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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.09.2004
Aktenzeichen: II R 45/02
Rechtsgebiete: GrEStG, FGO


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 1
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG § 1 Abs. 2
GrEStG § 1 Abs. 3
GrEStG § 1 Abs. 6 Satz 1
GrEStG § 1 Abs. 6 Satz 2
GrEStG § 11 Abs. 1
GrEStG § 23
GrEStG § 23 Abs. 4
GrEStG § 23 Abs. 4 Satz 1
FGO § 90a
FGO § 121
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Durch Grundstückskaufvertrag vom 28. September 1998 erwarb die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) von der T und der B ein in X gelegenes Grundstück zu einem Kaufpreis von ... DM. Diesem Grundstückskaufvertrag war ein am 12. Dezember 1992 von der Klägerin mit der Verkäuferseite geschlossener notariell beurkundeter "Grundstückskauf-Rahmenvertrag" vorausgegangen. In dem Rahmenvertrag hatte sich die Verkäuferseite zum Verkauf mehrerer, durch beigefügte Planzeichnungen näher bezeichneter Grundstücke (einschließlich des mit Vertrag vom 28. September 1998 erworbenen Grundstücks) an die Klägerin und diese sich ihrerseits zum Kauf dieser Grundstücke verpflichtet. Im Rahmenvertrag war ein vorläufiger Gesamtkaufpreis vereinbart, der sich aus den vorläufigen Kaufpreisen für die einzelnen Grundstücke ergab und der vorbehaltlich erforderlicher Genehmigungen zum 23. Dezember 1992 fällig war. Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahren an den einzelnen Kaufgegenständen gingen am 1. Januar 1993 auf die Klägerin über. Die Einzelkaufverträge mit der Klägerin sollten unverzüglich abgeschlossen werden, sobald die Grundstücke in ihrer Größe nach Flurstücksbezeichnungen feststanden. Den für das hier fragliche Grundstück vereinbarten vorläufigen Kaufpreis hatte die Klägerin im Dezember 1992 gezahlt. Der im Grundstückskaufvertrag vom 28. September 1998 vereinbarte endgültige Kaufpreis entsprach dem im Rahmenvertrag vereinbarten vorläufigen Kaufpreis.

Nach dem Vorbringen der Klägerin verzögerte sich der Abschluss der Einzelkaufverträge in der Folgezeit aufgrund ausstehender Flurstücksbezeichnungen sowie deshalb, weil sich die Verkäufer mit Rückerstattungsansprüchen von Alteigentümern auseinander zu setzen hatten. Am 27. Februar 1998 erteilte die B die Grundstücksverkehrsgenehmigung für das das Kaufgrundstück betreffende Rechtsgeschäft vom 12. Dezember 1992.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom 27. November 1998 für den Erwerbsvorgang vom 28. September 1998 Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM nach einer Bemessungsgrundlage von ... DM gegen die Klägerin fest. Seiner Steuerberechnung hatte das FA einen Steuersatz von 3,5 v.H. zugrunde gelegt.

Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage, mit der die Klägerin die Anwendung des Steuersatzes von 2 v.H. begehrte, stattgegeben. Der Erwerbsvorgang sei bereits mit Abschluss und tatsächlicher Durchführung des Rahmenvertrags vom 12. Dezember 1992 verwirklicht worden, weil durch diesen Vertrag der Inhalt des abzuschließenden Kaufvertrags in den wesentlichen Punkten bindend festgelegt worden sei und die Klägerin kurz nach Abschluss dieses Vertrags den Kaufpreis in endgültiger Höhe bezahlt sowie Besitz, Lasten, Nutzen und Gefahren am Kaufgrundstück übernommen habe. Der Rahmenvertrag habe damit der Klägerin aufgrund seiner Rechtswirkungen und seines tatsächlichen Vollzugs eine Verwertungsbefugnis am Kaufgrundstück i.S. des § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) vermittelt. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 113 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 23 Abs. 4 GrEStG.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung des FG ist auf den am 28. September 1998 geschlossenen Grundstückskaufvertrag das Grunderwerbsteuergesetz in der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I, 2049) und damit der Steuersatz von 3,5 v.H. anzuwenden.

1. Gemäß § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG ist § 11 Abs. 1 GrEStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997 erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1996 verwirklicht wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Erwerbsvorgang i.S. des § 23 GrEStG verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Beteiligten im Verhältnis zueinander gebunden sind (BFH-Urteile vom 17. September 1986 II R 136/84, BFHE 147, 538, BStBl II 1987, 35; vom 8. Februar 2000 II R 51/98, BFHE 191, 411, BStBl II 2000, 318, m.w.N.). Die erforderliche Bindung der Beteiligten muss einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG betreffen. Deshalb können rechtsgeschäftliche Erklärungen nur dann zur Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs führen, wenn sie unmittelbar die die Steuerbarkeit eines Rechtsvorgangs i.S. von § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG konstituierenden Merkmale erfüllen, ohne dass bereits ein Erwerb eintritt. Zu diesen Merkmalen gehört bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Erwerb des Eigentumsverschaffungsanspruchs. Durch Vereinbarungen, die dem Erwerber keinen solchen Anspruch verschaffen sollen, kann deshalb ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht verwirklicht werden.

a) Im Streitfall ist der im angegriffenen Grunderwerbsteuerbescheid besteuerte Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erst durch Abschluss des Grundstückskaufvertrags vom 28. September 1998 und nicht bereits durch den Rahmenvertrag vom 12. Dezember 1992 i.S. des § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG verwirklicht worden. Denn durch den Rahmenvertrag vom 12. Dezember 1992 wurde zugunsten der Klägerin (noch) kein Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an den Grundstücken begründet. Dies sollte vielmehr erst durch spätere Verträge geschehen. Seiner Rechtsnatur nach ist der Rahmenvertrag vom 12. Dezember 1992 ein Vorvertrag. Ein solcher begründet für beide Vertragsteile oder auch nur einen von ihnen lediglich die Verpflichtung, demnächst einen anderen schuldrechtlichen Vertrag, den Hauptvertrag, abzuschließen (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 17. Dezember 1987 VII ZR 307/86, BGHZ 102, 384).

Eine andere Beurteilung kommt nur in Betracht, wenn ausnahmsweise bereits aus dem Vorvertrag selbst auf Erklärung der Auflassung geklagt werden kann (BFH-Urteil vom 31. Mai 1972 II R 162/66, BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828). Ein solcher Eigentumsverschaffungsanspruch der Klägerin wurde --wovon sie selbst in ihrer Revisionserwiderung ausgeht-- durch den Rahmenvertrag noch nicht begründet. Ein Ausnahmefall, in dem ausnahmsweise aufgrund sinn- und interessengemäßer Auslegung des Vorvertrags eine Auflassungspflicht unmittelbar aus dem Vorvertrag anzunehmen sein kann (dazu BGH-Urteil vom 21. April 1972 V ZR 42/70, Neue Juristische Wochenschrift 1972, 1189), ist nicht gegeben.

Entgegen der Ansicht des FG ändert an dieser Beurteilung nichts, dass die Vertragsbeteiligten bereits durch Abschluss des Rahmenvertrags eine gegenseitige Bindung herbeigeführt und den Inhalt des abzuschließenden Grundstückskaufvertrags in den wesentlichen Punkten festgelegt hatten. Ebenso kann dem vom FG herausgestellten und in seiner tatsächlichen Würdigung zutreffenden Umstand, dass die tatsächliche Durchführung des Rahmenvertrags durch die Vertragsbeteiligten --insbesondere die von der Klägerin erfüllte Verpflichtung zur Zahlung des vorläufigen Gesamtkaufpreises sowie der Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten mit dem 1. Januar 1993-- im wirtschaftlichen Ergebnis einem durchgeführten Grundstückskaufvertrag nahe kam, keine rechtliche Bedeutung zukommen. Denn ein Vorvertrag begründet einen Abschlusszwang auf vertraglicher Grundlage (Kramer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, herausgegeben von Rebmann/Säcker, 4. Aufl., vor § 145 Rdnr. 43). Weder die darin liegende Bindungswirkung der Vertragsbeteiligten noch im Vorgriff auf den noch abzuschließenden Hauptvertrag bewirkte Erfüllungshandlungen lassen es zu, die Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auf einen Zeitpunkt vor der rechtsgeschäftlichen Begründung des Eigentumsverschaffungsanspruchs vorzuverlagern.

b) Entgegen der Auffassung des FG rechtfertigt sich die Anwendung des § 11 Abs. 1 GrEStG in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung auch dann nicht, wenn --was vorliegend keiner abschließenden Entscheidung bedarf-- die Klägerin schon mit Abschluss und Durchführung des Rahmenvertrags die Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG) am Kaufgrundstück erworben haben sollte. Der nach § 1 Abs. 2 GrEStG zu besteuernde Rechtsvorgang ist ein im Verhältnis zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG eigenständiger Erwerbsvorgang. Nach der Systematik des Grunderwerbsteuergesetzes bildet --wie insbesondere § 1 Abs. 6 Satz 1 GrEStG zeigt-- jeder Erwerbsvorgang einen in sich abgeschlossenen Steuerfall, der je für sich zu besteuern ist und dessen gesetzliche Tatbestandsmerkmale je für sich gesondert zu würdigen sind (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 II R 59/85, BFHE 147, 540, BStBl II 1987, 133). Diese Eigenständigkeit des jeweiligen Erwerbsvorgangs gilt auch für die Beurteilung seiner Verwirklichung i.S. des § 23 Abs. 4 GrEStG. Demgemäß ist es für die im Streitfall allein fragliche Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unerheblich, ob durch den Rahmenvertrag vom 12. Dezember 1992 ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklicht wurde. Die etwaige Aufeinanderfolge beider Erwerbsvorgänge könnte allenfalls eine Begrenzung der Steuererhebung nach Maßgabe des § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG herbeiführen; mangels einer für einen vorausgegangenen Rechtsvorgang berechneten Steuer ist die Anwendung dieser Vorschrift vorliegend jedoch ausgeschlossen.

2. Die Sache ist spruchreif. Auf den Grundstückskaufvertrag vom 28. September 1998 ist, weil dieser nach dem 31. Dezember 1996 verwirklicht wurde, gemäß § 11 Abs. 1 GrEStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997 der Steuersatz von 3,5 v.H. anzuwenden. Das FA hat die Steuer zutreffend berechnet. Die gegen den Grunderwerbsteuerbescheid gerichtete Klage ist abzuweisen.

Der Senat entscheidet gemäß § 121 i.V.m. § 90a FGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.

Ende der Entscheidung

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