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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 06.12.2000
Aktenzeichen: II R 36/98
Rechtsgebiete: Richtlinie 77/388/EWG
Vorschriften:
Richtlinie 77/388/EWG Art. 33 |
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in Hamburg Spielhallen. Von Januar bis Juli 1995 hatte sie ..., von März bis November 1996 ... und im Dezember 1996 wieder ... automatische Spielgeräte mit Geldgewinnmöglichkeit aufgestellt.
Die Klägerin meldete für Januar 1995 eine Spielgerätesteuer in Höhe von ... DM, für März 1996 von ... DM und für Dezember 1996 von ... DM an. Gegen diese Steueranmeldungen legte sie Einsprüche ein, die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) als unbegründet zurückgewiesen wurden.
Mit der Klage wurde geltend gemacht, dass das Hamburgische Spielgerätesteuergesetz (SpStG) vom 29. Juni 1988, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Dezember 1994 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt --GVBl HA-- 1994, 363) gegen europäisches Recht (Art. 33 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--) sowie gegen das Grundgesetz (GG) verstoße. Die ab 1. Januar 1995 in Kraft getretene Erhöhung des Steuersatzes von 300 DM auf 600 DM für Geräte in Spielhallen und von 80 DM auf 200 DM für Geräte an sonstigen Aufstellungsorten sei erdrosselnd und damit grundrechtswidrig.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die mit der Klage angefochtenen Bescheide über Spielgerätesteuer seien rechtmäßig. Sie entsprächen --was unter den Beteiligten unstreitig sei-- dem Spielgerätesteuergesetz. Dieses verstoße seinerseits weder gegen europäisches Recht noch gegen das Grundgesetz.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verfahrensfehler und Verstöße gegen materielles Recht geltend macht.
Sie beantragt, die Vorentscheidung, die Spielgerätesteueranmeldungen für Januar 1995 vom 25. Januar 1995, für März 1996 vom 4. März 1996 und für Dezember 1996 vom 27. Januar 1997 sowie die dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 5. Januar 1996 und 12. August 1997 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
1. Die Entscheidung des FG ist aufzuheben; sie wird von dem von ihm festgestellten Sachverhalt nicht getragen.
Das FG hat sein die Verfassungsmäßigkeit des Spielgerätesteuergesetzes bejahendes Urteil darauf gestützt, dass ein unter normalen Umständen arbeitender Steuerpflichtiger auch die erhöhte Steuer aufbringen könne, diese somit abwälzbar sei und keine erdrosselnde Wirkung habe. Diese Schlussfolgerungen des FG finden in den von ihm festgestellten Tatsachen keine ausreichende Stütze.
Das FG leitet diese Schlussfolgerungen im Wesentlichen aus der Entwicklung der Anzahl der Spielhallenbetriebe und der dort aufgestellten Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit ab. Darüber hinaus berücksichtigt es die Entwicklung der Zahl der Vollstreckungsschuldner aus dem Bereich der Spielgeräteaufsteller. Diese statistischen Entwicklungen können unter Umständen zwar ein möglicher Ansatz für die vom FG zu treffenden Schlussfolgerungen sein (Senatsurteil vom 26. Juni 1996 II R 47/95, BFHE 180, 497, BStBl II 1996, 538). Eine Beschränkung der Feststellungen auf die statistische Entwicklung, der lediglich indizielle Wirkung zukommt, ist jedoch dann nicht ausreichend, wenn es möglich erscheint, auf unmittelbarere Erkenntnisquellen zurückzugreifen, die eine sicherere Beantwortung der Frage zulassen, ob der Spielgerätesteuer erdrosselnde Wirkung zukommt. Auch angesichts der prozessualen Situation im Streitfall (schriftliche Beweisangebote der Klägerin) und der Tatsache, dass von den von der Spielgerätesteuer betroffenen Automatenaufstellern seit Jahren in FG-Verfahren unter Berufung auf angeblich vorliegende betriebswirtschaftliche Fakten eine erdrosselnde Wirkung der Spielgerätesteuer geltend gemacht wird, hätte es im Übrigen nahe gelegen, die für die Beantwortung dieser Frage erforderlichen Erkenntnisse durch Sachverständigengutachten zu ermitteln, zumal sich die Auswirkungen der Steuer auf den vom FG als maßgebend angesehenen, unter normalen Umständen arbeitenden Aufsteller aus statistischen Entwicklungen, bezogen auf die Gesamtzahl der Aufsteller nur schwer ableiten lassen.
Die Auffassung des FG, es sehe keine weiteren Erkenntnisquellen, überzeugt den Senat nicht. Die Möglichkeit, ein aussagekräftiges Gutachten über die Hamburger Verhältnisse zu gewinnen, kann jedenfalls nicht vorweg, d.h. ohne einen Versuch aufgrund eines entsprechenden Beweisbeschlusses, verneint werden. Im Übrigen wäre ein Gutachter nicht auf die von den betroffenen Automatenaufstellern einzuholenden Angaben angewiesen, sondern müsste selbst Ermittlungen anstellen und könnte (auch) vom FA zu liefernde bzw. ggf. noch zu ermittelnde Tatsachen verwerten.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die für seine Entscheidung notwendigen weiteren Tatsachenfeststellungen zu treffen haben.
Dabei wird das FG Folgendes zu beachten haben:
Das Spielgerätesteuergesetz belegt Spielgeräte in Spielhallen in Hamburg mit einem Steuersatz von monatlich 600 DM. Dadurch wird der durch die Aufstellung der Geräte in einer Spielhalle zu erzielende Ertrag entsprechend gemindert und damit zumindest mittelbar in die Berufsausübung der Aufsteller eingegriffen. Eine derartige mittelbare Regelung der Berufsausübung durch eine Spielgerätesteuer ist vom Grundsatz her verfassungsrechtlich zulässig, da sie durch gewichtige Interessen der Allgemeinheit gerechtfertigt werden kann (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 1. März 1997 2 BvR 1599/89 u.a., Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1997, 573). Daraus folgt, dass eine Spielgerätesteuer zwar eindämmenden Charakter haben, d.h. durch Heraufsetzen der Rentabilitätsgrenze zu einer Verringerung der Anzahl der aufgestellten Geräte mit Gewinnmöglichkeit führen darf, sie jedoch zu keiner erdrosselnden Wirkung führen und sich als faktisches Verbot auswirken darf (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Dezember 1999 11 C 9.99, Deutsches Verwaltungsblatt 2000, 914). Wird diese Grenze überschritten, so ist die gesetzliche Regelung verfassungswidrig, weil die Besteuerung es unmöglich machen würde, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung zu machen und deswegen ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl vorläge (vgl. BVerfGE 31, 8, 38, 61).
Einen verfassungswidrigen Verbotscharakter hat die Spielgerätesteuer mithin dann, wenn aufgrund dieser Steuer in Hamburg das Aufstellen von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeiten in Spielhallen für einen durchschnittlichen Betreiber in aller Regel unwirtschaftlich ist, d.h. keine angemessene Kapitalverzinsung und keinen Unternehmerlohn mehr abwirft. Abzustellen ist dabei auf einen in Hinblick auf Betriebsgröße, Anzahl und Art der aufgestellten Geräte, Kostenstruktur und Besucherfrequenz durchschnittlichen Betrieb in Hamburg.
Ende der Entscheidung
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