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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 08.11.2000
Aktenzeichen: II R 37/98
Rechtsgebiete: BewG, FGO, GrStG, GG, Standortsicherungsgesetzes


Vorschriften:

BewG § 136 Nr. 4 Buchst. a
BewG § 118 Abs. 2 Satz 1
BewG § 136 Nr. 4
BewG § 136 Nr. 4 Buchst. a
BewG § 114
BewG § 136
BewG § 133 Abs. 2
BewG § 133 Abs. 1
BewG § 118 Abs. 2
FGO § 126 Abs. 2
GrStG § 42
GG Art. 3
Standortsicherungsgesetzes Art. 9 Nr. 13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) sowie die Beigeladenen zu 1 bis 7 sind in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Eigentümer mehrerer Grundstücke im Beitrittsgebiet. Im Rahmen der Erklärung zur gesonderten Feststellung des Vermögens der GbR auf den 1. Januar 1994 wurden u.a. Schulden in Höhe von 5 015 074 DM geltend gemacht, die mit dem Erwerb dieser Grundstücke in wirtschaftlichem Zusammenhang standen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte durch Bescheid vom 22. Mai 1995 das steuerpflichtige Vermögen der GbR auf den 1. Januar 1994 ohne Berücksichtigung der Grundstücke im Beitrittsgebiet und der damit im Zusammenhang stehenden Schulden einheitlich fest.

Einspruch und Klage, mit denen sich der Kläger gegen die Nichtberücksichtigung der Schulden aus dem Erwerb von Grundstücken im Beitrittsgebiet wandte, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat in seinem klageabweisenden Urteil ausgeführt, dass die im Zusammenhang mit den Grundstücken im Beitrittsgebiet stehenden Schulden bei der Ermittlung des Gesamtvermögens nicht abgezogen werden könnten. Im Beitrittsgebiet belegener Grundbesitz gehöre nach § 136 Nr. 4 Buchst. a des Bewertungsgesetzes (BewG) in der bis zum 31. Dezember 1996 gültigen Fassung nicht zum Gesamtvermögen. Die hiermit zusammenhängenden Schulden und Lasten seien deshalb nach § 118 Abs. 2 Satz 1 BewG in der bis zum 31. Dezember 1996 gültigen Fassung nicht abzugsfähig. Verfassungsrechtliche Bedenken insbesondere im Hinblick auf Art. 3 des Grundgesetzes (GG) bestünden nicht.

Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1248 veröffentlicht.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, dass die Regelung in § 136 Nr. 4 BewG in der bis zum 31. Dezember 1996 gültigen Fassung in Verbindung mit dem Abzugsverbot des § 118 Abs. 2 Satz 1 BewG gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG verstoße. Bei § 136 Nr. 4 BewG habe es sich nicht um eine Regelung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, sondern um eine Begünstigungsregelung zur Förderung von Investitionen im Beitrittsgebiet gehandelt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG München vom 3. Juni 1998 1 K 2623/95 aufzuheben und dies Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG München zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

Das FG ist ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger durch die mit der vorliegenden Klage angefochtene Feststellung des Vermögens der GbR auf den 1. Januar 1994 vom 22. Mai 1995 nicht in seinen Rechten verletzt ist. Die Nichtberücksichtigung der mit dem Grundbesitz im Beitrittsgebiet zusammenhängenden Schulden ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Nach § 136 Nr. 4 Buchst. a BewG i.d.F. des Art. 9 Nr. 13 des Standortsicherungsgesetzes vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774) gehört Grundbesitz in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet nicht zum Gesamtvermögen (§ 114 BewG in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung). Schulden und Lasten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit solchem Grundbesitz stehen, sind nach § 118 Abs. 2 Satz 1 BewG nicht abzugsfähig. Das FG ist deshalb zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall bei der Ermittlung des Gesamtvermögens nach § 114 BewG weder der im Beitrittsgebiet gelegene Grundbesitz der GbR noch die mit diesem Grundbesitz zusammenhängenden Schulden zu berücksichtigen sind.

Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt diese --ausschließlich für Grundstücke im Beitrittsgebiet geltende-- Regelung nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Denn die unterschiedliche Behandlung von Grundbesitz im Beitrittsgebiet einerseits und in den alten Bundesländern andererseits ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Der Senat hat bereits in seinen Entscheidungen vom 11. Juni 1997 II B 93/96 (BFHE 183, 230, BStBl II 1997, 527) und vom 18. März 1998 II R 62/96 (BFH/NV 1998, 1333) ausgeführt, dass Rechtfertigungsgrund für diese Differenzierung der Gesichtspunkt der Steuervereinfachung und der Entlastung der FÄ im Beitrittsgebiet ist. Denn erst durch den Verzicht auf die Vermögensteuer (§ 24c des Vermögensteuergesetzes) und auf die Erhebung der Gewerbekapitalsteuer sowie durch die in § 136 BewG getroffenen Sonderregeln war es möglich, von einer --von den FÄ im Beitrittsgebiet nicht zu leistenden-- flächendeckenden Feststellung von Einheitswerten für Grundbesitz im Beitrittsgebiet abzusehen. § 136 Nr. 4 Buchst. a BewG dient somit in erster Linie der Bewältigung einigungsbedingter Folgen. An diesem (Haupt-) Zweck der Norm ändert auch nichts der Umstand, dass sich als Nebeneffekt dieser Regelung in den Fällen, in denen im Beitrittsgebiet gelegene Grundstücke ohne Aufnahme von Krediten erworben wurden, eine Steuervergünstigung einstellt.

Die Behauptung des Klägers, im Beitrittsgebiet seien tatsächlich flächendeckend Einheitswerte für den Grundbesitz festgestellt worden, die man bei der Vermögensteuer hätte ansetzen können, trifft nicht zu. Vielmehr ist es nur für Zwecke der Grundsteuer zu einem Rückgriff auf die im Beitrittsgebiet für schätzungsweise 50 v.H. der Grundstücke noch vorhandenen Einheitswerte 1935 gekommen (vgl. § 129 Abs. 1 BewG). Bei Grundstücken mit Wohngebäuden (i.S. von § 132 Abs. 2 BewG), für die kein Einheitswert 1935 vorlag, richtet sich dagegen der Jahresbetrag der Grundsteuer gemäß § 42 des Grundsteuergesetzes (GrStG) nach einer grob vereinfachenden, an die Wohn- bzw. Nutzfläche anknüpfenden speziell grundsteuerrechtlichen Ersatzbemessungsgrundlage, die gerade keinen Einheitswertcharakter haben sollte und deswegen auch für Zwecke der Vermögensteuer nicht brauchbar war. Für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Grunderwerbsteuer kam lediglich im Bedarfsfalle der entweder vorhandene (§ 129 Abs. 1 BewG) oder noch festzustellende (vgl. § 132 Abs. 2 Satz 2 BewG) Einheitswert 1935 zum Ansatz, und zwar mit dem sich aus § 133 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 BewG ergebenden Vomhundertsatz.

Alle diese Regelungen zielen --wie auch die Regelung in § 136 Nr. 4 Buchst. a BewG-- erkennbar darauf ab, die nach dem Beitritt erst im Aufbau befindliche Finanzverwaltung in den neuen Bundesländern soweit wie möglich von der Feststellung qualifizierter Einheitswerte zu entlasten, um ihnen die Erfüllung vordringlicher Aufgaben zu ermöglichen. Im Übrigen war der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten, die mittlerweile vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655) für verfassungswidrig erkannten vermögensteuerrechtlichen Vorteile, die sich aus den Wertunterschieden zwischen Verkehrswert und Einheitswert von Grundstücken ergeben, auch für Grundstücke im Beitrittsgebiet zu gewähren.

Ist aber die vom Kläger geltend gemachte Ungleichbehandlung als Folge der Wiedervereinigung sachlich begründet, liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor; die unterschiedliche Behandlung von Grundstücken im Beitrittsgebiet und in den alten Bundesländern ist hinzunehmen. Eine weitere Ungleichbehandlung ist nicht erkennbar. Denn die sich aus dem Nichtansatz aller im Beitrittsgebiet gelegenen Grundstücke ergebenden vermögensteuerrechtlichen Vorteile kommen gleichermaßen allen Eigentümern mit Grundbesitz im Beitrittsgebiet zugute, wie auch eine vermögensteuerrechtliche Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen mit steuerbefreiten Wirtschaftsgütern hinsichtlich der (Nicht-) Abziehbarkeit der mit solchen Wirtschaftsgütern wirtschaftlich zusammenhängenden Schulden besteht.

b) Auch die Regelung in § 118 Abs. 2 Satz 1 BewG in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung, wonach in wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerbefreiten Wirtschaftgütern stehende Schulden und Lasten nicht abzugsfähig sind, verstößt als solche nicht gegen Art. 3 GG. Die Versagung des Abzugs von Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerbefreiten Wirtschaftsgütern stehen, ist sachlich gerechtfertigt. Sinn und Zweck des § 118 Abs. 2 BewG ist es zu verhindern, dass Steuerpflichtige durch den Erwerb (vermögen-)steuerfreier Wirtschaftsgüter auf Kredit ihr vermögensteuerpflichtiges (Gesamt-) Vermögen i.S. von § 114 BewG mindern können (vgl. Gürsching/ Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., 1992, § 118 BewG Rdnr. 113; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 17. Aufl., § 118 BewG Rdnr. 52) und eine Begünstigung durch den Schuldenabzug entsteht (BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 1333; Glier in Moench/ Glier/Knobel/Viskorf, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 3. Aufl., § 118 BewG Rdnr. 51). Die mit einem steuerbefreiten Wirtschaftsgut wirtschaftlich im Zusammenhang stehenden Schulden finden in diesem einen Gegenwert und führen deshalb nicht zu einer tatsächlichen Vermögensminderung. Würde der Gesetzgeber Verbindlichkeiten zum Erwerb steuerbefreiter Wirtschaftsgüter bei der Ermittlung des Gesamtvermögens zum Abzug zulassen, so wäre dies eine Steuervergünstigung, für die es nur dann eine Veranlassung gäbe, wenn die Steuerbefreiung des Wirtschaftsguts als Steuervergünstigung konzipiert wäre (vgl. auch BFH-Urteil vom 19. September 1969 III R 105/66, BFHE 97, 382, BStBl II 1970, 203).



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