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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.09.2004
Aktenzeichen: II R 50/03
Rechtsgebiete: AO 1977, ErbStG 1974


Vorschriften:

AO 1977 § 125 Abs. 1
ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die mit ihrem Ehemann (E) im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt, hatte von E in den Jahren 1989 bis 1993 Geldzuwendungen erhalten. Bei diesen handelte es sich um Tilgungsleistungen für Bausparverträge der Klägerin, um von E bezahlte Aufwendungen für Grundstücke der Klägerin sowie um der Klägerin ab Mitte 1992 bis 1993 monatlich überwiesene und als "Haushaltsgeld" bezeichnete Beträge, die die Klägerin zunächst als Festgeld angelegt und sodann für die Bebauung ihres Grundstücks verwendet hatte. Darüber hinaus hatte E der Klägerin für einen von ihr errichteten Neubau 1992 einen Geldbetrag von ... DM zugewendet.

Durch Bescheid vom 27. August 1996 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unter Hinweis auf in einem Betriebsprüfungsbericht getroffene Feststellungen über "Schenkungen i.H.v. X DM, welche bisher unversteuert" geblieben seien, gegen die Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von ... DM fest. Das FA legte als steuerpflichtigen Erwerb diese X DM zuzüglich durch einen Schenkungsteuerbescheid vom 7. Juli 1992 erfasster Vorschenkungen in Höhe von ... DM zugrunde und rechnete auf die darauf festzusetzende Schenkungsteuer von ... DM die für die Vorschenkungen festgesetzte Schenkungsteuer von ... DM an. In dem Betriebsprüfungsbericht vom 4. September 1995 sind --jeweils in nicht weiter aufgegliederten Gesamtsummen für die einzelnen Jahreszeiträume von 1989 bis 1993 zusammengefasst-- die von E zugewendeten Tilgungsleistungen für die Bausparbeiträge, die von E getragenen Aufwendungen für im Eigentum der Klägerin stehende Grundstücke sowie die als Haushaltsgeld gezahlten Beträge aufgeführt. Der Bescheid erging an die im Anschriftenfeld so bezeichnete Klägerin, jedoch unter unzutreffender Adressenangabe.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat ausgeführt, der Schenkungsteuerbescheid sei hinsichtlich des Inhaltsadressaten hinreichend bestimmt; die Art der Bekanntgabe führe nicht zur Unwirksamkeit des Bescheids. Die Zuwendungen des E seien freigebige Zuwendungen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974).

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) sowie des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974. Sie hält den angefochtenen Steuerbescheid für nichtig.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 25. September 2001, die Einspruchsentscheidung vom 20. März 1997 sowie den Schenkungsteuerbescheid vom 27. August 1996 aufzuheben, hilfsweise, unter Aufhebung des Urteils und Abänderung des Schenkungsteuerbescheids und der Einspruchsentscheidung die Schenkungsteuer auf ... DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist mit ihrem Hauptantrag zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids und der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Zwar wurde die Klägerin im angegriffenen Schenkungsteuerbescheid --entgegen der Auffassung der Revision-- mit hinreichender Bestimmtheit als Inhaltsadressatin bezeichnet. Denn dem angegriffenen Schenkungsteuerbescheid ist eindeutig zu entnehmen, dass Inhaltsadressat die Klägerin ist. Der in der Falschadressierung begründete Bekanntgabemangel wurde durch die hier unstreitig erfolgte Weiterleitung des Bescheids an die Klägerin geheilt (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juli 2001 II B 9/01, BFH/NV 2002, 8, m.w.N.).

2. Das FG hat aber nicht erkannt, dass der angegriffene Schenkungsteuerbescheid wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig ist. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben.

a) Schriftliche Steuerbescheide müssen inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO 1977). Erforderlich ist u.a. die Bezeichnung der festgesetzten Steuer nach Art und Betrag (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Dazu bedarf es der Angabe der einzelnen, durch die Verwirklichung eines bestimmten Steuertatbestandes jeweils ausgelösten Steuerschuld. Diesen zur Bestimmtheit eines Steuerbescheids notwendigen Angaben genügt auch eine Bezugnahme auf Anlagen oder Unterlagen (etwa einen Betriebsprüfungsbericht), die sich bereits in Händen des Steuerpflichtigen befinden (BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 41/88, BFHE 166, 1, BStBl II 1992, 219).

Die vorstehenden Anforderungen gelten grundsätzlich auch in den Fällen, in denen das FA --wie im Streitfall-- von der verfahrensrechtlichen Möglichkeit Gebrauch macht, mehrere Erwerbe (Steuerfälle) in einem Bescheid zu besteuern. Es ist deshalb unzulässig, dabei die verschiedenen Steuerschulden desselben Steuerschuldners in einem Betrag unaufgegliedert zusammenzufassen (BFH-Urteil vom 28. Januar 1983 VI R 35/78, BFHE 138, 188, BStBl II 1983, 472). Vielmehr erfordern mehrere (getrennte) Steuerfälle entweder eine Festsetzung in getrennten Steuerbescheiden oder --bei körperlicher Zusammenfassung in einem Schriftstück-- neben der genauen Angabe, welche Lebenssachverhalte (Besteuerungstatbestände, -zeiträume) besteuert werden sollen, für jeden Steuerfall eine gesonderte Festsetzung der Steuer (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1998 II R 6/97, BFH/NV 1999, 1091, m.w.N.). Hierauf kann im Einzelfall ausnahmsweise nur dann verzichtet werden, wenn trotz unaufgegliederter Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle eindeutig feststeht, welche Steuerfälle von dem Bescheid erfasst werden und dass auch aus anderweitigen rechtlichen Gründen keine Notwendigkeit zu einer Differenzierung besteht (dazu z.B. BFH-Urteile vom 17. September 1986 II R 62/84, BFH/NV 1987, 738, und vom 22. November 1995 II R 26/92, BFHE 179, 177, BStBl II 1996, 162). Erforderlich ist eine Differenzierung insbesondere dann, wenn das rechtliche Schicksal der verschiedenen Steueransprüche nach Anspruchsgrund bzw. dessen Wegfall, hinsichtlich möglicher Befreiungstatbestände und des Eintritts der Verjährung einen unterschiedlichen Verlauf nehmen sowie der für den Einzelfall festgesetzten Steuer eine weitere rechtliche Bedeutung für weitere Steuerfälle (z.B. im Rahmen des § 14 ErbStG 1974) zukommen kann (BFH in BFH/NV 1999, 1091).

b) Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Schenkungsteuerbescheid auch unter Berücksichtigung der in dem Betriebsprüfungsbericht getroffenen Feststellungen nicht. Das FA hat die Schenkungsteuer für zahlreiche schenkungsteuerrechtlich relevante Sachverhalte, bei denen es sich um jeweils getrennt zu beurteilende Steuerfälle handelt, unter Einschluss der durch den Schenkungsteuerbescheid vom 7. Juli 1992 besteuerten Erwerbsvorgänge unaufgegliedert zusammengefasst. Den Anforderungen der Inhaltsbestimmtheit ist nicht dadurch genügt, dass im Betriebsprüfungsbericht die auf die einzelnen Jahreszeiträume entfallenden Gesamtsummen der von E zugewendeten Beträge aufgeführt sind. Es liegt kein Fall vor, in dem ausnahmsweise der getrennte Steuerausweis für jeden Steuerfall entbehrlich ist.

Die in dem angegriffenen Schenkungsteuerbescheid erfassten einzelnen Zuwendungen des E an die Klägerin sind rechtlich jeweils selbständig zu beurteilen. Diese Zuwendungen beruhten nicht auf einem einheitlichen Schenkungsversprechen; ein wirksames notariell beurkundetes Schenkungsversprechen (§ 518 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) liegt nicht vor. Den Zuwendungen liegt auch kein obligatorisches Forderungsrecht zugrunde, das ein Stammrecht der Klägerin gegen E auf die einzelnen Zuwendungen begründete (dazu Urteil des Reichsfinanzhofs vom 26. Juni 1941 IIIe 43/40, RStBl 1941, 766; BFH-Urteil vom 28. November 1967 II 72/63, BFHE 91, 104, BStBl II 1968, 239). Die im angefochtenen Bescheid erfassten laufenden Zahlungen des E, die jeweils ohne Eingehung einer rechtlichen Verpflichtung freiwillig erfolgten, sind daher als einzelne selbständige Zuwendungsvorgänge getrennt zu besteuern. Die verfahrensrechtliche Möglichkeit der Zusammenfassung mehrerer Erwerbe in einem Bescheid begründet nicht die Einheitlichkeit dieser Erwerbe (BFH-Urteil vom 16. Dezember 1992 II R 114/89, BFH/NV 1993, 298).

Im Streitfall war eine differenzierte Festsetzung der Schenkungsteuer für jeden einzelnen Schenkungsvorgang auch nicht ausnahmsweise verzichtbar. Einer getrennten Beurteilung bedurften die in dem angegriffenen Bescheid zusammengefassten Steueransprüche schon im Hinblick auf die Frage, ob --so etwa hinsichtlich der als "Haushaltsgeld" zugewendeten Beträge-- ein Teil der auf verschiedene Jahreszeiträume entfallenden Zuwendungen des E an die Klägerin in Erfüllung der Unterhaltspflicht gemäß §§ 1360, 1360a BGB geleistet wurden. Fehlte es insoweit an einer objektiven Bereicherung der Klägerin und daher an schenkungsteuerpflichtigen Vorgängen, so könnte dem angegriffenen Schenkungsteuerbescheid auch unter Berücksichtigung der in dem Betriebsprüfungsbericht enthaltenen Angaben nicht entnommen werden, welche Steuer auf die in demselben Bescheid erfassten weiteren Zuwendungen entfiele. Ebenso ließe sich auch nicht die Feststellung treffen, in Höhe welchen Betrags die durch den zusammengefassten Steuerbescheid festgesetzte Steuer ggf. durch Festsetzungsverjährung erloschen ist.

3. Die Sache ist spruchreif.

Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid vom 27. August 1996 und die Einspruchsentscheidung vom 20. März 1997 sind inhaltlich unbestimmt. Sie leiden, weil die konstitutiven Anforderungen an den Inhalt eines Steuerbescheids nicht erfüllt sind, unter einem besonders schwerwiegenden Mangel i.S. von § 125 Abs. 1 AO 1977. Sie sind nichtig und daher aufzuheben.



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