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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.10.2004
Aktenzeichen: II R 49/02
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG § 8 Abs. 1
GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 22. Dezember 1995 einen 959/10 000 Miteigentumsanteil an einem in A gelegenen Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einer Teileigentumseinheit (Geschäftsfläche) sowie das Sondernutzungsrecht an 6 PKW-Stellplätzen zu einem Kaufpreis von 1 896 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Verkäuferin war die G-KG. Diese hatte für die Bebauung des Grundstücks mit einem Wohn- und Geschäftshaus eine am 30. März 1995 bauordnungsbehördlich genehmigte Planung entwickelt und mit Vertrag vom 11. November 1993 die B-GmbH mit der schlüsselfertigen Errichtung des Projekts nach Maßgabe einer Baubeschreibung vom 18. Oktober 1993 beauftragt. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages war der Rohbau fertiggestellt. In dem Vertrag vom 22. Dezember 1995 heißt es hierzu:

"Der Verkäufer (G-KG) verkauft ... 959/10 000stel Miteigentumsanteil verbunden mit der Sondereigentumseinheit ... im Rohbauzustand als teilfertiges Gebäude, so wie es steht und liegt.

Der weitergehende Ausbau über den Rohbauzustand hinaus ist nicht mehr Obliegenheit des Verkäufers sondern ausschließlich Angelegenheit des Käufers."

In einer dem Grundstückskaufvertrag vorangegangenen, für den Fall des Abschlusses des Kaufvertrages getroffenen Vereinbarung vom 14. Dezember 1995 hatten die Vertragsbeteiligten abgesprochen, dass der Kläger den gesamten weiteren "Ausbau" ab Rohbaufertigstellung in eigener Verantwortung durchführen solle; beide Vertragsparteien verpflichteten sich, "die Vollendung des Bauvorhabens wechselseitig zu fördern und alle Maßnahmen zu treffen, damit das Bauvorhaben" der G-KG einerseits und des Klägers anderseits "nicht beeinträchtigt werde". Die Beauftragung der B-GmbH sei "weder Bedingung noch Voraussetzung für den Abschluss des Kaufvertrages über die Sondereigentumseinheit".

Am 27. Dezember 1995 schloss der Kläger mit der B-GmbH einen Werkvertrag über "die Durchführung der Ausbauleistung" und "die Fertigstellung der Ladenflächen (NFL 842 m²) in schlüsselfertigem Zustand". Als Festpreis wurden 1 344 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart. Für die Beauftragung der B-GmbH sollten die --auch für den Werkvertrag zwischen der G-KG und der B-GmbH vereinbarte-- Baubeschreibung vom 18. Oktober 1993 sowie ein Zahlungsplan vom 22. Dezember 1995 maßgebend sein. Für Änderungswünsche des Klägers hat die B-GmbH auf Grund einer Mehr-/Minderkostenaufstellung vom 3. Juni 1998 zusätzlich 23 889,62 DM berechnet. Der Werkvertrag zwischen der G-KG und der B-GmbH vom 11. November 1993 wurde im Hinblick auf den Werkvertrag mit dem Kläger entsprechend geändert.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte für den Erwerb des Klägers durch Bescheid vom 7. März 1996 zunächst vorläufig die Grunderwerbsteuer auf 43 608 DM fest. Später vertrat das FA die Auffassung, zwischen Kauf- und Werkvertrag bestehe ein enger sachlicher Zusammenhang, und setzte durch Änderungsbescheid vom 11. September 1996 nach einer Gegenleistung von 3 725 600 DM (Kaufpreis zuzüglich Festpreis für die Bauerrichtung) die Steuer auf 74 512 DM herauf.

Einspruch und Klage, mit denen sich der Kläger gegen die Einbeziehung des an die B-GmbH gezahlten Festpreises für die Bauleistungen in die grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung wandte, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gelangte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1401 veröffentlichten Urteil zu der Überzeugung, dass einheitlicher Leistungsgegenstand des Erwerbs des Klägers bei objektiver Betrachtungsweise die schlüsselfertig errichtete Teileigentumseinheit sei. Der Kläger sei hinsichtlich des "Ob" und des "Wie" der Bebauung gegenüber der aus G-KG und B-GmbH bestehenden und abgestimmt handelnden einheitlichen Veräußererseite nicht mehr frei gewesen. Es liege fern anzunehmen, die mit der schlüsselfertigen Errichtung des Gesamtprojekts beauftragte B-GmbH hätte hinsichtlich einer Teileigentumseinheit den Auftrag aus der Hand gegeben. Auch die G-KG habe ein Interesse an der Fertigstellung der Teileigentumseinheit des Klägers gerade durch die B-GmbH gehabt, weil sonst die Vermarktung der übrigen Einheiten gefährdet gewesen wäre. Anders als in den vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fällen (Entscheidungen vom 16. Januar 2002 II R 16/00, BFHE 197, 308, BStBl II 2002, 431, und vom 2. September 1993 II B 71/93, BFHE 172, 534, BStBl II 1994, 48) habe sich die G-KG deshalb vom Bauvorhaben nicht trennen und die Fertigstellung dem Kläger nicht überlassen wollen und auch nicht können.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Nach der Rechtsprechung des BFH rechtfertige die Verpflichtung des Erwerbers, anstelle des Grundstücksveräußerers in einen bestehenden Vertrag mit einem Dritten über die Errichtung oder Fertigstellung eines Bauvorhabens einzutreten, nur bei Hinzutreten weiterer Umstände den Schluss, der Grundstücksverkäufer und der Dritte hätten in Abstimmung untereinander darauf hingewirkt, dem Erwerber ein Grundstück in fertig bebautem Zustand zu verschaffen. Die G-KG habe sich in Bezug auf die Sondereigentumseinheit des Klägers vom Bauvorhaben vollständig gelöst. Soweit er, der Kläger, verpflichtet gewesen sei, das Gebäude zu errichten, habe es sich um eine eigennützige Leistung gehandelt, die keine Gegenleistung darstelle. Der Abschluss des Werkvertrages habe nicht den Interessen der B-GmbH gedient, da diese bereits zuvor von der G-KG beauftragt gewesen sei, das gesamte Bauvorhaben zu errichten. Es fehle an einem Zusammenwirken zwischen der G-KG und der B-GmbH bei Abschluss der Verträge.

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und unter Abänderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 11. September 1996 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 1999 die Grunderwerbsteuer auf 43 608 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat ohne Rechtsverstoß erkannt, dass einheitlicher Erwerbsgegenstand des Grunderwerbs des Klägers die schlüsselfertig erstellte Teileigentumseinheit ist und damit auch der vom Kläger aufgewendete Betrag für die Fertigstellung des Objekts grunderwerbsteuerrechtlich als Gegenleistung zu behandeln ist.

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übereignung eines inländischen Grundstücks der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben. Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist dabei, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 11. März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, BStBl II 1981, 537; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590, und vom 27. Oktober 1999 II R 17/99, BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34).

b) Gegenstand des Erwerbsvorgangs des Klägers war im Streitfall die schlüsselfertig erstellte Teileigentumseinheit. Denn nach dem Grundstückskaufvertrag vom 22. Dezember 1995 war die G-KG verpflichtet, dem Kläger die Teileigentumseinheit und das Sondernutzungsrecht an Einstellplätzen zu verschaffen. Dieser Vertragspflicht konnte die G-KG nicht durch die Verschaffung des Miteigentumsanteils verbunden mit der Sondereigentumseinheit "im Rohbauzustand als teilfertiges Gebäude", sondern nur mit der schlüsselfertigen Erstellung des Gesamtobjekts genügen. Denn zum einen kann an Räumen eines Gebäudes im Rohbauzustand Wohnungs- oder Teileigentum wegen der fehlenden Abgeschlossenheit der einzelnen Einheiten nicht entstehen (§ 3 Abs. 2 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht --WEG--); zum anderen kann auf einem im Miteigentum stehenden Grundstück eine Wohnungs- oder Teileigentumseinheit nicht für sich allein hergestellt werden, sondern nur durch die Errichtung des betreffenden Gebäudes (BFH-Urteile vom 4. September 1974 II R 112/69, BFHE 113, 545, BStBl II 1975, 89, und II R 119/73, BFHE 113, 480, BStBl II 1975, 91).

Die Vereinbarung, dass "der weitergehende Ausbau über den Rohbauzustand hinaus" Angelegenheit des Klägers sein sollte, ging deshalb ins Leere und änderte nichts daran, dass der weitere Ausbau des Gesamtobjekts faktisch weiterhin allein in der Hand der G-KG lag. Denn es ist nicht ersichtlich, auf welche Weise der Kläger als zukünftiger ideeller Miteigentümer in der Lage gewesen wäre, den Ausbau des Objekts unabhängig von der G-KG, den von der G-KG entwickelten Plänen sowie unabhängig von den Vertragsbeziehungen zwischen der G-KG und der B-GmbH vorzunehmen. Es ging nämlich bei dem vom Kläger übernommenen "Ausbau" im Streitfall nicht nur darum, der Teileigentumseinheit die in das Sondereigentum des Klägers nach § 5 Abs. 1 WEG übergehenden Gebäudebestandteile hinzuzufügen, sondern im Wesentlichen um die Herstellung der in das Gemeinschaftseigentum aller Miteigentümer nach § 5 Abs. 2 WEG fallenden Gebäudeteile und -einrichtungen, wie z.B. Fassade, Fenster, Treppenhaus, Heizungs- und Aufzugsanlagen, Sanitär- und Elektroinstallationen etc. Dies ergibt sich aus der Baubeschreibung vom 18. Oktober 1993, die Bestandteil (auch) des vom Kläger mit der B-GmbH abgeschlossenen Werkvertrages war. Soweit es um die Erstellung von Gemeinschaftseigentum ging, war der Kläger gar nicht in der Lage, über das "Ob" und "Wie" des weiteren Ausbaus selbstständig zu entscheiden (BFH-Urteil in BFHE 113, 480, BStBl II 1975, 91), sondern war auf das von der G-KG entwickelte Bebauungskonzept festgelegt, das zu fördern er sich in der Vereinbarung vom 14. Dezember 1995 verpflichtet hatte. Die Herstellung der in das gemeinschaftliche Eigentum aller Miteigentümer fallenden Gebäudeteile und Einrichtungen kann nicht für einen ideellen Miteigentumsanteil getrennt erfolgen, sondern erfordert eine einheitliche Beauftragung und Durchführung. Nach der Rechtsprechung des BFH kann deshalb der Erwerb einer Eigentumswohnung oder Teileigentumseinheit nicht in einen Kauf des Miteigentumsanteils am unbebauten Grundstück und einen Vertrag über die Herstellung des Gebäudes zerlegt werden (z.B. BFH-Urteil in BFHE 113, 545, BStBl II 1975, 89). Dies gilt entsprechend auch für den vorliegenden Fall des Erwerbs eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück mit einem Gebäude im Rohbauzustand. Auch hier kann die Teileigentumseinheit nicht vom Erwerber des entsprechenden Miteigentumsanteils, sondern nur durch Errichtung des Gesamtgebäudes, insbesondere des Gemeinschaftseigentums "hergestellt" werden.

War der Kläger aber weder rechtlich noch faktisch in der Lage, sein Teileigentum "über den Rohbauzustand hinaus weitergehend auszubauen", und liefen deshalb die diesbezüglich getroffenen Vereinbarungen mit der G-KG und der B-GmbH leer, sind diese auch grunderwerbsteuerrechtlich unbeachtlich. Maßgeblicher einheitlicher Erwerbsgegenstand ist aus diesen Gründen im Streitfall das vom Verkäufer (hier: der G-KG) vertraglich zu verschaffende Teileigentum, das die Errichtung des Gesamtobjekts durch den Verkäufer (G-KG) voraussetzte. Alle Aufwendungen des Klägers, die dieser gemacht hat, um das Teileigentum zu erhalten, gehören unabhängig davon, in wie viele Einzelpositionen die Beträge aufgeteilt und an wen die Zahlungen geleistet wurden, zur Gegenleistung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Denn auch soweit vom Kläger Zahlungen an Dritte (hier an die B-GmbH) geleistet wurden, dienten sie der von der G-KG geschuldeten Herstellung der an den Kläger veräußerten Teileigentumseinheit. Der Feststellung eines Zusammenwirkens auf der Veräußererseite bedarf es in diesen Fällen nicht, da grunderwerbsteuerrechtlich allein der Verkäufer leistungsverpflichtet ist.

Da die auf Verschaffung des Teileigentums gerichtete Leistungspflicht des Verkäufers (G-KG) nicht aufteilbar und deshalb --trotz der vom Kläger übernommenen Ausbauverpflichtung-- uneingeschränkt erhalten geblieben ist, hat sich die G-KG anders als in den vom Kläger in Bezug genommenen BFH-Entscheidungen vom 17. September 1997 II R 24/95 (BFHE 183, 265, BStBl II 1997, 776), vom 16. Januar 2002 II R 16/00 (BFH/NV 2002, 592), in BFHE 197, 308, BStBl II 2002, 431 und vom 22. Mai 2002 II R 1/00 (BFH/NV 2002, 1493) nicht lediglich von dem Objekt trennen wollen und können. Vielmehr konnte die G-KG nur durch die Fertigstellung des Gesamtprojekts ihre Vertragspflichten erfüllen sowie ihre weiteren wirtschaftlichen Interessen erreichen. Die besondere Fallkonstellation, die in den genannten Entscheidungen letztlich gegen die Annahme eines einheitlichen Leistungsgegenstands spricht, weil der Grundstücksveräußerer sich lediglich von dem Grundstück trennen will und jedes weitere Interesse an der Bebauung verloren hat, liegt --wie das FG zutreffend erkannt hat-- hier nicht vor.



Ende der Entscheidung

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