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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.11.2000
Aktenzeichen: II R 51/99
Rechtsgebiete: GrEStG 1983, BGB


Vorschriften:

GrEStG 1983 § 23
GrEStG 1983 § 11 Abs. 1
GrEStG 1983 § 23 Abs. 4 Satz 1
BGB § 160 ff.
BGB § 184 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 30. Dezember 1996 verkaufte eine aus drei Personen bestehende Erbengemeinschaft ein Grundstück an den Kläger und Revisionskläger (Kläger). Der Kaufpreis betrug ... DM. Zwei Mitglieder der veräußernden Erbengemeinschaft und der erwerbende Kläger wurden beim Abschluss des Vertrags von Personen ohne Vertretungsmacht vertreten. Die Genehmigungserklärungen der Vertretenen gingen erst im Laufe des Jahres 1997 bei dem beurkundenden Notar ein.

Durch Bescheid vom 4. April 1997 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest. Das FA wendete dabei einen Steuersatz von 3,5 v.H. an.

Mit der dagegen gerichteten Klage wurde geltend gemacht, dass auf den Erwerbsvorgang der Steuersatz von 2 v.H. anzuwenden sei.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Da der Erwerbsvorgang erst nach dem 31. Dezember 1996 verwirklicht worden sei, betrage der Steuersatz 3,5 v.H. Verwirklicht sei ein Erwerbsvorgang i.S. des § 23 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 solange nicht, als eine für das Zustandekommen des Vertrags notwendige Willenserklärung eines Vertragsteils zwar von einem Vertreter namens des Vertragsteils abgegeben worden sei, die Vertretungsmacht des Vertreters aber fehle oder nicht ausreiche, die Willenserklärung gegen den Vertretenen wirksam werden zu lassen.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung sowie unter Abänderung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids die Grunderwerbsteuer auf ... DM herabzusetzen.

Trotz der schwebenden Unwirksamkeit seien die Vertragsbeteiligten bereits aufgrund der notariellen Beurkundung in einer Weise gebunden gewesen, dass die Genehmigung auch in grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht rückwirkende Kraft gehabt habe. Bereits mit der Beurkundung sei die für den Erwerbsvorgang entscheidende Bindungswirkung zwischen den Parteien existent gewesen, die gerade auch deshalb die Beurkundung an diesem Tag auf den Rat des Notars hin vorgenommen hätten, um zum Grunderwerbsteuersatz von 2 v.H. zu gelangen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Zutreffend hat das FG erkannt, dass der Erwerbsvorgang gemäß § 11 Abs. 1 GrEStG 1983 i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 einem Steuersatz von 3,5 v.H. unterliegt. Nach § 23 Abs. 4 Satz 1 GrEStG 1983 ist § 11 Abs. 1 GrEStG 1983 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997 erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1996 verwirklicht werden. Dies trifft auf den Erwerbsvorgang im Streitfall zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Erwerbsvorgang i.S. des § 23 GrEStG 1983 verwirklicht, wenn das auf den Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Beteiligten im Verhältnis zueinander gebunden sind (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1989 II R 31/88, BFHE 159, 260, BStBl II 1990, 234, m.w.N.). Die Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs setzt somit stets rechtsgeschäftlich wirksame Willenserklärungen der Vertragschließenden voraus, durch die eine Bindung der Beteiligten an das vorgenommene Rechtsgeschäft eingetreten ist.

Im Streitfall war eine derartige Bindung der Beteiligten im Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Grundstückskaufvertrags nicht eingetreten.

Sowohl der erwerbende Kläger als auch Mitglieder der veräußernden Erbengemeinschaft waren bei Abschluss des Grundstückskaufvertrags durch Personen ohne Vertretungsmacht vertreten. Die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen die Vertretenen hing daher von deren Genehmigung ab (§ 177 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Bis dahin war der Vertrag aus Gründen, die bereits die zum Vertragsschluss führenden Erklärungen betrafen, schwebend unwirksam. Während der Dauer eines solchermaßen begründeten Schwebezustands ist der Vertretene nicht gebunden, insbesondere grundsätzlich nicht zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet. Das Vertretergeschäft hat keine Wirkung für und gegen den Vertretenen. Klagbare Ansprüche bestehen noch nicht (Schramm in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Allgemeiner Teil, 3. Aufl., § 177 Rdnr. 16, m.w.N.). Vor Erteilung der Genehmigungen durch die vollmachtlos Vertretenen bestand daher keine endgültige Bindung an den bereits beurkundeten Vertrag. Dies schließt eine Verwirklichung des Erwerbsvorgangs bereits mit dem notariell beurkundeten Abschluss des Vertrages nach den von der Rechtsprechung des Senats entwickelten Grundsätzen aus (vgl. BFH-Urteile vom 18. Mai 1999 II R 16/98, BFHE 188, 453, BStBl II 1999, 606, und vom 8. Februar 2000 II R 51/98, BFHE 191, 411, BStBl II 2000, 318). Ein von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossener Grundstückskaufvertrag wird erst mit der Erteilung der Genehmigung durch die Vertretenen wirksam. Dies unterscheidet den Streitfall, was der Kläger nicht gesehen hat, von den Fällen der aufschiebend bedingten oder einer behördlichen Genehmigung bedürftigen Verträge, bei denen die Parteien bereits durch deren (ansonsten) wirksamen Abschluss gebunden und im Hinblick auf den aufschiebend bedingten Rechtserwerb (Anwartschaft) zur gegenseitigen Treuepflicht und zur Beachtung der Schutzvorschriften der §§ 160 ff. BGB verpflichtet sind (BFH in BFHE 188, 453, BStBl II 1999, 606).

2. Der Erwerbsvorgang ist im Streitfall mithin erst im Jahr 1997 i.S. von § 23 GrEStG 1983 verwirklicht worden und unterliegt deshalb einem Steuersatz von 3,5 v.H. Die zur Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrags notwendigen Genehmigungen wurden erst im Jahre 1997 erteilt. Zwar hat die Genehmigung durch die zunächst vollmachtlos Vertretenen zivilrechtlich nach § 184 Abs. 1 BGB Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, grunderwerbsteuerrechtlich ist ihr diese Rückwirkung jedoch versagt (vgl. § 14 Nr. 2 GrEStG 1983).



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