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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.10.1998
Aktenzeichen: II R 36/96
Rechtsgebiete: GrEStG 1983, FGO


Vorschriften:

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG 1983 § 8 Abs. 1
GrEStG 1983 § 9 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG 1983 § 13 Nr. 1
FGO § 126 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Aufgrund notariell beurkundeten Vertrages vom ... Mai 1985 erwarb die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, von der A-GmbH (Veräußerin) zum Preis von ... DM die dort näher bezeichneten und damals noch unbebauten Grundstücke. Bei Abschluß des Vertrages trat für die Erwerberseite die T-GmbG (Treuhänderin) auf, die sich dabei auf die Vollmachten berief, die ihr die Gesellschafter der Klägerin einzeln erteilt hatten.

Bereits ... waren Baupläne für einen Supermarkt auf dem Gelände erstellt und eine Baugenehmigung eingeholt worden. Zudem hatte die Veräußerin den noch zu errichtenden Supermarkt bereits mit Vertrag vom ... 1984 an ein großes Handelsunternehmen vermietet.

Die Vorbereitungen für die Entstehung der Klägerin gehen zurück auf den ... April 1985. An diesem Tag gab die Treuhänderin die notariell-beurkundete Erklärung ab, sie sei Treuhänderin der damals noch nicht existierenden Klägerin und werde für deren künftige Gesellschafter die der Erklärung als vorformulierte Texte angefügten Verträge abschließen, "soweit nicht die Gesellschafter Weisungen zu bestimmten Änderungen erteilen":

a) Gesellschaftsvertrag

b) Vertrag über Geschäftsbesorgung

c) Vertrag über wirtschaftliche Betreuung

d) Vertrag über Finanzierungsvermittlung und -betreuung.

Sodann hieß es, die ebenfalls anliegenden Verträge über steuerliche Beratung, über Bürgschaftsversprechen und Zinsgarantie sowie über Vermietungsvermittlung und Mietgarantie sollten die künftigen Gesellschafter selbst abschließen.

Nach dem Text für den Gesellschaftsvertrag sollten Gegenstand der Gesellschaft der Erwerb des Grundstücks zur gesamten Hand sowie die Bebauung mit einem Supermarkt sein. Bis zur Gründung der Gesellschaft und bis zur Baufertigstellung sollte die Gesellschaft durch die Treuhänderin aufgrund besonderer Treuhandverträge vertreten werden.

Nach dem Text für den Geschäftsbesorgungsvertrag übernahm die Veräußerin gegen ein Entgelt von ... DM sämtliche anfallenden Aufgaben zur Besorgung der Geschäfte der Gesellschaft, zu deren Verwaltung und zur Betreuung der Gesellschafter. Dazu sollte der Abschluß aller Verträge gehören, soweit sie nicht vom Treuhänder abzuschließen seien.

Nach dem Text für den Vertrag über die wirtschaftliche Baubetreuung übernahm eine B-KG, an der der Geschäftsführer der Veräußerin als Kommanditist beteiligt ist, gegen eine Vergütung von 1 v.H. der mit ... DM angesetzten Gesamtkosten die wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Vorbereitung, Durchführung, Abrechnung und Abwicklung des Bauvorhabens sowie die Garantie, daß die Nebenkosten 3 v.H. der Gesamtkosten nicht überschreiten. Zur wirtschaftlichen Baubetreuung sollte dabei u.a. der Abschluß aller erforderlichen Bauverträge gehören. Die B-KG war auch in dem Vertrag über die Finanzierungsvermittlung und -betreuung als Partner vorgesehen. Vertragspartner der Verträge, die von den Gesellschaftern selbst abgeschlossen werden sollten, waren Personen bzw. Gesellschaften, die mit den Geschäftsführern der Veräußerin oder der Treuhänderin gesellschaftsrechtlich oder geschäftlich verbunden waren.

Die als Gesellschafter der Klägerin geworbenen Kapitalanleger gaben in der Zeit vom ... April bis ... Mai 1985 zunächst gegenüber der Treuhänderin notariell beurkundete und unwiderrufliche Angebote zum Abschluß von Treuhandverträgen verbunden mit einer umfassenden Vollmacht ab, die die Treuhänderin annahm. Die Treuhandverträge nahmen Bezug auf den vorgesehenen Gesellschaftszweck der Klägerin, einen Supermarkt mit näher bezeichneter Verkaufs- und Lagerfläche zu bauen und zu vermieten, und berechtigten sodann die Treuhänderin dazu, alle Maßnahmen zu ergreifen, die zur Vorbereitung des Vorhabens erforderlich waren, und dabei im Namen und für Rechnung der Treugeber zu handeln. Erste Aufgabe des Treuhänders sollte sein, für den Abschluß des Gesellschaftsvertrages zu sorgen.

Eine Gesellschafterversammlung vom ... Mai 1985 stellte den Gesellschaftsvertrag fest, und beschloß, die vorgesehenen Verträge einzugehen und die B-KG damit zu beauftragen, einen Bauvertrag über die schlüsselfertige Errichtung eines Supermarktes zu Herstellungskosten von höchstens ... DM netto abzuschließen. Im Anschluß daran schloß die Treuhänderin den Grundstückskaufvertrag sowie die vorgesehenen sonstigen Verträge ab und vergab die B-KG den Bauauftrag an eine Baufirma.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nahm an, Erwerbsgegenstand sei das Grundstück samt noch zu errichtendem Supermarkt, und setzte die Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin durch Bescheid vom 5. September 1985 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. August 1987 auf ... DM fest. Dabei waren in die Bemessungsgrundlage einbezogen:

Kaufpreis für das Grundstück ... DM Geschäftsbesorgung ... DM Wirtschaftliche Baubetreuung ... DM Vermittlung und Betreuung Zwischenfinanzierung ... DM

Bürgschaftsversprechen, Zinsgarantie ... DM

Vermietungsvermittlung und Mietgarantie ... DM

Baukosten ... DM Architekt ... DM Zwischenfinanzierungszinsen ... DM Treuhandgebühr ... DM ----------- ... DM.

Die Klage, mit der die Klägerin begehrte, die Gegenleistung auf den Grundstückskaufpreis zu beschränken, hatte Erfolg. Mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 879 veröffentlichten Urteil vertrat das Finanzgericht (FG) die Ansicht, Erwerbsgegenstand sei das Grundstück in unbebautem Zustand. Die Annahme eines einheitlichen Leistungsgegenstandes trotz mehrerer Vertragspartner des Grundstückserwerbers setze ein abgestimmtes Verhalten auf der Veräußererseite voraus. Daran fehle es im Streitfall, weil sich weder gesellschaftsrechtliche noch bei Abschluß des Grundstückskaufvertrages schon bestehende vertragliche Beziehungen zwischen der Grundstücksveräußerin und dem späteren Bauunternehmer feststellen ließen. Die Klägerin sei bei Abschluß des Grundstückskaufvertrages nicht auf einen bestimmten Bauunternehmer festgelegt gewesen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 sowie des § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983).

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

II. Die Revision ist begründet; die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klägerin hat das Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude erworben. Die dazu erforderliche Bindung an ein von der Veräußererseite projektiertes Bebauungskonzept muß nicht die Bindung an den Bauunternehmer einschließen, dem später tatsächlich der Bauauftrag erteilt wird. Da das FG dies verkannt hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben.

1. Gemäß § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 bemißt sich die Steuer für einen Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes --soweit hier maßgebend-- nach dem Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Dabei ist für den Umfang der Bemessungsgrundlage entscheidend, in welchem Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, sowie vom 5. Februar 1992 II R 110/88, BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357). Dies bestimmt sich nicht nur nach dem Rechtsgeschäft, das den Übereignungsanspruch begründet. Vielmehr können auch weitere Verträge ggf. mit anderen Vertragspartnern einzubeziehen sein. Bei mehreren Verträgen ist ein Grundstück nämlich über den Fall einer rechtlichen Bestandsverknüpfung kraft Parteiwillens hinaus auch dann in bebautem Zustand Erwerbsgegenstand, wenn zwischen ihnen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise ein bebautes Grundstück erhält. Dazu muß dem Erwerber aufgrund einer konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis angeboten werden und er dieses Angebot als einheitliches annehmen oder nur annehmen können (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1989 II R 143/87, BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183, sowie II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181).

Dabei können auf der Veräußererseite auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten. Denn ausschlaggebend ist nicht, ob der Grundstücksübereignungsanspruch und der Anspruch auf Errichtung des Gebäudes sich zivilrechtlich gegen dieselbe Person richten; entscheidend ist vielmehr, daß der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht einbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (so BFH-Urteil vom 4. September 1996 II R 62/94, BFH/NV 1997, 308). Bei mehreren Vertragspartnern setzt dies allerdings ein dem Erwerber objektiv erkennbares abgestimmtes Verhalten voraus (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1994 II R 62/91, BFH/NV 1994, 901).

Zu diesen sich vorher abstimmenden Vertragspartnern braucht der Bauunternehmer, der das Gebäude tatsächlich errichtet, nicht zu gehören. Wie der Senat bereits entschieden hat, reicht die Bindung an ein von der Veräußererseite projektiertes Bebauungskonzept aus; darüber hinaus muß bei Abschluß des Grundstücksgeschäfts noch nicht feststehen, wem der einzelne Bauauftrag zu erteilen ist (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1994, 901; vom 4. September 1996 II R 62/94, BFH/NV 1997, 308, 309). Es genügt, daß der Erwerber im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs in seiner Entscheidung über die Bebauung nicht mehr frei ist.

2. An dieser Entscheidungsfreiheit fehlt es im Streitfall bereits nach den Feststellungen des FG. In seiner Entscheidung führt das FG aus, daß die Gesellschafter der Klägerin bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrages durch die Einschaltung der Treuhänderin weitgehend an das Baukonzept gebunden gewesen seien. Diese zutreffende Wertung beruht darauf, daß sich die Grundstückseigentümerin, die Treuhänderin und die B-KG zur Abgabe eines auf die Verschaffung eines bebauten Grundstücks gerichteten Angebots zusammengetan hatten. Auf Grund der schon vor Zustandekommen der Treuhandverträge als den ersten abzuschließenden Verträgen vorliegende und genehmigte Bauplanung bezog sich das Angebot auch auf ein baureifes Projekt auf einem bestimmten Grundstück, für das der Gesamtaufwand mit den genannten ... DM im wesentlichen feststand. Daß sich der Gesamtaufwand letztlich nur auf ... DM belief, ist unschädlich. Immer mögliche geringfügige Änderungen der ursprünglichen Bauplanung, die zu geringeren Baukosten geführt haben, stehen dem Vorliegen eines noch von Veräußererseite konzipierten Bauprojekts nicht entgegen. Das Angebot konnte nur einheitlich durch Bevollmächtigung der Treuhänderin, den Grundstückskaufvertrag, den Vertrag über die wirtschaftliche Betreuung sowie über die Geschäftsbesorgung abzuschließen, angenommen werden. Ob die Gesellschafter der Klägerin auf dieses Angebot bereits mit Abschluß der Treuhandverträge oder erst in der Gesellschafterversammlung vom ... Mai 1985 eingegangen sind, kann auf sich beruhen.

Daß das FG gleichwohl zu dem Ergebnis gelangt ist, die Klägerin habe das Grundstück in unbebautem Zustand erworben, beruht lediglich auf der Annahme, auch der Bauunternehmer müsse in die Abstimmung auf der Anbieterseite eingebunden und der Bauvertrag Teil des auf Verschaffung eines bebauten Grundstücks gerichteten Vertragsgeflechts gewesen sein. Diese Rechtsauffassung ist jedoch --wie oben ausgeführt-- unzutreffend. Vielmehr genügt es, daß die Treuhänderin bei Abschluß des Grundstückskaufvertrages bereits beauftragt und bevollmächtigt war, den Vertrag über die wirtschaftliche Betreuung mit der B-KG abzuschließen und diese darin mit der Auftragsvergabe zu betrauen. Daß ein Bauunternehmer, der nicht in das auf Verschaffung eines bebauten Grundstücks ausgerichtete Vertragsgeflecht eingebunden ist, als Schuldner der Grunderwerbsteuer gemäß 13 Nr. 1 GrEStG 1983 ausscheidet, steht der Einbeziehung der Gebäudeherstellungskosten in die Bemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes nicht entgegen. Die Annahme eines aus Grundstück und Gebäude bestehenden einheitlichen Erwerbsgegenstandes bedeutet nicht, daß auch derjenige gemäß § 13 Nr. 1 GrEStG 1983 Steuerschuldner sein müsse, der zwar die Bauleistung erbracht hat, aber nicht als (Mit-)Anbieter in das Vertragsgeflecht auf der Veräußererseite eingebunden war (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. Januar 1987 II R 131/84, BFH/NV 1988, 597).

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsauffassung keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Gegenleistung für den Erwerb des bebauten Grundstücks zutreffend ermittelt worden ist. Dies ist im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

Ende der Entscheidung

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