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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.10.1998
Aktenzeichen: II R 52/96
Rechtsgebiete: ErbStG 1974


Vorschriften:

ErbStG 1974 § 10 Abs. 5 Nr. 2
BUNDESFINANZHOF

Die geltend gemachte Pflichtteilsverbindlichkeit ist beim Erben abweichend von der Rechtsauffassung im Urteil vom 17. Februar 1982 II R 160/80 (BFHE 135, 336, BStBl II 1982, 350) auch dann mit dem Nennwert als Nachlaßverbindlichkeit abzuziehen, wenn sie durch Übertragung eines Nachlaßgrundstücks an Erfüllungs Statt erfüllt wird.

ErbStG 1974 § 10 Abs. 5 Nr. 2

Urteil vom 7. Oktober 1998 - II R 52/96 -

Vorinstanz: FG Düsseldorf (EFG 1996, 871)


Gründe

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zu je 1/3 Miterben ihrer im Oktober 1988 verstorbenen Mutter. Ein weiterer Bruder hatte die Erbschaft gemäß § 2306 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ausgeschlagen und den Pflichtteil verlangt. Der Pflichtteilsanspruch belief sich auf 261 664,74 DM. Zur Abgeltung dieses Anspruchs übertrugen die Kläger dem Bruder ein Nachlaßgrundstück mit einem Verkehrswert von 502 000 DM und einem Einheitswert von 63 200 DM an Erfüllungs Statt. Den Unterschiedsbetrag zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und der Höhe des Pflichtteilsanspruchs mußte der Bruder gegenüber den Klägern in Geld ausgleichen. Die Beteiligten streiten darüber, mit welchem Betrag die Kläger die Pflichtteilsverbindlichkeit bei der Berechnung des steuerpflichtigen Erwerbs abziehen können.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ist der Ansicht, abziehbar sei lediglich ein Teil des Steuerwerts des Grundstücks, und zwar der Teil, der zu dem Steuerwert im selben Verhältnis stehe, wie der Pflichtteilsanspruch zum Verkehrswert des Grundstücks. Demnach seien 52,125 v.H. des erhöhten Einheitswerts von 88 480 DM, nämlich ein Betrag von 46 121 DM, abziehbar.

Nach erfolglosem Einspruch gegen die auf dieser Grundlage erlassenen ursprünglichen Erbschaftsteuerbescheide erhoben die Kläger Klage mit dem Begehren, die Pflichtteilsverbindlichkeit in Höhe ihres Nennwerts von 261 664 DM abzuziehen. Während des Klageverfahrens erließ das FA am 14. Dezember 1995 aus anderen Gründen geänderte Erbschaftsteuerbescheide, mit denen es die Steuer gegen die Klägerinnen zu 1. und 2. bei einem steuerpflichtigen Erwerb von jeweils 146 000 DM auf 7 300 DM und gegen den Kläger zu 3. bei einem steuerpflichtigen Erwerb von 116 000 DM auf 5 220 DM festsetzte. Die Bescheide wurden gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Steuer gegen die Klägerinnen zu 1. und 2. jeweils auf 2 597 DM und gegen den Kläger zu 3. auf 1 326 DM herab. Es schloß aus der zu einem Geldvermächtnis ergangenen Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Oktober 1995 II R 5/92 (BFHE 179, 148, BStBl II 1996, 97), daß der BFH an seiner mit Urteil vom 30. September 1981 II R 64/80 (BFHE 134, 370, BStBl II 1982, 76) begründeten Rechtsprechung zum Pflichtteilsanspruch nicht mehr festhalten wolle. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 871 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974. Nach der Rechtsprechung des BFH sei dann, wenn einem Pflichtteilsberechtigten zur Befriedigung seines Anspruchs ein Grundstück an Erfüllungs Statt übertragen werde, der erhöhte Einheitswert des Grundstücks der Besteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 zugrunde zu legen. Entsprechendes solle für den Abzug der Pflichtteilsverbindlichkeit auf Seiten der Erben gelten.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger sind der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision ist unbegründet. Zutreffend hat das FG entschieden, daß die geltend gemachte Pflichtteilsverbindlichkeit beim Erben auch dann mit dem Nennwert als Nachlaßverbindlichkeit abzuziehen ist, wenn sie durch Übertragung eines Nachlaßgrundstücks an Erfüllungs Statt erfüllt wird.

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 ErbStG 1974 kann der Erbe vom Wert des gesamten Vermögensanfalls die Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen abziehen. Bei den Pflichtteilsverbindlichkeiten handelt es sich gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB um Geld(summen)schulden (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 1. Oktober 1958 V ZR 53/58, BGHZ 28, 177), die --sobald der Berechtigte seinen Anspruch geltend gemacht hat-- gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG 1974 i.V.m. § 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem Nennwert abzuziehen sind.

a) Die Pflichtteilsverbindlichkeiten entstehen --wie die Pflichtteilsansprüche gemäß § 2317 Abs. 1 BGB-- mit dem Erbfall, erlangen aber ebenso wie diese erbschaftsteuerrechtlich erst mit dem Geltendmachen des Pflichtteils Bedeutung. Darin korrespondiert § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG 1974 mit der Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG 1974, wonach der Erwerb eines Pflichtteilsanspruchs erst mit dessen Geltendmachung als Erwerb von Todes wegen gilt und die Erbschaftsteuer für diesen Erwerb erst im Zeitpunkt der Geltendmachung entsteht. Daß das Erbschaftsteuerrecht für beide Seiten des Pflichtteilsschuldverhältnisses an das Geltendmachen des Pflichtteils anknüpft, ändert nichts an der Eigenschaft des Pflichtteilsanspruchs und der Pflichtteilsverbindlichkeit als Geldforderung bzw. Geldschuld. Das zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen eines Pflichtteilsschuldverhältnisses auf den Zeitpunkt, in dem der Berechtigte seinen Anspruch geltend macht, ist im Interesse des Berechtigten geschehen und soll lediglich ausschließen, daß bei ihm auch dann Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebt (vgl. dazu Urteile des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 10. Oktober 1924 V eA 40/24, RFHE 15, 52, 57, sowie vom 17. November 1931 II A 547/31, Mrozek-Kartei, § 8 Nr. 1 GrEStG Nr. 33, 34). Dem ist die Abzugsregelung auf Seiten des Erben als Pflichtteilsschuldner angepaßt worden.

b) Aus der zivilrechtlichen Ausgestaltung des Pflichtteilsanspruchs als Geldanspruch, an die das ErbStG sowohl im Erwerbs- als auch im Abzugstatbestand anknüpft, ergibt sich, daß der Pflichtteilsberechtigte in keiner Rechtsbeziehung zu den einzelnen Nachlaßgegenständen steht, aufgrund derer er die Eigentumsübertragung einzelner Gegenstände verlangen könnte (RFH-Urteil vom 5. Dezember 1935 III eA 79/35, Mrozek-Kartei, § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1925 Nr. 18, 19). Sowohl bürgerlich-rechtlich als auch erbschaftsteuerrechtlich bleibt der Geldanspruch unabhängig davon Erwerbsgegenstand, wie und durch welche Leistung der Anspruch zum Erlöschen gebracht worden ist. Nimmt der Pflichtteilsberechtigte, wie im Streitfall, eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs Statt an, führt dies gemäß § 364 Abs. 1 BGB zwar zum Erlöschen des ursprünglichen Schuldverhältnisses, der im Zeitpunkt der Steuerentstehung maßgebliche Inhalt des Pflichtteilsschuldverhältnisses wird dadurch jedoch nicht berührt. Nach der Entstehung des Steueranspruchs zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten getroffene Erfüllungsabreden können den einmal entstandenen Steueranspruch weder aufheben noch verändern. Insoweit gilt dasselbe wie für den Anspruch aus einem Geldvermächtnis (vgl. dazu Urteil des BFH in BFHE 179, 148, BStBl II 1996, 97). Dementsprechend bleibt auch auf Seiten des Verpflichteten die nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG 1974 abziehbare Schuld unbeeinflußt von der Art und Weise, wie sich der Erbe ihrer entledigt hat.

2. Soweit der Senat bei Grundstücksübertragungen an Erfüllungs Statt im Zusammenhang mit Pflichtteilsansprüchen eine andere Auffassung vertreten hat (Urteile in BFHE 134, 370, BStBl II 1982, 76; vom 17. Februar 1982 II R 160/80, BFHE 135, 336, BStBl II 1982, 350, sowie vom 21. Juni 1989 II R 135/85, BFHE 157, 223, BStBl II 1989, 731), hält er daran aus den oben genannten Gründen nicht mehr fest.

Auch die Formulierung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974, wonach nicht das, was als Pflichtteil erworben wird, sondern der Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteils als Erwerb von Todes wegen gilt, rechtfertigt keine andere Beurteilung, denn es handelt sich dabei nicht um ein weiteres Tatbestandsmerkmal mit eigenständiger Bedeutung. Die Formulierung geht zurück auf das ErbStG vom 10. September 1919 (RGBl 1919, 1543) und diente lediglich dazu, das bereits erwähnte Anliegen des Gesetzgebers, den Erwerb von Todes wegen erst mit dem Geltendmachen des Pflichtteilsanspruchs eintreten zu lassen, unter Vermeidung eines weiteren Satzes etwa des Inhalts, der Anspruch auf den Pflichtteil gilt als Erwerb von Todes wegen nur, soweit er geltend gemacht wird, auszudrücken (vgl. dazu einerseits Urteil des Reichsgerichts vom 10. Oktober 1911 Rep. VII. 120/11, RGZ 77, 238, und andererseits RFHE 15, 52, 57). Wie der Senat bereits zum Geldvermächtnis entschieden hat (BFHE 179, 148, BStBl II 1996, 97), ist ein anderes Ergebnis auch nicht aus § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1974 herzuleiten. Diese Vorschrift setzt einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch gegen Abfindung voraus und betrifft daher einen anderen Sachverhalt.



Ende der Entscheidung

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