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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.09.1998
Aktenzeichen: II R 47/97
Rechtsgebiete: BewG, FGO, BGB


Vorschriften:

BewG § 18
BewG § 92 Abs. 5
BewG § 92 Abs. 5 Satz 1
BewG § 110 bis 114
BewG § 110 Abs. 1 Nr. 4
BewG § 2 Abs. 1
BewG § 17 Abs. 1
BewG § 18 Nr. 4
FGO § 126 Abs. 2
BGB § 96
BGB § 94
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer mehrerer Grundstücke, die mit Erbbaurechten unterschiedlicher Restlaufzeit belastet sind. Mit geändertem Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1977 vom 19. Dezember 1984 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Wege der Hauptveranlagung die Steuer gegen den Kläger für 1977 auf 36 228 DM und für die beiden Folgejahre auf jeweils 25 950 DM fest. Dabei waren das Grundvermögen mit 1 684 480 DM und die kapitalisierten Erbbauzinsen mit 3 567 501 DM angesetzt. Der Bescheid half einem Einspruchsbegehren des Klägers teilweise ab. Im übrigen blieb der Einspruch erfolglos.

Die daraufhin erhobene Klage, mit der der Kläger geltend gemacht hatte, die Vermögensteuer dürfe allgemein mangels gesetzlicher Grundlage und in seinem konkreten Fall zusätzlich wegen Verstoßes gegen den Halbteilungsgrundsatz nicht mehr erhoben werden, außerdem sei die Zurechnung der kapitalisierten Erbbauzinsen zum sonstigen Vermögen gesetzes- und verfassungswidrig, wies das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 838 veröffentlichter Entscheidung ab. Zugleich ließ es die Revision zu.

Mit der Revision hält der Kläger an seiner Rechtsauffassung fest. Da eine Neuregelung der Vermögensteuer unterblieben sei, habe der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juli 1995 2 BvL 37/91 (BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655) zur Folge, daß das bisherige Vermögensteuergesetz (VStG) auch für frühere Veranlagungszeiträume nach dem 31. Dezember 1996 nicht mehr anwendbar sei. Abgesehen davon verletze der angefochtene Bescheid das Übermaßverbot des Art. 14 des Grundgesetzes (GG). Das BVerfG habe in dem genannten Beschluß ausgeführt, die Gesamtbelastung durch eine Besteuerung des Vermögenserwerbs, des Vermögensbestandes und der Vermögensverwendung sei so aufeinander abzustimmen, daß eine übermäßige Last vermieden werde. Die Vermögensteuer dürfe deshalb zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des Sollertrages bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibe. Diese Grenze werde durch den angefochtenen Vermögensteuerbescheid deutlich überschritten. Die für die Jahre 1977 und 1979 festgesetzte Einkommensteuer bleibe jeweils nur knapp unter 50 v.H. des zu versteuernden Einkommens. Die festgesetzte Einkommensteuer für 1978 liege bereits über dieser Grenze. Infolgedessen sei für eine Vermögensteuer kein Raum mehr. Der für 1977 und 1979 verbliebene Freiraum werde bereits durch die Umsatzsteuer auf den Lebensbedarf mehr als ausgeschöpft.

Ungeachtet dieser Folgerungen, die aus dem genannten Beschluß des BVerfG zu ziehen seien, sei der angefochtene Vermögensteuerbescheid in Höhe eines Teilbetrages von 24 972,51 DM für 1977 und von jeweils 17 837,51 DM für 1978 und 1979 auch deshalb rechtswidrig, weil die Einbeziehung der kapitalisierten Erbbauzinsen in das sonstige Vermögen weder der bewertungsgesetzlichen Regelung entspreche, noch mit dem Grundsatz der Einheit der Steuerrechtsordnung als Subprinzip des Rechtsstaatsprinzips vereinbar sei und darüber hinaus das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG verletze.

Der gesonderten Bewertung der Erbbauzinsansprüche stehe entgegen, daß § 18 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der für die Streitjahre geltenden Fassung bei der abschließenden Umschreibung des zu erfassenden Vermögens nicht auf § 92 Abs. 5 BewG Bezug nehme. Infolgedessen könne es sich bei der Anordnung des § 92 Abs. 5 Satz 1 BewG, wonach das Recht auf den Erbbauzins nicht als Bestandteil des Grundstücks zu berücksichtigen, sondern bei der Ermittlung des sonstigen Vermögens oder des Betriebsvermögens des Eigentümers des belasteten Grundstücks anzusetzen sei, allenfalls um eine Rechtsgrundverweisung auf die Vorschriften der §§ 110 bis 114 BewG --insbesondere auf § 110 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes-- handeln. Doch auch zu den nießbrauchs- oder rentenähnlichen Nutzungen und Leistungen gehörten die Erbbauzinsen nicht, weil es an dem dazu erforderlichen Stammrecht fehle. Auch § 2 Abs. 1 BewG schließe eine gesonderte Bewertung der Erbbauzinsansprüche aus, weil sie nicht selbständig übertragbar seien. Darüber hinaus sei die Verselbständigung der Erbbauzinsansprüche zu eigenen Wirtschaftsgütern mit dem vom BVerfG herausgearbeiteten Charakter der Vermögensteuer als Sollertragsteuer nicht vereinbar. Die Erbbauzinsansprüche ergäben keine Erträge, sondern seien ihrerseits Erträge des Grundvermögens. Darin sei begründet, daß die Zurechnung der Erbbauzinsansprüche zum sonstigen Vermögen zu einer Doppelbesteuerung einmal durch die Einkommensteuer und zum anderen durch die Vermögensteuer führe.

Das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG sei verletzt, weil die Inhaber von Erbbauzinsansprüchen gegenüber Vermietern oder Verpächtern vergleichbarer Grundstücke ohne hinreichenden sachlichen Grund schlechter gestellt seien. Obwohl es sich beide Male um Grundstückserträge handele, unterlägen nur die Erbbauzinsansprüche der Vermögensteuer. Dies verstoße auch gegen die Einheit der Steuerrechtsordnung. Ertragsteuerrechtlich würden Erbbaurechtsverhältnisse wie Miet- und Pachtverhältnisse als schwebende Geschäfte behandelt, bei denen sich Rechte und Pflichten auf beiden Seiten gleichwertig gegenüber stünden. Davon werde bewertungsrechtlich nur für das Erbbaurechtsverhältnis abgewichen, obwohl es ansonsten auch für das Bewertungsrecht unerheblich sei, ob das mit einem schwebenden Dauerschuldverhältnis verbundene Nutzungsrecht obligatorischer oder dinglicher Natur ist.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 10. Januar 1985, den geänderten Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1977 vom 19. Dezember 1984 sowie den ursprünglichen Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1977 vom 2. August 1982 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das bis Jahresende 1996 geltende VStG ist auf den Streitfall noch anwendbar. Das Ausmaß der Steuerbelastung des Klägers macht den angefochtenen Vermögensteuerbescheid nicht rechtswidrig. Auch die Zurechnung der kapitalisierten Erbbauzinsen zum sonstigen Vermögen ist nicht zu beanstanden.

1. Das FG hat zutreffend angenommen, daß das VStG weiterhin auf alle bis zum 31. Dezember 1996 verwirklichten Tatbestände anzuwenden ist. Dies entspricht der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 18. Juni 1997 II B 33/97, BFHE 182, 379, BStBl II 1997, 515; Urteil vom 30. Juli 1997 II R 9/95, BFHE 183, 235, BStBl II 1997, 635; Beschlüsse vom 30. Juli 1997 II B 7/97, BFH/NV 1998, 351; vom 15. Oktober 1997 II B 60/97, BFH/NV 1998, 502, und vom 29. Oktober 1997 II B 67/97, BFH/NV 1998, 361) und ist durch den Beschluß des BVerfG vom 30. März 1998 1 BvR 1831/97 (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1998, 643) bestätigt worden. Gegen den Kläger war daher noch nach Maßgabe des VStG in den für die Streitjahre geltenden Fassungen Vermögensteuer festzusetzen.

2. Aus der weiteren Anwendbarkeit des VStG auf alle bis zum 31. Dezember 1996 verwirklichten Tatbestände ergibt sich darüber hinaus, daß die behauptete steuerliche Gesamtbelastung des Klägers für sich allein nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides führt (vgl. dazu den gegenüber dem Kläger ergangenen Beschluß des Senats vom 19. Mai 1998 II B 14/98, BFH/NV 1998, 1275). Die Ausführungen des BVerfG zu den einzuhaltenden Grenzen einer Steuerbelastung (Abschn. C II. 3. c des Beschlusses in BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655) sind für die Anwendung des bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vermögensteuerrechts ohne Bedeutung. Daß die gegen den Kläger festgesetzte Vermögensteuer seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigt, daß ihr erdrosselnde Wirkung zukommt und damit schon nach der herkömmlichen ständigen Rechtsprechung des BVerfG gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verstößt (vgl. dazu Beschluß des BVerfG vom 8. April 1997 1 BvR 48/94, BVerfGE 95, 267, 300, m.w.N.), hat der Kläger nicht geltend gemacht. Dafür ergeben die von ihm genannten Zahlen zur Steuerbelastung auch keine Anhaltspunkte.

3. Das FA hat die Rechte des Klägers auf die Erbbauzinsen auch zutreffend bei der Ermittlung des sonstigen Vermögens angesetzt. Der Senat hat sich wiederholt mit den Einwänden gegen die gesonderte Erfassung des Rechts auf Erbbauzinsen auseinandergesetzt (vgl. Urteile vom 26. November 1986 II R 32/83, BFHE 148, 180, BStBl II 1987, 101; vom 14. Januar 1987 II R 208/84, BFH/NV 1988, 148, sowie vom 8. April 1987 II R 175/82, BFH/NV 1988, 568) und dabei auf der Grundlage des geltenden Rechts keine Möglichkeit gesehen, den Einwänden gegen den Ansatz des Kapitalwerts der Erbbauzinsansprüche dem Grunde nach oder zumindest in der Höhe zu entsprechen. Nachdem das BVerfG mit Beschluß vom 17. Juli 1995 1 BvR 892/89 (BStBl II 1995, 810, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1995, 745) die Regelung des § 92 Abs. 5 BewG ebenfalls für verfassungsgemäß befunden hat, können auch die neuerlichen Argumente des Klägers dagegen, daß die Kapitalwerte seiner Erbbauzinsansprüche beim sonstigen Vermögen berücksichtigt worden sind, nicht zum Erfolg führen.

Nach § 92 Abs. 5 Satz 1 BewG sind die Kapitalwerte der Erbbauzinsansprüche bei der Ermittlung des sonstigen Vermögens als eigene Wirtschaftsgüter ggf. neben einem Teil des Werts des Grund und Bodens zu erfassen (BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 148). Sie zählen zu den Kapitalwerten von Rechten auf andere wiederkehrende Leistungen i.S. des § 110 Abs. 1 Nr. 4 BewG (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 1959 III 349/58 U, BFHE 69, 273, BStBl III 1959, 364, sowie vom 13. November 1981 III R 69/80, BFHE 134, 569, BStBl II 1982, 184) und fallen damit gemäß § 17 Abs. 1 i.V.m. § 18 Nr. 4 BewG in den für die Vermögensteuer vorgeschriebenen Geltungsbereich. Daß sich die Regelung des § 92 Abs. 5 BewG innerhalb der Vorschriften über die Bewertung des Grundvermögens befindet, hat seinen Grund darin, daß das Recht auf den Erbbauzins von dem belasteten Grundstück, dessen wesentlicher Bestandteil es zivilrechtlich ist (§§ 96, 94 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--, § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über das Erbbaurecht), für bewertungsrechtliche Zwecke abgespalten werden sollte. Diese Abspaltung war dort vorzunehmen, wo sich die Regelung über die Bewertung des Grundvermögens, zu dem es ansonsten gehört hätte, befindet. § 2 Abs. 1 BewG steht der Abspaltung des Rechts auf den Erbbauzins und seiner Erfassung als eigenes Wirtschaftsgut nicht entgegen, weil er gemäß § 1 Abs. 2 BewG als allgemeine Bewertungsvorschrift insoweit nicht gilt, als im zweiten Teil des Gesetzes besondere Bewertungsvorschriften enthalten sind. Zu diesen besonderen Vorschriften gehört auch § 92 Abs. 5 BewG.

Der bewertungsrechtlichen Verselbständigung des Rechts auf den Erbbauzins zu einem eigenen Wirtschaftsgut kann der Beschluß des BVerfG in BVerfGE 93, 121, BStBl II 1995, 655 für die Streitjahre schon deshalb nicht entgegenstehen, weil er --wie oben ausgeführt-- nicht auf Sachverhalte anzuwenden ist, die bis zum Jahresende 1996 verwirklicht waren.

Der behauptete Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Rechtsstaatsprinzip, der darin liegen soll, daß das Erbbaurechtsverhältnis ertragsteuerrechtlich anders als im Bewertungsrecht als schwebendes Geschäft behandelt wird, liegt ebenfalls nicht vor. Das Ertragsteuerrecht und das Bewertungsrecht behandeln das Erbbaurecht und den Erbbauzins zwar unterschiedlich, aber jeweils in sich widerspruchsfrei. Die vom Kläger gerügten Verzerrungen innerhalb des Bewertungsrechts ergeben sich aus der Unterbewertung des Grundvermögens und nicht aus der vom Ertragsteuerrecht abweichenden Sichtweise. Diese Abweichung ist aufgrund der unterschiedlichen Regelungsbereiche auch sachgerecht. Sie ermöglicht es, den Eigentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks ganz oder zumindest teilweise von jeder Grundsteuerbelastung freizuhalten, während ihm ertragsteuerrechtlich das belastete Grundstück über die ganze Zeit des Bestehens des Erbbaurechts zugerechnet wird (vgl. BFH-Urteil vom 2. Mai 1984 VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl II 1984, 820, 822). Daß auch ein Vergleich mit den Miet- und Pachtverhältnissen keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ergibt, hat das BVerfG in seinem Beschluß in BStBl II 1995, 810, HFR 1995, 810 ausdrücklich festgestellt. Danach gebietet es Art. 3 Abs. 1 GG nicht, den Fall der Bestellung eines Erbbaurechts mit Sachverhalten gleich zu behandeln, bei denen insbesondere durch Miet- oder Pachtverträge den Berechtigten eine ähnliche Stellung hinsichtlich der Nutzung fremder Grundstücke verschafft wird.

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