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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: II R 44/02
Rechtsgebiete: ErbStG, BGB
Vorschriften:
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2 | |
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1 | |
ErbStG § 10 Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 516 Abs. 1 | |
BGB § 518 Abs. 1 |
2. Ein Grundstück kann aufgrund entsprechender Abreden auch dadurch (mittelbar) geschenkt werden, dass der Schenker dem Bedachten einen ihm zustehenden Anspruch auf Übereignung des Grundstücks unentgeltlich abtritt oder ihm die Mittel für den Erwerb eines solchen Anspruchs gewährt.
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Gesellschafterin einer GbR, an der auch ihr Ehemann sowie ein weiteres Ehepaar beteiligt sind.
Die Gesellschafter der GbR kauften mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22. Oktober 1991 zum Gesamthandseigentum der GbR einen Rückübertragungsanspruch, der den Verkäufern hinsichtlich eines im Beitrittsgebiet belegenen Grundstücks zustand. Der Kaufpreis sollte mit Eintragung der Käufer als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch fällig werden.
Nachdem der Bescheid vom 26. Oktober 1992 über die Rückübertragung des Grundstücks auf die Gesellschafter der GbR unanfechtbar geworden und der darin festgelegte Ablösebetrag am 18. Dezember 1992 hinterlegt worden war, wurden sie gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 18a Satz 1 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) Eigentümer des Grundstücks. Das Grundbuch wurde am 6. April 1993 durch Eintragung der Gesellschafter als Eigentümer in GbR berichtigt (vgl. § 34 Abs. 2 Satz 1 VermG).
Die Klägerin erhielt mit schriftlichem Vertrag vom 16. Februar 1993 von ihrem Ehemann eine "ehebedingte Zuwendung" in Höhe des im Innenverhältnis der GbR auf sie entfallenden Kaufpreisanteils von 720 000 DM zugesagt. Sie durfte diesen Betrag nur für den Erwerb des zum Gesamthandseigentum der GbR angeschafften Grundstücks verwenden. Die entsprechende Überweisung vom Ehemann an die Klägerin und die Weiterüberweisung durch diese an die Verkäufer erfolgten Mitte März 1993.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte die Zuwendung des Ehemanns an die Klägerin nicht als mittelbare Grundstücksschenkung, sondern als Geldschenkung von 720 000 DM und setzte gegen die Klägerin nach Berücksichtigung eines Freibetrags von 250 000 DM Schenkungsteuer in entsprechender Höhe fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) verneinte eine mittelbare Grundstücksschenkung, weil die Klägerin im Zeitpunkt der Zuwendung bereits zusammen mit den anderen Gesellschaftern der GbR Eigentümerin des Grundstücks gewesen sei. Die Zuwendung sei somit nicht mehr zum Erwerb des Grundstücks erfolgt. Dem Vorbringen der Klägerin, bereits bei Abschluss des Kaufvertrags vom 22. Oktober 1991 habe mit ihrem Ehemann Einigkeit darüber bestanden, dass ihr dieser den Kaufpreis schenken werde, ging das FG nicht nach.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie hält an ihrer Auffassung fest, aufgrund der Umstände des Streitfalles --Schenkungsabrede bei Abschluss des Kaufvertrags und Überlassung des Betrags von 720 000 DM vor Begleichung des Kaufpreises-- habe eine mittelbare Grundstücksschenkung vorgelegen.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Schenkungsteuerbescheid vom 14. April 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 1998 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
1. Das FG hat seine Entscheidung, es liege keine mittelbare Grundstücksschenkung vor, zu Unrecht allein auf den Gesichtspunkt gestützt, dass die Klägerin schon vor der schriftlichen Zusage der Zuwendung des Betrags von 720 000 DM bzw. vor der Zuwendung selbst zusammen mit den anderen Gesellschaftern der GbR Gesamthandseigentümerin des Grundstücks geworden war, und deshalb dem Vorbringen der Klägerin, ihr Ehemann habe ihr bereits bei Abschluss des Kaufvertrags mündlich (oder konkludent) zugesagt, ihr die anteiligen Mittel für den Kauf zu schenken, keine Bedeutung beigemessen. Dies ist ein materieller Rechtsfehler, der im Revisionsverfahren zu beachten ist, ohne dass es auf eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO) ankommt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569, Nr. 4 a der Entscheidungsgründe, und vom 27. April 1999 III R 21/96, BFHE 189, 255, BStBl II 1999, 670).
a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes --ErbStG--) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem Recht (BFH-Urteile vom 5. Februar 1986 II R 188/83, BFHE 146, 164, BStBl II 1986, 460, und vom 6. März 2002 II R 85/99, BFH/NV 2002, 1030). Auszugehen ist danach zunächst vom Parteiwillen, im Falle der freigebigen Zuwendung vom Willen des Zuwendenden, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des Schenkers geschenkt sein soll. Entscheidend für die Bestimmung des Schenkungsgegenstandes ist indes, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten darstellt, d.h. worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker --endgültig-- tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dies ist die den steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) darstellende Bereicherung des Bedachten, an die die Wertermittlung gemäß den §§ 11, 12 ErbStG in der jeweils geltenden Fassung anknüpft (BFH-Urteile vom 26. September 1990 II R 50/88, BFHE 162, 139, BStBl II 1991, 32; vom 9. November 1994 II R 87/92, BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83; vom 13. März 1996 II R 51/95, BFHE 180, 174, BStBl II 1996, 548; vom 17. Juni 1998 II R 51/96, BFH/NV 1998, 1378; vom 21. Mai 2001 II R 10/99, BFH/NV 2001, 1404, und in BFH/NV 2002, 1030).
b) Der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, muss sich nicht vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben und wesensgleich übergehen. "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein. In der Hingabe von Geld zum Erwerb eines Grundstücks kann eine Grundstücksschenkung (sog. mittelbare Grundstücksschenkung) gesehen werden. Dies setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm ggf. übergebene Geld, sondern (erst) über das Grundstück frei verfügen kann; in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um die Geldsumme, sondern erst um das mit den zur Verfügung gestellten Geldmitteln erworbene Grundstück bereichert (BFH-Urteil in BFHE 180, 174, BStBl II 1996, 548, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 4. Dezember 2002 II R 75/00, BFHE 200, 406, BStBl II 2003, 273).
Die Voraussetzungen einer mittelbaren Grundstücksschenkung sind erfüllt, wenn der Schenker dem Bedachten den für den Grundstückskauf bestimmten Geldbetrag bis zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbs zusagt (R 16 Abs. 1 Satz 4 der Erbschaftsteuer-Richtlinien --ErbStR 2003--) und bis zur Tilgung der Kaufpreisschuld zur Verfügung stellt. Die Zusage bedarf nicht der in § 518 Abs. 1 BGB bestimmten Form, muss aber nachweisbar sein. Werden die Geldmittel erst nach Erwerb des Grundstücks zugesagt oder erhält sie der Bedachte erst nach Bezahlung des Kaufpreises, scheidet eine mittelbare Grundstücksschenkung aus. In einem solchen Fall stellt sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten als Geldzuwendung dar.
Soweit dem Urteil in BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83 die Auffassung zugrunde liegt, für die Bestimmung des Schenkungsgegenstandes sei nicht das Versprechen der Zuwendung, sondern allein die Zuwendung selbst entscheidend, hält er daran nach erneuter Prüfung nicht mehr fest. Diese Auffassung ist zu eng; sie berücksichtigt nicht hinreichend den Parteiwillen bzw. den Willen des Zuwendenden. Eine mittelbare Grundstücksschenkung schied in dem seinerzeitigen Fall deshalb aus, weil die Bedachte die Herstellungskosten für die auf ihrem Grundstück errichtete Maschinenhalle bereits bezahlt hatte, als sie von der Schenkerin die zugesagten Mittel erhielt.
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen zu der nach dem Vorbringen der Klägerin bereits bei Abschluss des Kaufvertrags vorliegenden Schenkungsabrede getroffen. Diese Feststellungen sind nunmehr nachzuholen. Die Vorentscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Einer mittelbaren Grundstücksschenkung steht im Streitfall nicht entgegen, dass Gegenstand des Kaufvertrags vom 22. Oktober 1991 nicht das Grundstück selbst, sondern ein Rückübertragungsanspruch war.
a) Eine mittelbare Grundstücksschenkung kann nicht nur durch Hingabe von Geld zum Grundstückserwerb bewirkt werden. Wie der Senat bereits entschieden hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1404), kann ein Grundstück auch in der Weise (mittelbar) geschenkt werden, dass der Schenker einen ihm zustehenden Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks unentgeltlich auf den Bedachten überträgt, sofern der Bedachte im Innenverhältnis zum Schenker ausschließlich die Erfüllung des abgetretenen Anspruchs herbeiführen darf und nicht befugt ist, über den Anspruch durch Weiterübertragung zu verfügen.
Ist im Innenverhältnis eine solche Zweckbindung vereinbart, liegt eine mittelbare Grundstücksschenkung auch dann vor, wenn der Schenker dem Bedachten bis zu den oben genannten Zeitpunkten Geldmittel für den Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines bestimmten Grundstücks zusagt und überlässt. Auch in einem solchen Fall soll der Bedachte im Verhältnis zum Schenker endgültig erst über das Grundstück tatsächlich und rechtlich frei verfügen können.
b) Ergeben die vom FG nachzuholenden Feststellungen, dass der Ehemann der Klägerin den Betrag von 720 000 DM den dargelegten Grundsätzen entsprechend rechtzeitig zugesagt hatte, liegt danach eine mittelbare Grundstücksschenkung vor. Die Klägerin konnte aufgrund der gesamthänderischen Bindung als Gesellschafterin der GbR (§§ 718, 719 Abs. 1 BGB) über den von den Gesellschaftern der GbR gekauften Rückübertragungsanspruch nicht in der Weise verfügen, dass sie den ihr rechnerisch zustehenden Anteil an dem Anspruch auf einen Dritten übertrug. Sie konnte im Verhältnis zu ihrem Ehemann als Schenker und Mitgesellschafter im Rahmen der gesamthänderischen Bindung nur über das Grundstück selbst verfügen. Das ist entscheidend.
3. Lässt sich eine rechtzeitige Schenkungsabrede zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann nicht feststellen, steht der Schenkungsteuerpflicht nicht entgegen, dass die Überlassung des Geldbetrages von 720 000 DM im Vertrag vom 16. Februar 1993 als "ehebedingte Zuwendung" bezeichnet wurde. Unabhängig davon, ob zivilrechtlich eine ehebedingte Zuwendung vorliegt, unterliegen Schenkungen unter Ehegatten der Schenkungsteuer (BFH-Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366). Dies stellt auch die Klägerin nicht in Frage.
Ende der Entscheidung
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