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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.04.2005
Aktenzeichen: II R 4/04
Rechtsgebiete: GrEStG, BGB, FGO


Vorschriften:

GrEStG § 16 Abs. 2
GrEStG § 16 Abs. 2 Nr. 2
GrEStG § 16 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 117 Abs. 1
BGB § 123
BGB § 138
BGB § 139
FGO § 126 Abs. 6 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloss im November 1980 mit der W-GmbH einen Bauherren-Betreuer-Vertrag über die Errichtung eines Alten- und Pflegeheims auf einem von ihm erst 1982 erworbenen Grundbesitz. Das Heim sollte im Wesentlichen mit Mitteln der öffentlichen Hand finanziert werden. Einen Restbetrag hatte der Kläger beizusteuern. Vor Fertigstellung des Objekts ergaben sich hinsichtlich der Finanzierung dieses Restbetrages Schwierigkeiten, die zu erneuten Verhandlungen zwischen dem Kläger und der W-GmbH führten. Dabei bot die W-GmbH dem Kläger im Juli 1983 an, den Grundbesitz mit der mittlerweile teilfertigen Bebauung selbst zu erwerben, den Kläger von allen Verpflichtungen gegenüber Dritten freizustellen und ihm das Projekt nach Fertigstellung entweder über einen Pachtvertrag oder durch Bestellung eines Nießbrauchs gegen Entgelt zu überlassen. Darauf ließ sich der Kläger ein. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 27. September 1983 veräußerte er den Grundbesitz an die W-GmbH. Am 28. Februar 1984 schloss er mit der W-GmbH einen schriftlichen Pachtvertrag über das Grundstück auf die Dauer von 75 Jahren. Der jährliche Pachtzins sollte 600 000 DM betragen, wobei die W-GmbH mit 480 000 DM den Aufwand abdecken wollte, der ihr angeblich dadurch entstanden sei, dass sie die inzwischen größer gewordene restliche Finanzierungslücke habe füllen müssen. Darüber hinaus übernahm der Kläger die Zahlungspflichten (Zinsen und Tilgung) bezüglich der eingesetzten öffentlichen Mittel. Zwischen den Vertragspartnern bestand Einvernehmen, dass der Pachtvertrag das Nutzungsverhältnis nur vorläufig regeln solle und eine endgültige Regelung vorbehalten bleibe.

In der Folgezeit kam es hinsichtlich der Anerkennung des Pachtvertrages durch den Landschaftsverband als überörtlichem Sozialhilfeträger insofern zu Schwierigkeiten, als dieser es ablehnte, den jährlich zu zahlenden Aufwand von 600 000 DM bei der Berechnung der Pflegesätze zu berücksichtigen. Außerdem kam eine endgültige Regelung des Nutzungsverhältnisses nicht zu Stande. Der Kläger zahlte daraufhin den Pachtzins nicht in voller Höhe. Die W-GmbH verklagte ihn deswegen auf Zahlung der vereinbarten Pachten. Mit einer Widerklage verlangte der Kläger u.a. die Rückauflassung des Grundstücks an ihn. Er machte geltend, der Grundstückskaufvertrag vom 27. September 1983 sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Das Landgericht (LG) wies die Widerklage des Klägers ab und gab der Klage der W-GmbH statt. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) ein. Zur Begründung seines Begehrens trug er u.a. vor, beim Pachtvertrag habe ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestanden. Die Pacht bestehe nicht nur aus jenen 600 000 DM; vielmehr sei der von ihm, dem Kläger, zu leistende Kapitaldienst bezüglich der öffentlichen Mittel einzubeziehen. Das daraus sich ergebende Missverhältnis schlage auf den Grundstückskaufvertrag durch, weil Pachtvertrag und Kaufvertrag als Einheit anzusehen seien. Die W-GmbH habe unter Berücksichtigung der ihr steuerlich zugute kommenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) eine Verzinsung des von ihr eingesetzten Kapitals von 42 v.H. erlangt. Für ihn, den Kläger, habe sich hingegen ein jährlicher Verlust von 700 000 DM ergeben.

Aufgrund eines Vergleichsvorschlags des OLG erwarb der Kläger durch notariell beurkundeten Vertrag vom 10. Dezember 1990 die noch im Eigentum der W-GmbH stehenden Grundstücke --in der Zwischenzeit hatte die W-GmbH eine Teilfläche weiterveräußert-- mit dem aufstehenden Altenwohnheim zurück. Der Kläger verpflichtete sich zur Übernahme der Verbindlichkeiten der W-GmbH sowie zu einer Barzahlung. Für diesen Erwerb setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) durch Bescheid vom 12. März 1991 nach einer Gegenleistung von ... DM Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM gegen den Kläger fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 31. Mai 1991 beantragte der Kläger die Aufhebung dieses Bescheides nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Den Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 29. Mai 1992 ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) vertrat im zweiten Rechtsgang die Ansicht, der Grundstückskaufvertrag als solcher sei weder sittenwidrig noch anfechtbar. Seine Sittenwidrigkeit lasse sich auch nicht mit dem Pachtvertrag begründen, da die beiden Verträge kein einheitliches Rechtsgeschäft darstellten. Der Kläger habe den Grundbesitz 1983 in freier Entscheidung an die W-GmbH veräußert. Die W-GmbH habe dabei weder Druck ausgeübt noch seine Unerfahrenheit ausgenutzt. Dass der Kläger sich in einer finanziellen Zwangslage befunden habe, reiche für eine Sittenwidrigkeit nicht aus. Gegen die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts --bestehend aus dem Grundstückskaufvertrag und dem Pachtvertrag-- sprächen der zeitliche Abstand von fünf Monaten, der zwischen dem Abschluss beider Verträge liege, sowie der lediglich vorläufige Charakter, der dem Pachtvertrag habe zukommen sollen. Zwar seien die Vertragspartner bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages davon ausgegangen, dass noch ein zweiter Vertrag habe abgeschlossen werden müssen, um dem Kläger das von beiden gewollte Betreiben des Altenheims zu ermöglichen; der dann tatsächlich abgeschlossene Pachtvertrag müsse jedoch getrennt vom Grundstückskaufvertrag beurteilt werden, weil er nur eine Zwischenlösung habe darstellen sollen. Der von vornherein beabsichtigte konzeptionelle Zusammenhang des Grundstückskaufvertrages mit dem künftigen Nutzungsrechtsverhältnis habe sich erst in dessen endgültiger Regelung niederschlagen sollen. Die Zwischenlösung stehe außerhalb dieses Zusammenhangs. Demgemäß hätten die Vertragspartner auch darauf verzichtet, die Wirksamkeit des Kaufvertrages von der des Nutzungsverhältnisses abhängig zu machen. Dass es zu einer Neuregelung des Nutzungsverhältnisses nicht gekommen ist, sei darauf zurückzuführen, dass der Kläger nicht auf einer Neuregelung bestanden, sondern stattdessen den Pachtzins einseitig gemindert habe. Mithin erübrigten sich Feststellungen zur geltend gemachten Sittenwidrigkeit des Pachtvertrages. Eine Anfechtung des Grundstückskaufvertrages nach § 123 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) scheide aus, da Anhaltspunkte für eine Täuschung oder Drohung seitens der W-GmbH im Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrages fehlten.

Mit der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung der §§ 138 und 139 BGB, der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie Verfahrensmängel. Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage führten im Streitfall dazu, dass ihm, dem Kläger, ein Anspruch auf Vertragsauflösung zugestanden habe, der auch das Grundstücksgeschäft erfasst habe.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung, der Ablehnungsverfügung vom 29. Mai 1992 sowie der Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 1994 das FA zu verpflichten, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 12. März 1991 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Grundstückskaufvertrag vom September 1983 sowie der Pachtvertrag vom Februar 1984 bildeten zwar ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S. des § 139 BGB. Dies führte jedoch nicht zur Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrages, da der Pachtvertrag nicht sittenwidrig i.S. des § 138 BGB war. Dem Kläger stand nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auch kein Recht auf Vertragsauflösung des Pachtvertrages und --über diesen-- des Grundstückskaufvertrages zu.

1. Erwirbt der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück zurück, wird gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG --soweit hier maßgebend-- oder gemäß Nr. 3 der Vorschrift auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang die Steuer nicht festgesetzt oder die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn das dem Erwerbsvorgang zugrunde liegende Rechtsgeschäft nichtig ist bzw. das Rechtsgeschäft aufgrund eines Rechtsanspruchs wegen Nichterfüllung einer Vertragsbedingung rückgängig gemacht wird. Wird nur eine Teilfläche zurückerworben, weil etwa zwischenzeitlich eine Teilfläche weiterveräußert worden ist, hindert dies die Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 GrEStG bezüglich der Steuer auf den Rückerwerb nicht; lediglich bezüglich der Steuer auf den ursprünglichen Erwerbsvorgang greift § 16 Abs. 2 GrEStG nur insoweit ein, als sie auf die zurückerworbene Teilfläche entfiel (Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl. 2002, § 16 Anm. 216). Wertsteigerungen der Grundstücke etwa durch zwischenzeitliche Bebauung sind unschädlich (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Januar 1976 II R 149/74, BFHE 118, 239, BStBl II 1976, 347).

2. Die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 12. März 1991, mit dem der Rückerwerb des Grundstücks durch den Kläger im Dezember 1990 in dem Umfang, wie es sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Hand der W-GmbH befand, besteuert worden ist, kommt nur in Betracht, wenn das der Grundstücksübertragung auf die W-GmbH zugrunde liegende Rechtsgeschäft vom September 1983 nichtig gewesen ist oder ein Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung dieses Rechtsgeschäfts bestand. Für sich betrachtet ist es nicht nichtig gewesen. Ein etwaiger Formmangel wegen fehlender Mitbeurkundung des Pachtvertrages, wie er im Februar 1984 privatschriftlich abgeschlossen worden ist, wäre durch die Umschreibung des Grundstücks auf die W-GmbH geheilt (§ 313 Satz 2 BGB a.F.). Die Heilung (nur) des Formmangels erstreckt sich auf den gesamten Inhalt des Vertrages (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 17. März 1978 V ZR 217/75, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1978, 1577).

a) Eine Nichtigkeit des Grundstücksgeschäfts vom September 1983 kann sich daher nur über den Pachtvertrag vom Februar 1984 ergeben, was weiter voraussetzte, dass der Pachtvertrag und das Grundstücksgeschäft ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S. des § 139 BGB bildeten, weil nur auf diese Weise eine Nichtigkeit des Pachtvertrages auf das Grundstücksgeschäft durchschlagen könnte. Da andere Nichtigkeitsgründe nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des FG nicht vorgelegen haben, kann der Pachtvertrag nur dann nichtig sein, wenn er gegen die guten Sitten verstieß (§ 138 Abs. 1 BGB).

aa) Das Erfordernis eines einheitlichen Rechtsgeschäfts ist erfüllt. Entscheidendes Kriterium für die Einheit eines Rechtsgeschäfts i.S. des § 139 BGB ist der Einheitlichkeitswille der Parteien. Aus den Erklärungen der Parteien muss sich unter Berücksichtigung der Interessenlage und der Verkehrssitte der Wille ergeben, dass die ggf. äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte miteinander stehen und fallen sollen (vgl. BGH-Urteile vom 23. Februar 1968 V ZR 188/64, BGHZ 50, 8, 13; vom 25. Mai 1983 VIII ZR 51/92, NJW 1983, 2027, sowie vom 9. Februar 1990 V ZR 274/88, NJW 1990, 1473). Dabei genügt der Einheitlichkeitswille einer Partei, wenn er für die andere erkennbar war und von dieser gebilligt oder hingenommen worden ist (so BGH-Urteil vom 19. März 1971 V ZR 143/69, Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 1971, 468). Im Streitfall haben beide Parteien diesen Willen gehabt. Die Gründe, die vom FG gegen das Vorliegen eines einheitlichen Rechtsgeschäfts angeführt worden sind, setzen nicht beim Willen der Vertragspartner an, sondern bei objektiven Kriterien wie dem zeitlichen Abstand, der zwischen dem Abschluss beider Verträge lag, sowie bei der Vorläufigkeit des Pachtvertrages. Dieser Ansatz ist verfehlt.

bb) Die Sittenwidrigkeit des Pachtvertrages wiederum kann sich aus dessen Inhalt oder auch aus dem Verhalten des einen Vertragspartners gegenüber dem anderen oder beider gegenüber Dritten einschließlich der Allgemeinheit --vorliegend etwa gegenüber den Sozialhilfeträgern-- ergeben (vgl. BGH-Urteil vom 8. Dezember 1982 IVb ZR 333/81, BGHZ 86, 82). Einen inhaltlichen Verstoß gegen das Minimum allgemein anerkannter Wertungen stellen auffällige Störungen des Wertverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung --sog. Äquivalenzstörungen-- dar (BGH-Urteil vom 12. März 1981 III ZR 92/79, BGHZ 80, 153, 156). Allerdings führt eine derartige Äquivalenzstörung grundsätzlich nur in Verbindung mit anderen Elementen wie etwa dem einer verwerflichen Gesinnung zur Sittenwidrigkeit (Mayer-Maly/ Armbrüster in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. I, 4. Aufl. 2001, § 138 Anm. 37; Sack in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2003, § 138 Anm. 230, 231), wobei aus einem auffälligen Missverhältnis der Leistungen noch nicht auf eine verwerfliche Gesinnung geschlossen werden kann (Mayer-Maly/Armbrüster, a.a.O., § 138 Anm. 116). Eine derartige Gesinnung kann sich etwa aus der Ausnutzung einer Machtposition oder einer Zwangslage ergeben (BGH-Urteil vom 19. April 1971 II ZR 79/69, Wertpapier-Mitteilungen --WM-- 1971, 857, 858). Letztlich ist eine Gesamtbeurteilung des Pachtvertrages unter Berücksichtigung von Inhalt, Motiv und Zweck erforderlich (vgl. BGH-Urteile vom 19. Januar 1989 IX ZR 124/88, BGHZ 106, 269, 272, sowie in BGHZ 86, 82, 88). Lediglich dann, wenn nicht nur ein auffälliges, sondern ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, besteht eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung (vgl. BGH-Urteil vom 19. Juli 2002 V ZR 240/01, NJW 2002, 3165, unter II.4.).

cc) Diese Gesamtbeurteilung des Pachtvertrages rechtfertigt im Streitfall die Annahme einer Sittenwidrigkeit nicht. Selbst wenn man dem Kläger darin folgte, dass der Pachtvertrag ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung aufwies, weil er der W-GmbH nicht nur eine Kapitalrendite, sondern darüber hinaus die Übernahme des gesamten Kapitaldienstes durch den Kläger einschließlich der Tilgung der Fremdmittel, mit denen das Alten- und Pflegeheim fast vollständig finanziert worden ist, verschaffte und weil er zusätzlich dem Kläger Verwaltungskosten aufbürdete, obwohl die Verwaltung des Objekts ohnehin durch den Kläger zu erfolgen hatte, handelte es sich allenfalls um ein auffälliges, nicht aber um ein besonders grobes Missverhältnis. Soweit der Kläger zur Darlegung eines besonders groben Missverhältnisses auf eine Kapitalrendite der W-GmbH von 42 v.H. bezogen auf das von ihr eingesetzte Kapital verweist, sind dabei der "Barpacht" von 600 000 DM die geschätzten Steuervorteile hinzugerechnet, die der W-GmbH aus der Inanspruchnahme der Gebäude-AfA erwachsen würden. Diese Steuervorteile sind jedoch nicht geeignet, zu einem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung beizutragen, da sie weder aus dem Vermögen des Klägers stammen noch behauptet worden ist, dass der Kläger bei Nutzung des Heimes als Eigentümer Steuervorteile in vergleichbarer Höhe hätte in Anspruch nehmen können.

dd) Ein lediglich auffälliges Missverhältnis reichte jedoch im Streitfall für die Annahme der Nichtigkeit des Pacht- und Grundstücksvertrages nicht aus, weil es an weiteren für die Sittenwidrigkeit sprechenden Elementen fehlte. Als solche zusätzlichen Elemente kommen im Streitfall ein sittenwidriges Verhalten gegenüber der Allgemeinheit in Gestalt der Sozialhilfeträger sowie eine verwerfliche Gesinnung in Betracht (vgl. Mayer-Maly/Armbrüster, a.a.O., § 138 Anm. 125). Ein sittenwidriges Verhalten gegenüber dem Sozialhilfeträger, das --wenn es vorläge-- beiden Vertragspartnern zuzurechnen wäre, könnte darin zu sehen sein, dass die Pacht unter dem Gesichtspunkt, in die erstattungsfähigen Selbstkosten eingehen zu sollen, weder von der W-GmbH noch vom Kläger ernsthaft auf ihre Berechtigung hin überprüft worden ist. Gegen eine Sittenwidrigkeit dieses Verhaltens spricht jedoch, dass die Vertragspartner mit einer Überprüfung dieses Kostenfaktors rechnen mussten und im Übrigen wegen des kurz bevorstehenden Eröffnungstermins des Heims unter Zeitdruck standen.

Auch für eine verwerfliche Gesinnung, die --falls sie vorläge-- bei den Organen der W-GmbH vorhanden gewesen sein müsste, ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte. Von der Ausnutzung einer Machtposition gegenüber dem Kläger oder der Ausnutzung einer Zwangslage des Klägers kann nicht gesprochen werden. Bei dem Kläger handelt es sich um eine Organisation, die selbst über ausreichenden Sachverstand verfügt und überdies mit Organisationen gleicher Art zusammengeschlossen ist, deren Beratung sie in Anspruch nehmen konnte (vgl. Sitzungsniederschrift des Klägers vom 2. November 1981 unter Top 3). War aber eigener (vgl. die Aussage des Zeugen E in dem Verfahren ... vor dem LG) Sachverstand vorhanden, steht dies der Annahme einer durch den Vertragspartner ausnutzbaren Machtstellung entgegen.

Auch von der Ausnutzung einer Zwangslage des Klägers kann nicht gesprochen werden. Angesichts des Vortrags des Klägers, wonach er auf günstige Mittel hätte zurückgreifen können, bestehen bereits Zweifel am Vorliegen einer Zwangslage, auch wenn diese nicht in jedem Falle existenzbedrohend sein müsste. Sollte gleichwohl eine Zwangslage bestanden haben, wäre sie aber durch die W-GmbH nicht dergestalt ausgenutzt worden, dass daraus auf eine verwerfliche Gesinnung geschlossen werden könnte. Der Pachtvertrag hat den Gremien des Klägers zur Beratung vorgelegen und ist vom Vorstand entgegen den Einwendungen einzelner an der Beratung Beteiligter (vgl. Zeugnis des Zeugen E vor dem LG) im Vertrauen auf die Durchführbarkeit und Akzeptanz durch die Sozialhilfeträger unterschrieben worden. Unter diesen Umständen war die Unterschrift unter dem Pachtvertrag nicht Ausdruck eines Sichfügens in eine Zwangslage.

Ist somit ein Verstoß des Pachtvertrages gegen die guten Sitten i.S. des § 138 BGB zu verneinen, kann der Vertrag auch nicht über § 139 BGB zur Nichtigkeit des Grundstücksgeschäfts vom September 1983 geführt haben.

b) Der Grundstücksübertragungsvertrag ist auch nicht aufgrund eines Rechtsanspruchs i.S. des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG rückgängig gemacht worden. Ein solcher Rechtsanspruch ergibt sich insbesondere nicht aus einem Wegfall der Geschäftsgrundlage des Pachtvertrages.

aa) Der Pachtvertrag hatte nach dem erklärten Willen beider Parteien nur einen vorläufigen Charakter (vgl. S. 14 und 15 des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 5. April 1989 in dem Verfahren ... vor dem OLG) und sollte später noch geändert oder durch eine Neuregelung des Nutzungsverhältnisses abgelöst werden (vgl. dazu Gesprächsprotokoll vom 28. Februar 1984 des Gremiums des Klägers sowie die Aussage des Zeugen K vor dem LG). Er war aber als unbefristetes Dauerschuldverhältnis formuliert. Gleichwohl stellte er kein Scheingeschäft i.S. des § 117 Abs. 1 BGB dar. Immerhin sollte er dem Sozialhilfeträger für Zwecke der Kostenerstattung bezüglich künftiger Heimbewohner vorgelegt werden, was bei einem bloßen Scheingeschäft von strafrechtlicher Relevanz gewesen wäre.

bb) Zu einer derartigen Neuregelung des Nutzungsverhältnisses ist es nicht gekommen. Das führte aber nicht zu einem Anspruch auf Rückgängigmachung des Pachtvertrages und über § 139 BGB auch des Grundstückskaufvertrages, sondern mit der Rechtsfolge einer Anpassung des Pachtvertrages lediglich zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ab dem Zeitpunkt, ab dem spätestens eine Neuordnung des Nutzungsverhältnisses verlangt werden konnte. Der gleichwohl erfolgte Rückerwerb der bei der W-GmbH noch vorhandenen Grundstücksteilfläche kann daher nicht der Erfüllung eines Anspruchs auf Rückgängigmachung gedient haben. Bei der Anpassung geht es nicht um eine --regelmäßig unzulässige-- Beseitigung einer Äquivalenzstörung unter Vermeidung der Nichtigkeitsfolge aus § 138 BGB, sondern um eine Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Pachtvertrages sowie des Umstandes, dass über eine Neuordnung keine Einigung erzielt werden konnte. Dieser vorläufige Charakter des Pachtvertrages ist als zusätzliche Besonderheit der Vereinbarung und unabhängig von der Frage nach der Äquivalenzstörung zu beurteilen.

Der Kläger hat den Pachtvertrag für die W-GmbH erkennbar unter der Voraussetzung abgeschlossen, dass er nur eine vorläufige Regelung darstellt und im Übrigen eine endgültige Regelung nur ein Nutzungsentgelt in der Höhe vorsehen dürfe, die der Sozialhilfeträger als erstattungsfähig anerkennt. Dieser Erwartung ist die W-GmbH nicht entgegengetreten. Im Übrigen musste sie wissen, dass der Kläger das Heim nur bei erstattungsfähigen Kosten betreiben konnte. In ihrem Schreiben an den Kläger vom 17. November 1983 spricht die W-GmbH selbst von dem Bestreben nach einem pflegegerechten Pachtzins. Mit dem Scheitern der Änderungsbemühungen hat der zwar als endgültiger Vertrag formulierte, aber nur als vorläufige Regelung gedachte Pachtvertrag seine Geschäftsgrundlage verloren.

Die regelmäßige Rechtsfolge eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist die Vertragsanpassung an die veränderten Verhältnisse, und damit hier an die Tatsache, dass es nicht zu einer einvernehmlichen Neuregelung des Nutzungsverhältnisses gekommen ist. Die Anpassung hätte --nach Lage des Streitfalls auf dem Gerichtsweg-- erzwungen und u.a. am pflegesatzfähig nachgewiesenen Kapitaleinsatz der W-GmbH ausgerichtet werden müssen.

Der Kläger macht zwar zu Recht geltend, dass der Wegfall der Geschäftsgrundlage dann, wenn eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar ist, auch zu einer Vertragsauflösung bzw. Rückabwicklung infolge eines Rücktritts oder --bei Dauerschuldverhältnissen-- durch Kündigung berechtigen kann (vgl. Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 61. Aufl. 2002, § 242 Anm. 32, und nunmehr § 313 Abs. 3 BGB). Die erforderliche Kündigung (dazu BGH-Urteil vom 26. September 1996 I ZR 265/95, BGHZ 133, 316, 327) könnte im Streitfall in der Widerklage zu sehen sein. Dem Kläger war jedoch die Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses nicht unzumutbar (vgl. zur Unzumutbarkeit BGH-Urteil vom 23. September 1994 V ZR 113/93, Deutsche Notar-Zeitschrift --DNotZ-- 1996, 636). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die W-GmbH ihre Vertragspflichten im weiteren Verlauf nicht erfüllt hätte. Der Kläger hatte auch das Interesse an der Nutzung des Heims nicht verloren. Zwar war das persönliche Verhältnis zwischen der Geschäftsführung der W-GmbH und dem Vorstand des Klägers durch den geführten Zivilprozess beschädigt. Die Beschädigung ging aber nicht so weit, dass eine vergleichsweise Regelung nicht mehr möglich gewesen wäre. Anders als in dem BGH-Urteil in DNotZ 1996, 636 waren die Parteien bei Fortsetzung des Vertrages auch nicht zu einem ständigen persönlichen Kontakt gezwungen. Vielmehr konnten sie ihren Umgang auf das rein Geschäftliche beschränken, das wiederum regelmäßig kein persönliches Zusammentreffen erforderte. Der Kläger hat auch nicht den Nachweis erbracht, dass ihn die W-GmbH durch falsche Angaben über die Höhe der von ihr eingesetzten Mittel geschädigt hätte. Ihr diesbezüglicher Vortrag betrifft die Art und Weise, wie die W-GmbH die von ihr eingesetzten Mittel aufgebracht haben will, nicht aber den Umstand einer Finanzierungslücke des Heims von über 4 Mio. DM. Dass diese Lücke von der W-GmbH gefüllt worden ist, liegt auch der Berechnung des Klägers über deren angebliche Kapitalrendite von 42 v.H. zugrunde. Dem Gesichtspunkt der bis dahin fehlenden Pflegesatzfähigkeit bezüglich dieser Mittel konnte durch Anpassung Rechnung getragen werden.

3. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch; insoweit wird gemäß § 126 Abs. 6 Satz 1 FGO von einer Begründung abgesehen.

Ende der Entscheidung

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