeräumt. Die KG ist somit nur dann als verwertungsbefugt i.S. von § 1 Abs. 2 GrEStG 1966 HA anzusehen, wenn die KG über die E-GmbH als ihre Hilfsperson bestimmenden Einfluß auf die Veräußerung des Grundstücks nehmen konnte.

Dieser Frage ist das FG nicht nachgegangen und hat entsprechende Feststellungen, die dem Senat eine abschließende Entscheidung ermöglichen würden, nicht getroffen. Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob entweder ein entsprechendes Vertragsverhältnis zwischen der KG und der E-GmbH bestand oder ob beide Gesellschaften aufgrund --konkret festzustellender-- Gesellschafter-/Geschäftsführerverflechtung so miteinander verbunden waren, daß sie einer einheitlichen Willensbildung unterlagen.

Ende der Entscheidung

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