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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.05.2003
Aktenzeichen: II R 41/01
Rechtsgebiete: BewG DDR, BewG


Vorschriften:

BewG DDR § 50 Abs. 1 Satz 2
BewG § 68 Abs. 2
Bedarf ein Bauwerk der äußeren Umschließung, weil die in ihm stattfindenden betrieblichen Abläufe und/oder die darin eingebundenen Menschen vor Wind und Wetter geschützt werden müssen, sind die Konstruktionselemente, mit deren Hilfe die Standfestigkeit der Umschließung erreicht wird, auch dann dem Grundvermögen zuzuordnen, wenn sie gleichzeitig eine betriebliche Funktion erfüllen, zu diesem Zweck verstärkt sind und ohne die Stützfunktion für das Bauwerk als Betriebsvorrichtung anzusehen wären.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) errichtete auf einem ihr gehörenden Grundstück ein Logistikzentrum bestehend aus einem Hochregallager und --durch Brandwände getrennt-- weiteren Räumlichkeiten für die mit der Logistik verbundenen Aufgaben. Der Aufnahme des Lagerguts dienen fünf parallel verlaufende Regalreihen in Stahlbauweise, die von den vier dazwischen liegenden Gassen aus durch ein manuell gesteuertes, schienengebundenes Bedienungssystem bestückt werden. Die beiden äußeren Regalreihen sind für Paletten mit Lagergut bestimmt, das schwerer ist als das Lagergut der für die drei inneren Regalreihen vorgesehenen Paletten. Die äußeren Regalreihen sind dementsprechend besonders stabil ausgeführt. Sie dienen darüber hinaus als Stützen für das Tonnendach, wobei die gewölbten Dachbinder, auf denen die Dachhaut befestigt ist, auf den äußeren Ständern dieser Regalreihen aufliegen. An diesen Ständern sind auch die Wärmedämmfassaden, die die äußere Umschließung des Hochregallagers bilden, aufgehängt. Die dadurch auf die äußeren Regalreihen einwirkenden Kräfte sind gegenüber denjenigen Lasten, die durch das Lagergut bedingt sind, nur von untergeordneter Bedeutung und haben an die Konstruktion der beiden Regalreihen keine zusätzlichen Anforderungen gestellt. Gegründet ist das Hochregallager über die Ständer auf einer 45 cm starken Fundamentplatte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte das Hochregallager bei der Einheitsbewertung des Grundvermögens als Gebäude und setzte den Einheitswert durch Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1998 vom 12. August dieses Jahres auf 164 300 DM fest. Darin war der Gebäudewert für das Lager mit 77 292 DM enthalten. Außerdem wirkte er sich mit 4 v.H. des Betrages auf den Wert der Außenanlagen aus. Das FA berief sich dabei auf Rdnr. 15 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen vom 31. März 1992 (BStBl I 1992, 342) --Abgrenzungserlass--, wonach Bauteile, die einem doppelten Zweck dienen und dabei dem Bauwerk zur erforderlichen Standfestigkeit verhelfen, zum Gebäude rechnen.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1260 veröffentlichten Urteil der Klage statt. Es war der Ansicht, zwar sei alles, was unter Berücksichtigung der technischen Bauweise Konstruktionsteil des Gebäudes ist, diesem auch zuzurechnen; diese Einbeziehung finde aber bei Teilen einer Betriebsvorrichtung dort ihre Grenze, wo diese Teile für das Vorliegen eines Gebäudes und seine Verwendbarkeit ohne Bedeutung sind. Jedenfalls sei § 68 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht anwendbar, wenn Teile der Betriebsvorrichtung, die nach der Verkehrsauffassung nicht Bauteile sind, für die Standfestigkeit der Umschließung des Bauwerks erforderlich sind. Unter Berücksichtigung dieser Grenze fehle dem Hochregallager die Gebäudeeigenschaft, weil die äußeren Ständer der äußeren Regalreihen wegen ihrer Stützfunktion für das Dach und die Fassaden keine besonderen konstruktiven Verstärkungen aufwiesen und deshalb ausschließlich als Teile einer Betriebsvorrichtung anzusehen seien, denen keine Doppelfunktion im Hinblick auf ein Gebäude zukomme.

Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 50 Abs. 1 Satz 2 des Bewertungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik (BewG DDR). Das Hochregallager erfülle alle Gebäudemerkmale. Auch die dazu gehörende Standfestigkeit sei gegeben. Die äußeren Ständer der äußeren Regalreihen bildeten einerseits das Tragwerk für die Aufhängung bzw. Auflage der Außenhülle des Hochregallagers und seien andererseits Teil der zur Palettenaufnahme vorgesehenen äußeren Regalreihen. Damit gewinne die Umschließung des Hochregallagers ihre Standfestigkeit durch Bauteile, die auch einer Betriebsvorrichtung dienen. Ohne den Anbau der inneren Regalstützen und der Verstrebungen der Stützen wären ebenfalls Stützen --wenn auch in anderer Dimensionierung-- eingesetzt worden. Doppelfunktionale Bauteile aber zählten gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 BewG, dessen Rechtsgedanke bei Auslegung des § 50 Abs. 1 Satz 2 BewG DDR heranzuziehen sei, zum Gebäude.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision ist begründet. Das FA hat das Hochregallager der Klägerin zu Recht als Gebäude dem Grundvermögen zugerechnet. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Gemäß § 129 Abs. 2 BewG beantwortet sich die Frage, was zum Grundvermögen gehört, in den neuen Bundesländern zwar nicht nach § 68 Abs. 2 BewG, sondern nach § 50 Abs. 1 Satz 2 BewG DDR; beide Vorschriften stimmen jedoch darin überein, dass Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören --die sog. Betriebsvorrichtungen--, nicht in das Grundvermögen einzubeziehen sind, auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind.

a) Bei der Abgrenzung der Gebäude von den Betriebsvorrichtungen ist vom Gebäudebegriff auszugehen, weil Gebäude grundsätzlich zum Grundvermögen gehören und demgemäß ein Bauwerk, das als Gebäude zu betrachten ist, nicht Betriebsvorrichtung sein kann (so Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Juni 1969 III 17/65, BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517; vom 25. März 1977 III R 5/75, BFHE 122, 150, BStBl II 1977, 594, sowie vom 9. Dezember 1998 II R 1/96, BFH/NV 1999, 909). Als Gebäude ist ein Bauwerk anzusehen, das durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden sowie von einiger Beständigkeit und standfest ist (BFH-Urteile in BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517, sowie vom 30. Januar 1991 II R 48/88, BFHE 163, 236, BStBl II 1991, 618). Alle Bauwerke, die sämtliche dieser Begriffsmerkmale aufweisen, sind ausnahmslos als Gebäude zu behandeln (so BFH-Urteil vom 13. Juni 1969 III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612).

b) Die Standfestigkeit ist dabei als letztes der Begriffsmerkmale zu prüfen, nämlich dann, wenn bereits feststeht, dass und in welchem Ausmaß eine Umschließung vorhanden ist, die Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, und dass das Bauwerk zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen geeignet, mit dem Grund und Boden verbunden und von einiger Beständigkeit ist. Mit der Prüfung der Standfestigkeit wird somit nicht über den Umfang der Umschließung oder der Betriebsvorrichtung entschieden. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass ein fest mit dem Grund und Boden verbundenes Bauwerk auch standfest ist. Das Begriffsmerkmal der Standfestigkeit bekommt jedoch dann neben der festen Verbindung mit dem Grund und Boden eine selbständige Bedeutung, wenn die Umschließung eine vertikale bauliche Verbindung mit einer Betriebsvorrichtung aufweist (so BFH in BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612) oder so konstruiert ist, dass die Konstruktionselemente über die Gebäudefunktion hinaus auch eine betriebliche Funktion erfüllen.

c) Auf Grund der bautechnischen Entwicklung ist es möglich geworden, die äußere Umschließung des Bauwerks und konstruktiv dafür geeignete Betriebsvorrichtungen als technische Einheit zu erstellen (so Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Stand März 2003, § 68 Anm. 91). Derartige doppelfunktionale Konstruktionselemente sind nicht allein deshalb den Betriebsvorrichtungen zuzuordnen, weil sie in der zeitlichen Abfolge des Herstellungsvorgangs als erstes ausgeführt werden; vielmehr ist auch bei ihnen zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen vom Gebäudebegriff auszugehen. Bedarf das Bauwerk einer äußeren Umschließung, weil die in ihm stattfindenden betrieblichen Abläufe und/oder die darin eingebundenen Menschen vor Wind und Wetter geschützt werden müssen, sind die Konstruktionselemente, mit deren Hilfe die Standfestigkeit der Umschließung erreicht wird, ungeachtet sonstiger Funktionen dem Grundvermögen zuzuordnen. Dies gilt auch dann, wenn die Konstruktionselemente wegen der auch betrieblichen Funktion stärker ausgeführt sind, als es für die reine Gebäudefunktion erforderlich wäre, oder wenn die Konstruktionselemente nach Entfernung der Umschließung noch eine vollständige Betriebsvorrichtung darstellen würden.

Derartige Sachverhalte sind zu unterscheiden von demjenigen in BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517, bei dem es um einen in Stahlbetonbauweise ausgeführten Förderturm ging. Bei diesem Förderturm bestanden die Umschließung des gesamten Bauwerks und nicht nur die sie stützenden Konstruktionselemente überwiegend aus den Tragscheiben der Fördervorrichtung und war eine Umschließung für den Förderbetrieb nicht erforderlich. Die Umschließung selbst war damit notwendiger Bestandteil einer Betriebsvorrichtung. Da das FG demgegenüber im Streitfall trotz der ausschließlichen Gebäudefunktion der Umschließung lediglich auf die betriebliche Funktion der sie stützenden bzw. tragenden doppelfunktionalen Konstruktionselemente abgestellt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Im Streitfall sind sämtliche Gebäudemerkmale gegeben. Das Bauwerk schützt durch räumliche Umschließung gegen äußere Einflüsse. Es gestattet auch den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen, wie sich darin zeigt, dass die Regale durch ein manuell gesteuertes Bedienungssystem bestückt werden. Dies war bei den Hochregallagern anders, über die der BFH mit den Urteilen vom 18. März 1987 II R 222/84 (BFHE 150, 62, BStBl II 1987, 551) sowie vom 29. September 1989 III R 186/85 (BFH/NV 1990, 453) zu befinden hatte. Deren Bedienungssysteme waren automatisch gesteuert, so dass sich Menschen während des laufenden Betriebes nicht in den Lagern aufhalten durften. Das streitbefangene Bauwerk ist über die äußeren Regalreihen auch fest mit dem Grund und Boden verbunden und von einiger Beständigkeit. Auch das letzte Gebäudemerkmal, nämlich das der Standfestigkeit der räumlichen Umschließung, ist erfüllt.

Ihre Standfestigkeit verdankt die räumliche Umschließung einer engen vertikalen und bezüglich des Daches einer engen horizontalen baulichen Verbindung mit den äußeren Regalreihen. Diese Regalreihen sind in ihrer Gesamtheit zur Standfestigkeit der Umschließung erforderlich. Die Außenständer der äußeren Regalreihen reichten allein zur Standfestigkeit nicht aus. Um deren Einknicken zu verhindern, bedarf es der Quer- und Diagonalverstrebungen mit den Innenständern der äußeren Regalreihen. Diesen Regalreihen und nicht lediglich den Außenständern kommt damit eine Doppelfunktion zu. Dass die für die Standfestigkeit der Umschließung erforderliche Trägerkonstruktion so ausgeführt ist, dass sie gleichzeitig zur Aufnahme von Lagergut genutzt werden kann, lässt ihre Gebäudefunktion ebenso wenig entfallen wie der Umstand, dass sie mit Blick auf diese Regalfunktion stärker ausgeführt ist, als sie es bei ausschließlicher Gebäudefunktion sein müsste. Bei gegebener Doppelfunktion aber kommt --im Rahmen der hier vorzunehmenden Abgrenzung-- ausgehend vom Gebäudebegriff der Gebäudefunktion der Vorrang zu (vgl. auch BFH in BFH/NV 1999, 909). Soweit damit die Trennungslinie zwischen den Betriebsvorrichtungen einerseits und dem Grundvermögen andererseits zugunsten des Letzteren verschoben wird, ist dies die Folge der Konstruktionsweise des einer Umschließung bedürfenden Hochregallagers, bei der die einwirkenden Lasten statt auf eine Ständerreihe auf zwei miteinander verbundene Ständerreihen verteilt sind.

Ende der Entscheidung

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